Natur in Düsseldorf Darum liegen „Tiny Forests“ in Düsseldorf im Trend

Interview | Düsseldorf · Interview Doris Törkel

Julien Peine, Mattis Ricken und Doris Törkel arbeiten beim städtischen Gartenamt.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Immer im Herbst startet die Pflanzsaison für Bäume. Drei Experten sprechen über die Pläne für 2023/24. Und darüber, warum es so schwierig ist, neue Standorte zu finden, und wie teuer und aufwendig es eigentlich ist, einen neuen Straßenbaum zu pflanzen.

Frau Törkel, die Baumbilanz der Stadt war in den vergangenen Jahren immer negativ. Was heißt das genau?

Doris Törkel: Es geht dabei um die Zahl der Fällungen, die den Neupflanzungen gegenübergestellt werden. Dabei betrachten wir Einzelbäume im Straßenraum und in Parkanlagen. 2022/2023 haben wir es erstmals wieder geschafft, eine positive Baumbilanz vorzulegen. 1088 Fällungen stehen da 1570 Neupflanzungen gegenüber und die Prognose für die Pflanzsaison 2023/24 ist vielversprechend mit vermutlich 250 mehr neuen Bäumen im Vergleich zu den geplanten Fällungen.

Schaut man sich die vergangenen Zahlen an, sieht man gerade bei den Fällungen einen gewaltigen Unterschied. Von 2021 auf 2022 gibt es eine Reduzierung um rund 1000 Baumfällungen. Gibt es dafür eine Ursache?

Törkel: Wir vermuten einerseits die Niederschlagsmenge; 2021 hat es nach langer Trockenheit wieder durchschnittlich viel geregnet. Das bringt zwar keine dauerhafte Entspannung, aber immerhin eine kurzfristige. Andererseits merkt man an der niedrigeren Zahl auch, dass unsere Baumpflege greift. Wir entfernen nach und nach schadhafte oder kranke Bäume und bemühen uns um einen jüngeren, resistenteren und gesünderen Baumbestand. Das ist auch ein Resultat gestiegener finanzieller Mittel. Sollte jetzt aber wieder ein extremes Trockenjahr kommen, kann es natürlich sein, dass die Zahl der Fällungen zunehmen wird.

Kommt es in diesem Jahr noch zu weiteren Baumfällungen?

Törkel: Es kommen noch 237 Baumfällungen, die im November beginnen werden und die in der Bilanz bereits enthalten sind. Betroffen sind 115 Straßenbäume und 122 Bäume in Grünanlagen. Da die Baumkontrollen kontinuierlich fortgesetzt werden, kommt es auch immer wieder zu Baumfällungen.

Wie wird das kommuniziert?

Törkel: An den betroffenen Bäumen werden Informationsbanderolen am Stamm angebracht. Online können zudem alle betroffenen Standorte unter maps.duesseldorf.de unter der Themenkategorie „Natur und Nachhaltigkeit“ genauer nachgeschaut werden. Da gibt es dann auch Hintergrundinformationen zum Fällgrund beispielsweise. Man sollte auch festhalten, dass 160 dieser Bäume bereits abgestorben sind.

Auf der anderen Seite stehen die Neupflanzungen. Was ist da geplant?

Törkel: Das sind jetzt ein paar Zahlen: Insgesamt werden 1500 Bäume neu gepflanzt, davon sind 430 Nachpflanzungen von Straßenbäumen. 280 werden im Rahmen des „Stadtbaumkonzeptes“ gepflanzt, 270 sind für die Grünanlagen geplant. Auch in die privaten Gärten haben wir mit der Aktion „Dein Baum“ inzwischen Zugang, das sind noch mal 225 Bäume, die jetzt im November ausgegeben werden. Die Aktion war auch in diesem dritten Jahr ein großer Erfolg und alle Bäume waren nach kurzer Zeit vergeben. Auf Spielplätzen pflanzen wir zur Verschattung 75 neue Bäume, auf den Friedhöfen sind 70 Stück geplant und weitere 150 kommen durch Bauprojekte hinzu.

Beim „Stadtbaumkonzept“ werden neue Standorte für Bäume identifiziert, was immer eine große Herausforderung ist.

Törkel: Es bleibt weiterhin schwierig. Dabei müssen viele Aspekte beachtet werden, unter anderem die unterirdischen und gegebenenfalls auch oberirdischen Leitungen, Rettungswege, aber auch die Bebauung im Untergrund wie U-Bahnen oder Tiefgaragen. Die Bäume sollen schließlich gut anwachsen können.

Wenn neue Standorte gefunden wurden, wie funktioniert das dann genau?

Julien Peine: Das beinhaltet einiges an Arbeit. Baumgruben werden das ganze Jahr hinweg vorbereitet. Dafür muss in einigen Fällen der Asphalt aufgebrochen, der Aushub entsorgt und die Grube mit Baumsubstrat aufgefüllt werden. Belüftungsrohre kommen hinzu, damit der Wurzelraum besser mit Sauerstoff versorgt ist und die Wurzeln in die Tiefe wachsen. Gegebenenfalls müssen noch Wurzelschutz-Matten oder andere Hilfsmittel mit hinein, um etwaige Leitungen in der Nähe zu schützen. Das verursacht natürlich Arbeit und Kosten.

Wie viel kostet das?

