Wegen Schwarzfahren in Haft Offener Brief fordert Begnadigung für ehemalige Obdachlose

Düsseldorf · Wegen Schwarzfahrens sitzt die ehemalige Obdachlose Gisa M. in Haft. Unterzeichner eines offenen Briefs sind Promis und Forscher.

Ein offener Brief soll Gisa M. helfen.

Ein offener Brief soll Gisa M. helfen.

Foto: Verena Kensbock

(june) Am 4. November wurde Gisa M. verhaftet; trotz Protesten und Kundgebungen. Sechs Monate soll die ehemalige Obdachlose nun in der Justizvollzugsanstalt Willich II absitzen – für mehrfaches Schwarzfahren. Gisa M. wurde zu insgesamt eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie elf Mal ohne gültiges Ticket mit der Bahn gefahren ist. Ein Teil dieser Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Jetzt haben Künstler, Wissenschaftler, Gewerkschafter, Juristen und Prominente sowie viele Düsseldorfer gemeinsam mit dem Verein Fifty-Fifty einen offenen Brief an Justizminsiter Benjamin Limbach (Grüne) verfasst. Darin fordern sie ihn auf, sich für eine Begnadigung von Gisa M. einzusetzen. Noch immer steht eine Entscheidung der Gnadenstelle des Landgerichts Düsseldorf aus. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf „Therapie statt Strafe“ bereits abgelehnt. Auch im Brief wird die Argumentation aufgefasst, dass „die Haft das Leben bedroht, das Gisa sich in den letzten Jahren aufgebaut hat und damit auch ihre therapeutischen Erfolge“. Die 56-Jährige habe es in den vergangenen Jahren geschafft, ihren Heroin-Konsum zu überwinden und in den vergangenen neun Jahren trotz Suchtkrankheit straffrei zu bleiben. Inzwischen hat sie auch eine eigene Wohnung.

Die Haftstrafe, die sie nun für das Fahren ohne Ticket bekommen hat, empfindet Oliver Ongaro, Sprecher von Fifty-Fifty, als „völlig überzogen.“ Es sei vielmehr die Bestrafung von Armut. Gisa sei nicht die einzige, die aus Not ohne gültiges Ticket fahre, und die aktuellen Krisen und Teuerungen verschärfen die Situation armer Menschen zusätzlich. Daher fordert der offene Brief zudem, dass der Paragraf 265a abgeschafft werden soll: „Wer sich [...] die Beförderung durch ein Verkehrsmittel [...] erschleicht, [...] wird mit Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht“. Die Wertung des Schwarzfahrens als Straftat sei bereits seit Jahren umstritten. Zu den Unterzeichnern gehören der Toten-Hosen-Gitarrist Andreas „Breiti“ Breitkopf, die Schriftstellerin Ingrid Bachér und Karnevalswagenbauer Jacques Tilly, der Musiker Thorsten Nagelschmidt sowie Professoren verschiedener Universitäten.