Pflegemesse in Düsseldorf Rehacare 2022 zeigt Hilfsmittel für Kinder und neuen Ganzkörperanzug

Düsseldorf · Bei der weltweit größten Fachmesse für Rehabilitation und Pflege zeigen knapp 700 Aussteller aus 38 Ländern ihre Produkte.

Eine der Neuheiten auf der Messe: ein Elektrodenanzug, der die Muskeln von Menschen mit Spastiken oder MS stimulieren soll.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Nach zwei Jahren coronabedingter Pause findet wieder die Fachmesse für Rehabilitation und Pflege, die „Rehacare“ statt. Bis zum 17. September werden knapp 700 Aussteller aus 38 Ländern ihre neuen Produkte und Dienstleistungen vorstellen. Das Motto der Messe lautet: „Inklusion und selbstbestimmt leben“. Präsentiert wird, was das Leben von behinderten und pflegebedürftigen Menschen erleichtern soll. Im Fokus stehen behindertengerechte Umrüstungsmöglichkeiten für Autos und Hilfsmittel für Kinder. So etwa der Ganzkörperanzug „Exopulse Mollii Suit“ des Herstellers Ottobock: Getragen werden kann der Anzug von Kindern und Erwachsenen mit Spastiken, Multipler Sklerose oder nach einem Schlaganfall, um ihre Mobilität zu stärken und Schmerzen zu lindern. Patienten könnten dadurch auch wieder Gläser greifen, Schuhe zubinden „oder das Gehen wieder für sich entdecken“, sagt Marktmanagementleiter Daniel Hublitz. 58 Elektroden am Anzug sollen die Muskeln des Trägers stimulieren. 7500 bis 8500 Euro kostet der Anfang des Jahres in Deutschland eingeführte Anzug. Die Kostenübernahme steht laut Hublitz „noch in den Anfängen“. Viel müsse noch privat gezahlt werden.

Präsentiert wird auf der internationalen Fachmesse auch eine kleine Vorlesekamera für sehbehinderte Menschen, die an die Brille gesteckt werden kann. Die Kamera – etwa so groß wie ein USB-Stick – liest sehbehinderten Menschen alles Gedruckte vor. Sie kann aber auch eingespeicherte Gesichter erkennen und Geldscheine. Sie kostet in zwei Ausführungen 3745 oder 4815 Euro und kann laut Hersteller Orcam als Hilfsmittel bei Krankenkassen eingereicht werden.

Gehbehinderte Menschen können wiederum mit dem geländegängigen Elektrorollstuhl „ibot“ mit vier Rädern nicht nur Treppen überwinden, sondern den Sitz auch hochfahren und so auf Augenhöhe mit Nichtbehinderten kommen oder etwa im Supermarkt Lebensmittel aus hohen Regalen holen. Dafür stellt sich der Rollstuhl auf zwei Räder – die Technik übernimmt das Halten des Gleichgewichts. Produziert wird er in den USA und in Europa von einer niederländischen Firma vertrieben. Kosten: ab 30 000 Euro.

Der Kreis der Betroffenen ist groß: Ende 2021 gab es nach Angaben des Statistischen Bundesamts rund 7,8 Millionen schwerbehinderte Menschen in Deutschland – das ist fast jeder zehnte. Mehr als 4,1 Millionen Menschen waren Ende 2019 laut Pflegestatistik pflegebedürftig. Von ihnen wurden etwa 3,3 Millionen zuhause versorgt. Pflege und Rehabilitation sind ein wachsender Markt: Allein die gesetzlichen Krankenkassen gaben 2021 fast 9,8 Milliarden Euro für Hilfsmittel aus.

Parallel zur Messe gibt es ein Vortragsprogramm mit vielen Themen. Selbsthilfegruppen und Verbände informieren über aktuelle gesundheitspolitische Aspekte und ihre Arbeit. Ein Vortragsprogramm befasst sich mit „Long Covid“. Rund 160 Selbsthilfegruppen zu Long Covid seien bundesweit bereits gegründet worden, sagt Martin Danner, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe. Im Zusammenhang mit Corona und weiteren Finanzierungsanforderungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen befürchtet er eine steigende Eigenbeteiligung der Betroffenen bei der Finanzierung von medizinischen Hilfsmitteln. Dies sei umso ungerechter, als die gesetzlichen Kassen etwa 2021 bei 285 Milliarden Euro Gesamtausgaben nur 9,79 Milliarden Euro für die Hilfsmittelversorgung ausgegeben hätten.

Erstmals findet am 16. und 17. September zudem der Branchentreff „Therapie Düsseldorf“ (Halle 1) statt. Mehr als 80 Aussteller zeigen dort Produkte für Therapie, Rehabilitation, Fitness und Training sowie Bedarfs- und Verbrauchsartikel für die tägliche Arbeit. Auch Produkte und Dienstleistungen für das Praxismanagement und das Einrichten von Praxisräumen sind in der Halle 1 zu sehen.

(csr/dpa/epd)