Crack verschlimmert Drogentreffpunkt in Düsseldorf „Der Worringer Platz ist eine Katastrophe“

Düsseldorf · Das Glashaus ist zerstört, Gewalt ist alltäglich, Anwohner haben Angst. Die Drogenszene setzt dem Platz zu. Warum tut sich dort nichts?

In dem Glashaus fanden mal Kunstaktionen und Ausstellungen statt. Nun sind die Scheiben zerbrochen, das Haus ist abgesperrt.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Selbst am Morgen stehen sie da, an dem eingezäunten Glashaus mit den zerbrochenen Scheiben. Ein Dutzend Menschen, ihre Kleidung dreckig und zerlumpt, die Haltung gebückt. Und zwischen ihnen steigt der Rauch auf. Sie stehen da, wenn morgens Kinder aus den Bahnen strömen und zur Schule laufen. Wenn Passanten den Platz überqueren, auf dem Weg zur Arbeit oder mit gefüllten Einkaufstaschen. Wenn die Imbissbuden und Büdchen, der Orthopädiebedarf und das Tattoo-Studio öffnen. Wenn der Ordnungsdienst und die Streetworker mit ihren Wagen auf den Platz fahren. Sie stehen da, rauchen, trinken, spritzen, rund um die Uhr.

Der Worringer Platz gilt seit jeder als Treffpunkt für Obdachlose und Drogenabhängige. Auch Umbauten haben daran nichts geändert, im Gegenteil. Wohl nie zuvor war es so eng und dreckig auf dem Platz, nie waren die Obdachlosen und Drogenabhängigen in so schlechter Verfassung. In den vergangenen Monaten haben sich die Zustände auf dem Platz immer weiter verschlechtert, berichten nicht nur Anwohner und Geschäftstreibende, sondern auch Sozialarbeiter und die Drogenhilfe.

„Der Worringer Platz ist gerade eine Katastrophe“, sagt Michael Harbaum. Seit fast zehn Jahren leitet er die Düsseldorfer Drogenhilfe. Harbaum ist Sozialpädagoge, trägt immer schwarze Kleidung und Ohrringe und hat täglich mit Menschen zu tun, die schwer abhängig von harten Drogen sind. Er kennt die Probleme, die Studienlage und die Drogenpolitik anderer Städte. So pessimistisch wie jetzt klang er selten. „Ich habe früher immer gesagt, man braucht dort keine Angst zu haben“, sagt Harbaum. „Das kann ich jetzt nicht mehr.“

Jeden Tag komme es zu Gewalt am Worringer Platz, sagt Harbaum. Anwohner und Geschäftsleute haben massenhaft Videos gesammelt. Mal schreit ein Mann auf der Straße, mal schlägt einer gegen die Schaufensterscheibe, mal tritt einer dem anderen gegen den Kopf. Die Menschen knubbeln sich auf kleinem Raum, quetschen sich auf die Bänke. Das Crack mache sie gereizt, sie suchen Ruhe, die sie aber nicht finden. Die Hemmschwelle sinkt und sinkt und sinkt. „Es braucht unbedingt mehr Platz“, sagt Michael Harbaum.

Streetworker drängen schon lange auf einen Alternativort, um die Drogenszenen zu entzerren. Doch den gibt es bis heute nicht. Stattdessen verschlimmere sich der Platz zusehends, vor allem in den vergangenen Monaten war dies der Fall. „Es hat sich stark verschlechtert seit der Räumung des Grand Central“, sagt Harbaum. Die brachliegende Baugrube liegt nur wenige Hundert Meter vom Worringer Platz entfernt. Obdachlose und Drogenabhängige hatten dort in wackligen Zelten gehaust, in den Gebüschen Crack geraucht und Heroin gespritzt, gedealt und sich prostituiert. Die Polizei durfte nur in Notfällen auf das Privatgelände fahren. Ein Ort außerhalb jeder sozialen Kontrolle, den selbst Streetworker alleine nicht betreten wollten. Vor einem halben Jahr räumte die Stadt die Baugrube. Und der Worringer Platz wurde noch voller.

