Demonstranten über Stunden festgehalten Unterschiediche Urteile um umstrittenen Polizeikessel

Düsseldorf · Stundenlang hatte die Polizei 338 Demonstranten festgehalten. Nun hat das Verwaltungsgericht drei unterschiedliche Urteile gesprochen.

338 Personen wurden bei der Demo vor drei Jahren eingekesselt. Nicht alle waren Teil des Antifa-Blocks.

Foto: dpa/Roberto Pfeil

Auf den Videoaufnahmen ist zu sehen, wie sich schwarz gekleidete Demonstranten mit Bannern und Regenschirmen abschirmen, wie Flaschen fliegen und roter Rauch aus der Menge steigt. Man hört die Rufe: „Alle Bullen raus aus der Demo“. Es ist zu sehen, wie Demonstranten und Polizisten immer wieder aneinandergeraten, die einen hinter, die anderem vor dem Banner, wie Gerangel entstehen. Aber es ist auch zu sehen, wie der Demonstrationszug friedlich vorbeizieht und plötzlich Dutzende Einsatzkräfte zwischen zwei Blöcke grätschen. Oder wie sich eine Gruppe von Demonstranten irritiert umdreht, als plötzlich eine Reihe von Einsatzkräften hinter ihnen steht.

Diese Aufnahmen waren bei drei Verhandlungen um einen umstrittenen Polizeieinsatz zu sehen. Bei der Demonstration „Versammlungsgesetz stoppen“ im Juni 2021 hatte die Polizei einen Antifa-Block mit 338 Teilnehmern eingekesselt. Darunter auch Menschen, die nicht zu der Gruppierung gehörten. Mehrere Personen hatten gegen das Land NRW geklagt – sie seien rechtswidrig eingekesselt, von der Versammlung ausgeschlossen und über Stunden festgehalten worden, so der Vorwurf. Nach fast drei Jahren hat das Verwaltungsgericht in Düsseldorf am Donnerstag schließlich drei unterschiedliche Urteile gesprochen.

Zwei Kläger, darunter die Sprecherin des Bündnisses „Versammlungsgesetz NRW stoppen“, haben Recht bekommen. Laut Gericht wurden sie rechtswidrig von der Demonstration ausgeschlossen und von der Polizei festgehalten. Sie hatten sich am Rand des Geschehens aufgehalten und seien nicht als Störer aufgetreten. Das hätten die Einsatzkräfte erkennen müssen, so die Richterin. Die Klagen von vier weiteren Personen hingegen wurden abgewiesen. Sie hatten sich mitten im strittigen Block aufgehalten, auch in der Nähe zu Auseinandersetzungen, und hätten sich nicht davon distanziert. Es sei für die Polizisten nicht erkennbar gewesen, dass sie nicht zu der Gruppe gehörten.

Die Entscheidung stützt sich unter anderem auf umfangreiches Videomaterial der Polizei. So unterschiedlich die Eindrücke der Aufnahmen sind, die an diesem Tag im Gerichtssaal gezeigt werden, so unterschiedlich sind auch die Interpretationen. Die Kläger sprechen von „massiver Polizeipräsenz“, gar von Drangsalierung. „Die Demo sollte eskalieren“, sagt Martin Behrsing, einer der Kläger vor Gericht. Die Teilnehmer seien von den Einsatzkräften „eingequetscht“ und „bedrängt“ worden, so Kläger Peter Bastian. Die Polizei habe das Chaos selbst verursacht, so die einhellige Meinung.

Vertreter des Landes hingegen argumentierten, die Polizei habe sich an alle gesetzlichen Vorgaben gehalten. Und die Einsatzkräfte hätten guten Grund gehabt, derart in die Versammlung einzugreifen. Aus dem Block heraus seien Straftaten verübt worden und man wollte weitere verhindern. Auch aus Sicht des Verwaltungsgerichts war der Polizeieinsatz per se rechtmäßig. Es sei auch hinzunehmen, dass beim Einkesseln Nicht-Störer eingeschlossen würden.

Mehrere Tausend Teilnehmer waren am 26. Juni 2021 nach Düsseldorf gekommen, um gegen das Landesgesetz zu demonstrieren. Die Versammlung war, auch wegen der Corona-Regeln, in zehn unterschiedliche Blöcke aufgeteilt, etwa Jugend, Klimaschützer, Fußballfans. Der umstrittene Block sieben war als Antifa-Block deklariert. Im Laufe des Demonstrationszuges hatten sich die Antifa-Anhänger mit Kapuzen und Sonnenbrillen vermummt und Banner zusammengebunden. Die Stimmung heizte sich auf, es flogen Flaschen und Pyrotechnik wurde gezündet, das zeigen die Aufnahmen der polizeilichen Kameras. Immer wieder kam es zum Gerangel zwischen Teilnehmern und Polizisten.

24 Mal habe die Polizei die Versammlungsleitung zum Einschreiten aufgefordert, doch es sei nichts passiert. Um die Straftaten zu verfolgen und weitere zu verhindern, habe man sich schließlich dazu entschlossen, Block acht einzukesseln und auszuschließen. Es dauerte mehrere Stunden, bis die Identitäten aller Teilnehmer festgestellt waren.