Düsseldorfer OB Stephan Keller Der Oberbürgermeister zwischen Stau und Staatsmann
Analyse | Düsseldorf · Nach drei Jahren im Amt überzeugt Stephan Keller vor allem in Haltungsfragen. Wenn es um das politische Kerngeschäft geht, finden sich zwar auch erfolgreiche Keller-Projekte, aber lang ist die Liste nicht.
Eine Sache unterscheidet Stephan Keller grundsätzlich von seinen Vorgängern im Oberbürgermeisteramt. Der CDU-Mann kommt aus der Stadtverwaltung, und kannte sich sogar im Düsseldorfer Rathaus bestens aus, da er dort bereits Dezernent für Recht, Ordnung und Verkehr war. Vorurteile waren schnell formuliert. Aha, einer der gut verwalten kann, letztlich ein Bürokrat. Und der soll die Stadt weiter nach vorne bringen?
Umgekehrt hatte das Rathaus gerade mit Thomas Geisel einen OB erlebt, der es nicht verstand, die Verwaltungsspitze mitzunehmen. Positive Lesart in Bezug auf Keller: Der weiß wie der Laden läuft, und kann Ideen besser umsetzen.
Wie immer ist die Wirklichkeit aber nicht schwarz oder weiß. So gewinnt Keller in den letzten Wochen an Profil, das so gar nicht auf die üblichen Rathausprozesse zurückzuführen ist. Während ihm Marie-Agnes Strack-Zimmermann als Gegenkandidatin im Wahlkampf noch absprach, einer für die erste Reihe zu sein, beweist Keller bei seinen Auftritten und Reden zur Solidaritätsbekundung mit der jüdischen Gemeinde das Gegenteil. Mit klarer, reflektierter Haltung gibt der 53-Jährige der Stadtgesellschaft Orientierung und findet die richtigen Worte. Zudem nimmt man ihm Betroffenheit und Mitgefühl ab, was das Image des Technokraten schwinden lässt.
Dass Keller einen scharf kalibrierten Wertekompass besitzt und diesem konsequent folgt, ist nicht neu. So sagte er jetzt kurzerhand seinen Besuch bei Feierlichkeiten des türkischen Generalkonsulats ab, nachdem Erdogan die Hamas als „Befreiungsgruppe“ gefeiert hatte. Vor anderthalb Jahren legte Keller die Städtepartnerschaft mit Moskau bereits einen Tag nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine auf Eis.
Und wenn CDU-Chef Friedrich Merz unbekümmert über Wege gemeinsamen Arbeitens auf kommunaler Ebene mit der AfD schwadroniert, bezog Keller unmittelbar dagegen Stellung.
In die Reihe der Haltungsfragen passt ein weiteres Beispiel. Während Thomas Geisel der Stadt im Umgang mit Raubkunst einen peinlichen Auftritt in der internationalen Presse bescherte, räumte Keller das Thema ab. Die Restitution des Schadow-Bildes wurde trotz Nachweislücken vollzogen, der Streit mit der Max-Stern-Stiftung beigelegt.
Auch außerhalb der CDU zieht man so das Fazit, dass man mit diesem Oberbürgermeister keine Fremdschämmomente fürchte. So wenig sei das gar nicht. Man denke nur an den Satz von Elbers übers Ruhrgebiet, wo man nicht Tod überm Zaun hängen wolle. Geisel wiederum hatte den umstrittenen Rapper Farid Bang für eine Kampagne engagiert und nach seiner Amtszeit harte Sanktionen gegen Russland in Frage gestellt. Ähnliches Amtsgefährdendes sehen selbst führende Kräfte in der Opposition nicht kommen. „Er macht zu wenig Fehler“, heißt es da ernüchtert.
An unerwarteten Stellen
hakt es in der Stadt
Doch während Keller gerade überraschend als Staatsmann punktet, knirscht es ausgerechnet im Rathaus bei der Umsetzung von manchem von Keller gemachten Versprechen. Ja, bei der Aufstockung des OSD läuft es gut, die Stimmung in der Altstadt ist auch besser geworden. Der beste Beweis ist übrigens, dass die größte Oppositionsfraktion SPD den Punkt Sicherheit in ihrer per Pressemitteilung verschickten Generalabrechnung zu drei Jahren OB Keller ignoriert. Das umfassend angelegte Sicherheitskonzept inklusive Streetwork sprach übrigens gegen die These vom so strikten Law-und-Order-Mann Keller.
