Zwei Frauen in Düsseldorf verletzt Obdachlosenunterkünfte in Düsseldorf fordern Security nach Messerangriff

Düsseldorf · Zwei Mitarbeiterinnen der Obdachlosenhilfe „Horizont“ wurden im Juni von einem Stammgast mit einem Messer angegriffen und verletzt. Seitdem sind Sicherheitsleute vor Ort. Das ist notwendig, sagen die Träger.

In der Obdachlosenunterkunft an der Moskauer Straße in Düsseldorf gehörten Sicherheitsleute von Beginn an zum Konzept.

Foto: Anne Orthen (orth)

Es kam aus dem Nichts. In einem Gespräch hatte der Mann plötzlich ein Messer gezogen und zugestochen. Am 17. Juni wurden zwei Mitarbeiterinnen der Wohnungslosenhilfe „Horizont“ in Unterbilk angegriffen und verletzt. Eine 63-Jährige schwebte zwischenzeitlich in Lebensgefahr. Der Täter: Ein Stammgast der Tagesstätte für Obdachlose. Für die Träger solcher Einrichtungen stellt sich seitdem die Frage nach der Sicherheit.

Die Diakonie Düsseldorf setzt in ihren Tagesstätten seit der Attacke einen Sicherheitsdienst ein. Das habe sich in den vergangenen Monaten bewährt. „Wir mussten deutlich seltener die Polizei rufen“, sagt Oliver Targas, Abteilungsleiter für Beratung und soziale Integration bei der Diakonie. Allein die Präsenz der Sicherheitsleute wirke sich positiv aus. Bei drohenden Auseinandersetzungen könnten die Security-Kräfte dazwischengehen und die Situationen oftmals beruhigen, bevor es zu Gewalt kommt. Die Sicherheitsleute sollen aber vorerst nur bis Ende des Jahres bleiben.

Die Träger der Wohnungslosenhilfen in Düsseldorf fordern nun eine städtische Finanzierung für den dauerhaften Einsatz von Sicherheitsdiensten in den Einrichtungen. Das sagte Jürgen Plitt, Geschäftsführer der Wohnungslosenhilfe der Franzfreunde. So wolle man die Sicherheit für alle Mitarbeitenden und Besucher garantieren. Rana Martin Bhattacharjee, Leiter des Amts für Migration und Integration, sieht das allerdings kritisch. „Wir müssen schauen, wie weit wir gehen wollen“, so Bhattacharjee. Schließlich sollten die Einrichtungen offene Häuser sein und möglichst vielen Menschen Zuflucht bieten. Insbesondere die Notschlafstellen würden bereits jetzt von vielen Obdachlosen nicht angenommen. Sicherheitsleute in Uniformen in den Einrichtungen könnten wohnungslose Menschen noch mehr abschrecken, fürchtet der Amtsleiter.

Auch bei der Diakonie habe man das Für und Wider solcher Sicherheitsdienste diskutiert, sagt Oliver Targas. Auch schon vor dem Messerangriff im Juni. Aus Sicht der Träger hat die Gewalt in den Obdachlosenunterkünften in den vergangenen Jahren stetig zugenommen – äquivalent zu der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, so Targas. Der Vorfall sei nun der traurige Anlass gewesen, um das Vorhaben umzusetzen.

Besucher überwältigten
Angreifer und hielten ihn fest

Auch in anderen Unterkünften gehört Security bereits zum Konzept. In der noch jungen Einrichtung an für suchtkranke Obdachlose – hauptsächlich Crack-Abhängige – an der Moskauer Straße etwa wurde ein Sicherheitsdienst von Beginn an eingesetzt. Auch in der Notschlafstelle Ariadne für Frauen und Mütter mit Kindern sind Sicherheitsleute vor Ort. In den Tagesstätten aber ist das noch eher ungewöhnlich.

Der Angriff im „Horizont“ war ein dramatisches Ereignis für das gesamte Team, jedoch ein beispielloser Einzelfall. „Das war eine gezielte Tat“, sagt Targas. Der 40-jährige Mann, der die Einrichtung regelmäßig besuchte, hatte eine Mitarbeiterin um ein Gespräch gebeten. Während der Unterhaltung habe er plötzlich zugestochen. Die andere Mitarbeiterin habe er im Café Horizont unvermittelt angegriffen. „Der Angriff war überhaupt nicht absehbar.“

Wenn es in den Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe zu Auseinandersetzungen komme, seien diese in der Regel anders gelagert. Meist handele es sich um Konflikte, die sich hochschaukeln und schließlich in körperlicher Gewalt münden. Genau in solchen Fällen könnten Sicherheitsleute deeskalierend wirken, so Targas. Auch die anderen Besucher der Tagesstätten hätten bislang positiv auf den Sicherheitsdienst reagiert. „Endlich“ – das sei die Reaktion vieler Wohnungsloser gewesen, sagt Targas. Die Diakonie arbeite darum bereits daran, die Sicherheitsleute auch im kommenden Jahr in den Einrichtung einsetzen zu können. Dafür brauche es aber die Finanzierung der Stadt.

Den beiden verletzten Mitarbeiterinnen gehe es körperlich mittlerweile wieder besser. Arbeitsfähig seien sie aber noch nicht. Auch eine von zwei Augenzeuginnen habe den Angriff noch nicht verarbeitet. Der Angreifer aus dem „Horizont“ wurde festgenommen, er sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: versuchter zweifacher Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. In zwei Wochen soll der Prozess gegen ihn beginnen.

Dass der 40-jährige Tatverdächtige so schnell festgenommen wurde, ist vier Besuchern der Einrichtung zu verdanken. Sie hatten den Angreifer überwältig und festgehalten, als er flüchten wollte. Für ihren Einsatz wurden Alexander Krüger, Holger te Loo, Asim Zeybeksoy und Daniel Potocnik in dieser Woche im Rathaus geehrt. „Der Einsatz war mutig und keinesfalls selbstverständlich. Sie sind damit Vorbild für andere“, sagte Oberbürgermeister Stephan Keller. „Es gibt viele Situationen im Alltag, in denen es wichtig ist, nicht wegzuschauen, sondern hinzusehen, schnelle Entscheidungen zu treffen und beherzt einzugreifen.“

Auch Alexander Krüger sprach sich bei dem Termin für strengere Kontrollen in der Einrichtung aus. „Das wäre ja zum Schutz für uns alle, auch wenn es nie eine hundertprozentige Sicherheit gibt“, so Krüger.