Peine: Ein neuer Baumstandort liegt bei rund 9500 Euro. Bei Sanierungen von alten Standorten ist man mit 4000 Euro dabei, schließlich kann man nicht einfach einen Baum in die alte Baumgrube setzen. Die muss vorab aufgearbeitet werden. Gleichzeitig ist es schwierig, hierfür Fachfirmen zu finden, da der Landschaftsbauer auch eine Straßenbauzulassung haben muss. Wir bemühen uns aber darum, regionale Firmen zu beauftragen.

Werden diese Pflanzarbeiten alle extern erledigt?

Peine: Es ist eine gute Mischung aus extern und intern. Die Pflanzungen in den Parkanlagen beispielsweise werden überwiegend von Mitarbeitern der Stadt vorgenommen.

Törkel: Außerdem können wir auf die Bäume aus der städtischen Baumschule zurückgreifen. Es stellt sich nämlich heraus, dass es bei verschiedenen Arten von der Zukunftsbaumliste – und davon hat ja jede Stadt eine etwas andere – zu Lieferengpässen kommt. Sowohl mit der Aktion „Dein Baum“ als auch unseren konkreten Aufträgen können wir aber die eigene Baumschule stärken und diese kann sich auch anhand unserer Liste besser auf unsere Bedarfe vorbereiten.

Wir sprachen viel von Einzelbäumen, wie sieht es im Forst aus?

Törkel: Im Stadtwald haben wir für diese Pflanzsaison 28 500 neue Bäume und Sträucher geplant. Da kommen auch zwei sogenannte Erstaufforstungen zum Tragen: In Ludenberg im Gebiet „Schlipsberg“ auf 2,5 Hektar und in Wittlaer auf 0,7 Hektar Fläche sollen zwei neue Wäldchen entstehen mit 9500 beziehungsweise 3500 Pflanzen. Das ist Teil des Projekts „Düsseldorf pflanzt Zukunft“.

Peine: Außerdem gibt es Änderungen in den Parkwäldern. In Eller, Benrath und Mickeln wurden insgesamt 190 Einzelbäume gefällt, die auch in der diesjährigen Fällbilanz aufgeführt sind. Allerdings werden diese nicht mehr als Einzelbäume, sondern durch Forstpflanzen nachgepflanzt. Insgesamt werden in der Hinsicht also weitere 19 115 Forstbäume im Freizeitpark Niederheid, in den Schlossparks Eller und Benrath sowie im Park Lantz gepflanzt.

Wie kommt es, dass gerade in diesen Parks so viel gemacht werden muss?

Törkel: Wir haben dort ein Problem mit den Buchen, die mit der Trockenheit nicht gut klar kommen und deutliche „Klimaverlierer“ sind. Dadurch bilden sich Krankheiten aus und führen zu weiteren Problemen. Deshalb werden die Bestände unter Berücksichtigung des Waldbaukonzeptes des Landes NRW mit einer Änderung der Arten für die Zukunft resistenter gestaltet. Es wird also in vielen Fällen eine Verlagerung hin zu mehr Eichen geben – neben diversen Begleitarten wie Ahorn, Vogelkirsche, Linde, Birke oder Eibe.

Es ist noch recht warm, viele Bäume tragen noch ihr Laub – können die Arbeiten wie geplant starten?

Peine: Tatsächlich gibt es hier eine Verschiebung der Pflanzsaison. Durchschnittlich dauert die Vegetationsphase im Sommer acht Tage länger und im Frühjahr beginnt sie früher. Das Fenster für die Anpflanzungen schrumpft damit um etwa drei Wochen. Das führt auch für die Pflanzen zu Problemen. Erst, wenn das Laub abgeworfen ist und die Kraft sich ganz auf die Wurzeln konzentriert, können wir mit dem Einpflanzen beginnen. Wegen des oft warmen März könnte das, so die Meinung von Fachleuten, dazu führen, dass sich die Pflanzungen per se nur noch auf den Herbst konzentrieren werden.

Gibt es für das kommende Jahr noch weitere Planungen abseits der bisher genannten Baumpflanzungen?

Mattis Ricken: Wir betrachten im Zuge der Einzelbaumpflanzungen auch viele Potenzialflächen, die wir für weitergehende, klimaanpassende Zwecke verwenden können. Ein Schwerpunkt wird dabei auf den Tiny Forests, diesen Mini-Wäldern liegen. Dafür haben wir bereits einige Flächen ausmachen können.

Da muss man hinsichtlich der Begrifflichkeit auch aufpassen, Tiny Forests sind nicht gleichzusetzen mit Pocket Parks, richtig?

Ricken: Korrekt, Pocket Parks sind für die Öffentlichkeit zugänglich und haben einen hohen Aufenthaltscharakter. Tiny Forests hingegen sind das genaue Gegenteil: Auf einer sehr kleinen Fläche entstehen dicht bepflanzte Wäldchen, die aber nicht betreten werden sollen. Hier bildet sich eine besonders hohe Biodiversität und die Wirkung für die jeweilige Umgebung ist besonders wichtig.

Wo könnte man sich solche Flächen dann vorstellen?

Ricken: Wir sprechen von stark versiegelten Arealen mit einer Größe um die 250 Quadratmeter. Die würden entsiegelt, bepflanzt und abgesehen von einer Anfangsbewässerung weitgehend sich selbst überlassen. Dieses Projekt würden wir gerne auch wissenschaftlich begleiten lassen, um zu sehen, wie sich die Biodiversität entwickelt, aber auch wie die Auswirkungen auf die Außenwelt wirklich sind.