Und ja, auch der Neubau der Oper ist mit Kellers Gestaltungswillen weiter in der Spur, da er ohne den CDU-Kooperationspartner Grüne eine Allianz mit der SPD schmieden konnte. Den gut aufgestellten Schulbau lässt er zudem weiter laufen wie zuvor. Doch was ist neben OSD und Oper noch als erfolgreiches Keller-Projekt zu identifizieren? Vom auf Wahlplakaten versprochenen staufreien Düsseldorf oder dem Ziel, die fahrradfreundlichste Großstadt zu werden, ist man noch weit entfernt und die Kritik der SPD berechtigt.
Vielmehr staut es sich an vielen Stellen: Bei der Rheinbahn kommen Taktverbesserungen oder Erneuerungen der Fahrzeuge nur schleppend voran. Der Ausbau des Radnetzes geht längst nicht so schnell wie geplant. Fast wirkt es, als ob Keller die Autofraktion in seiner Partei beschwichtigen will, wenn er die Planungsmittel für die Radleitrouten drei bis sechs erstmal streichen oder die Lastenradförderung nicht erneuern will. Zudem sind das fatale Signale in Richtung Verwaltungsapparat.
Kleiner Exkurs: Vorher abgesprochen waren letztgenannte Aussagen mit dem Kooperationspartner Grüne übrigens nicht, wie zu hören ist. Das Abspringen von der Opernplanung hat der OB wohl nicht vergessen. Zudem ist aus dem Rathaus zu hören, dass das Amt Keller verändert, der Geduldsfaden schneller mal reißt. Was allerdings auch stimmt: In den Kreisen der Verwaltungsspitze genießt der Jurist volle Rückendeckung.
Auch die von Keller formulierten hohen Ansprüche an die Digitalisierung sind weit von der Wirklichkeit entfernt, etwa beim Bürgerservice. Das gibt Keller auch zu. Und ausgerechnet der Verwaltungskenner hat entscheidenden Anteil daran, dass er mit Michael Rauterkus den falschen Dezernenten installierte, wodurch wertvolle Zeit verloren ging. Immerhin zog Keller die harten Konsequenzen und leiteten den bislang einmaligen Vorgang der Trennung von einem Beigeordneten ein.
Immerhin ist der Glasfaserausbau endlich durch Kooperationen und eigene Initiativen auf den Weg gebracht. Das war unter Geisel noch nicht der Fall, was die SPD in ihrer Pressemitteilung übrigens ebenfalls weglässt, während ihre übrige Kritik an der Digitalisierung zutrifft.
Woran sich Keller ebenfalls messen lassen werden muss, ist die aus dem Operndeal mit der SPD hervorgegangene und von ihm präsentierte Wohnungsbauoffensive. Bislang fehlen konkrete Ansätze, wie das eigentlich in diesen Zeiten gehen soll. Auch auf die Folgen der Immobilienkrise und mit möglichen Folgen für zentrale Projekte mit Leuchtkraft wird die Stadtgesellschaft Antworten von einem OB erwarten. Ein mögliches Scheitern des Umbaus des Konrad-Adenauer-Platzes kann Keller auch nicht einfach bei den Grünen abladen, die mit ihrer Kritik nicht allein stehen. Denn es würde letztlich auch auf Keller zurückfallen, wenn die Verhandlungen mit der Bahn in seiner Amtszeit scheitern und der politische Mehrheitswille nicht umgesetzt werden könnte.
Und so gut die Gewerbesteuererträge sein mögen – Antworten auf das sich abzeichnende strukturelle Defizit des Haushalts stehen aus. In einer zweiten Pressemitteilung der SPD zu Kellers Bilanz bemängelt die Fraktion zudem fehlende Lösungsansätze für zu wenig Pflegeplätze oder steigende Altersarmut. Die sozialen Schieflagen in der Stadt erwähnte Keller in seiner Bilanz tatsächlich nicht, die er als reine Leistungsschau anlegte.
Fazit: Die staatsmännisch klare Haltung vertrüge es durchaus, Düsseldorf und das eigene Wirken nicht nur in den schönsten Farben zu malen. Zudem wird es für Keller in den kommenden beiden Jahren darum gehen müssen, weitere Projekte mit dem Ehrgeiz wie beim OSD zum Erfolg zu führen.