Mahlers „Dritte“ in der Tonhalle: Ein ganz großes Klang-Panorama
Die Symphoniker spielen im Rahmen der Sternzeichenkonzerte Gustav Mahlers 3. Sinfonie unter Adam Fischer. Heute Abend wird sie noch einmal gegeben.
Allein der erste Satz dauert so lange wie eine mittlere Beethoven-Symphonie. Und dann folgen noch fünf Sätze, die gemeinsam eine gute Stunde in Anspruch nehmen. Zwischen 90 und 100 Minuten Musik schuf der österreichische Spätromantiker Gustav Mahler mit seiner Dritten Symphonie, seiner längsten, die vermutlich die umfangreichste überhaupt ist. Geheimnisvolle Momente, große Steigerungen, bewegende Harmonien besitzt das Werk in reicher Fülle, und es lässt dadurch dem Hörer die Zeit nicht lang werden.
Adam Fischer und die Düsseldorfer Symphoniker bieten nun eine Interpretation, die das Werk zu einer großen Schau klanglicher Panoramen macht. Jeder Trommelwirbel wird ausgekostet, nicht ein Takt wirkt unterbelichtet. Und trotzdem gelingt eine Aufführung wie aus einem Guss - was ein Kunststück ist. Der lange Kopfsatz präsentiert so viele musikalische Gedanken, dass die Sonatenhauptsatzform nur schwer zu erkennen ist.
Der Musikphilosoph und Soziologe Theodor W. Adorno ließ sich deshalb bezüglich des Satzes zu dem Begriff „antiarchitektonisch“ hinreißen, eine begreifliche, aber nicht ganz stimmige Wortwahl. Denn trotz musikalischer Zerklüftung besitzt der Satz eine hinreichend stabile Architektur mit starken thematischen Säulen.
Und die aktuelle Darbietung sorgt dafür, dass an keiner Stelle die Decke durchhängt. Die Mahler-Ehe zwischen Fischer und den Symphonikern, bei der sämtliche Symphonien des Komponisten aufgeführt werden, erweist sich einmal mehr als glücklich. Fischer dirigiert nicht nur souverän und mit Sinn für musikalische Besonderheiten und ihre Zusammenhänge, das Orchester folgt ihm auch mit Fleiß und Leidenschaft. Ob Streicher, Holz- oder Blechbläser — alle Instrumentengruppen legen sich ins Zeug. Vor allem die Streicher lassen aufhorchen. Im balsamischen Schluss-Adagio, das in Mahlers symphonischem Schöpfungs-Gleichnis das Prinzip „Liebe“ darstellen soll, besitzt der Streicherklang eine wunderbar seidig-feine Textur.
Dass Mahler zwei Chöre und eine Altistin einsetzt, grenzt an Luxus. Denn zusammengenommen haben alle Vokalisten gerade mal ein Viertelstündchen zu singen. Dafür sind es ganz besondere Momente: Die Altistin singt Mahlers Vertonung von Friedrich Nietzsches „Nachtwanderlied“ aus „Also sprach Zarathustra“. Da heißt es „O Mensch! Gib acht!“ und zum Schluss „Doch alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit!“ Vom Rang aus singt Altistin Anna Larsson ihr Solo hinab. Ihr dunkles, bronzenes Timbre passt atmosphärisch genau in die Stimmung des Liedes.
Bestens aufgestellt sind die Chöre: Damen des Städtischen Musikvereins (Einstudierung: Marieddy Rossetto) und der Clara-Schumann-Jugendchor (Einstudierung: Justine Wanat). Trotz der einstündigen Wartezeit auf den Chorstühlen bis zum Einsatz mit „Bimm, bamm, bimm, bamm - es sungen drei Engel“ gelang der Part frisch und munter. „Was mir die Engel erzählen“ schrieb Mahler einmal über diesen Satz für Alt, Frauen-, Kinderchor und Orchester. Es ist die vorletzte Steigerung des symphonischen Welten-Gleichnisses. Doch das Schlusswort behält die Liebe als Krone der Schöpfung mit dem betörenden 20-Minuten-Adagio. Von Mahlers „Dritter“ gibt es zahlreiche erlesene CD-Aufnahmen. Doch das Live-Erlebnis kann man nur selten genießen aufgrund des großen Besetzungsaufwands.
Termin:Heute, 20 Uhr; Restkarten an der Abendkasse. Infos unter der Rufnummer 899 61 23.
tonhalle.de