Crack verursacht bei
Anwohnern „Ekel und Angst“

Die Anwohner beschweren sich seit Jahren über die Zustände, über Spritzen auf dem Boden, Kot und Urin in den Hauseingängen. Nun, sagt Christian Tilg, ist das Crack da und mit ihm die Aggressivität. „Mit Heroin-Junkies hatten wir solche Probleme nicht, die saßen ruhig in der Ecke“, sagt der Anwohner. „Jetzt sind da nur noch Ekel und Angst.“ Selbst nachts finde er keine Ruhe mehr, weil die Abhängigen auf der Straße schreien. Das Crack verschiebt das Zeitgefühl, es unterdrückt Hunger und Schmerz. Manche, die hier stehen, sind seit Tagen wach. Die Anwohner meiden den Platz. Mittlerweile sei jede Bank und jede Bushaltestelle von Drogenabhängigen belegt. In dem Glashaus mit den zerbrochenen Scheiben gab es einst Kunstprojekte und Ausstellungen. Zwischenzeitlich hatten Obdachlose darin geschlafen, nun ist es abgesperrt. „Das ist kein Platz mehr für uns Anwohner“, sagt Tilg. „Das ist ein reiner Drogenplatz.“

Christian Tilg und andere Nachbarn saßen an runden Tischen und in Innenstadtkonferenzen. Verbessert habe sich nichts. Zusammen mit Nachbarn hat Tilg eine Petition gestartet für „Sicherheit und Sauberkeit für den Worringer Platz“. Sie wollen mehr Ordnungskräfte, mehr Hilfsangebote und den Abbau der Glasbänke. Stattdessen fordern sie ein anderes Konzept für den Platz. Knapp 650 Unterstützer haben bislang unterschrieben. Sie kommentieren, dass sie sich dort unwohl fühlen, Angst haben. Immer wieder fällt das Wort „Schandfleck“. „Die Stadt sollte etwas dagegen tun“, schreibt einer. Aber was?

Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) war am Sonntag dort, trotz der Europawahl ging er eine Stunde lang mit Anwohnern über den Platz, hörte ihnen zu. Fragt man bei der Stadt nach, wird aufgeführt, was bislang getan wurde: Gespräche mit der Polizei, Mülleimer, hellere Leuchten, mehr Streetwork, mehr Plätze im Drogenkonsumraum, ein Hilfezentrum in Flingern. Und natürlich die Unterkunft an der Moskauer Straße, in der suchtkranke Obdachlose unterkommen können.

„Die Einrichtung ist ein Erfolgsmodell“, sagt Michael Harbaum von der Drogenhilfe. „Aber nicht für den öffentlichen Raum. Diese Themen dürfen wir nicht vermischen.“ Die Menschen, die in den Zimmern an der Moskauer Straße leben, verlassen die Unterkunft trotzdem, um Drogen zu kaufen und Crack zu rauchen, auch auf dem Worringer Platz. Darum brauche es ein neues Angebot – im öffentlichen Raum. Über Jahre hieß es, die Stadt sei auf der Suche nach einem Alternativort, das Verfahren laufe. Nun blieb die Frage nach einem anderen Treffpunkt unbeantwortet.

„Es gibt keine Platzalternative“, sagt Bezirksbürgermeisterin Annette Klinke. „Man hätte den Platz neben dem Gesundheitsamt ausprobieren können. Aber ansonsten gibt es nichts in der Umgebung.“ Hilfsorganisationen hatten den leerstehenden Parkplatz neben dem Amt vorgeschlagen, nicht weit entfernt vom Worringer Platz. Die Stadt lehnte ab. Die Begründung: Dort soll ein neuer Gesundheitscampus entstehen, Baustart noch unbekannt.

Auch die Bezirksbürgermeisterin klingt ermattet. „Meine ersten zwei Amtsjahre habe ich gefühlt nichts anderes gemacht, als mich mit dem Worringer Platz zu beschäftigen“, sagt Klinke. „Es ist frustrierend, wie wenig sich in der Zeit getan hat. Es ist offenbar nichts angekommen bei den Anwohnern.“ Sie plädiert für längere Öffnungszeiten des Drogenkonsumraums, weiß aber auch um die hohen Kosten. „Das ist ein Fernziel. Ich kann verstehen, dass das den Anwohnern zu langsam geht.“

Eines hört man immer wieder: Quartiersmanagement. Das fordern die Nachbarn, die Drogenhilfe, die Bezirksbürgermeisterin. Und auch die Stadtverwaltung hatte vor knapp einem Jahr selbst angekündigt, einen Quartiersmanager einführen zu wollen, der auch als Ansprechpartner für Anwohner und Geschäftsleute bereitstehen soll. Davon ist jedoch in der Liste der Maßnahmen heute nichts mehr zu lesen.