SPD-Vorsitzende in Düsseldorf „Milliarden-Projekte müssen auf den Prüfstand“

Interview | Düsseldorf · Die Düsseldorfer SPD-Chefin spricht über die Opern-Pläne, den Flughafen – und die Frage der OB-Kandidatur.

Zanda Martens ist Bundestagsabgeordnete und seit April die Vorsitzende der SPD in Düsseldorf.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Nicole Lange stellte die Fragen

Frau Martens, Sie haben zuletzt eine Bilderbuch-Karriere hingelegt. In der Düsseldorfer SPD schnell aufgestiegen, im ersten Anlauf in den Bundestag gewählt, jetzt Vorsitzende. Kann man so etwas gezielt planen?

Zanda Martens: Ich weiß nicht, ob man so etwas gezielt planen kann, aber ich habe das jedenfalls nicht gemacht – nichts von all dem stand von Anfang an fest. Ich würde eher sagen, dass ich im richtigen Moment die Chancen ergriffen habe, die sich boten. So bin ich in die Bresche gesprungen, als eine Kandidatin oder ein Kandidat für die Bundestagswahl gesucht wurde. Genauso, als es nun um die Frage ging, wer zum jetzigen Zeitpunkt die beste Wahl ist, um der SPD Düsseldorf vorzusitzen. Als Zufälle würde ich das alles auch nicht bezeichnen, aber ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und habe mich nicht weggeduckt.

Warum sind Sie gerade an der Spitze der Düsseldorfer SPD die bessere Wahl als ihre Vorgänger?

Martens: Diese Entscheidung wurde ohne Stress und Streit gemeinsam getroffen, was man schon daran sieht, dass Annika Stöfer und Oliver Schreiber weiterhin aktiv im Vorstand engagiert sind. Sie mussten diese anstrengende Arbeit aber als Freizeitaktivität machen, was auf Dauer sehr belastend sein kann. Mein großer Vorteil ist, dass ich jetzt vier Jahre lang hauptamtlich die Zeit und Möglichkeit habe, mich in Vollzeit für meine Themen und für die Menschen in Düsseldorf einzusetzen. In bestimmten Wochen muss ich das zwar aus Berlin machen, was durchaus herausfordernd ist, aber im digitalen Zeitalter sind viele Dinge glücklicherweise machbar.

Sie haben als Abgeordnete früh begonnen, sich auch in lokale Debatten offensiv einzubringen. Die erste war die neue RRX-Strecke – bleiben Sie an dem Thema dran?

Martens: Dieses Thema hat mir frühzeitig eine wichtige Erkenntnis für ein Politikerleben beschert: dass man einen langen Atem haben muss, wenn es um Verkehrsplanung geht. Wenn man sich klarmacht, wie lange es dauert, bis der erste Stein für eine Lärmschutzwand überhaupt platziert worden ist, dann ist das schon ernüchternd. Wichtig ist aber, dass man immer dranbleibt. Ich kann hier in Düsseldorf auch als Bundestagsabgeordnete kein Verfahren beschleunigen, aber ich kontaktiere regelmäßig den zuständigen Konzern-Beauftragten der Deutschen Bahn, damit auch sie wissen: Ich habe das im Blick.

Wo wir über große Verkehrsprojekte sprechen: Wie sehen Sie die jüngeren Entwicklungen am Düsseldorfer Flughafen?

Martens: Ich will anmerken, dass das neue Geschäftsführer-Team offensichtlich anders agiert, als man es zuletzt gewohnt war – das sieht man schon an der Art, wie die beiden auch in der Öffentlichkeit kommunizieren. Und sie können mit ihren ersten Schritten und Entscheidungen auch gute Ergebnisse vorweisen, beispielsweise lief in den Osterferien, die eine Art erste Feuerprobe waren, insgesamt alles gut. Über diese Dinge freue ich mich natürlich auch – wir dürfen dennoch nicht vergessen, dass viele Probleme damit nicht dauerhaft gelöst sind.

Was meinen Sie damit?

Martens: Damit es in den Osterferien gutgeht, wurde im Grunde ja jeder verfügbare Mensch eingespannt. Es kann aber nicht jeder Ferienbeginn ein Notfall-Szenario sein, in dem die letzte Arbeitskraft in vielen Überstunden mobilisiert werden muss. Es zeigt vielmehr, wie falsch das System ist: Wir privatisieren eine staatliche Aufgabe, um zu sparen; doch das private Unternehmen schafft die Aufgabe nicht und dann muss letztlich doch wieder die öffentliche Hand eingreifen. Ein reibungsloser Betrieb am Flughafen kann langfristig nur gestemmt werden, wenn für jede Aufgabe auch tatsächlich genug Personal vorhanden ist und die Menschen unter vernünftigen Bedingungen arbeiten können.

Was sagen Sie zum Verzicht des Airports auf eine Kapazitätserweiterung?

Martens: Es ist generell eine bemerkenswerte und auch mutige Entscheidung, so lange nach dem entsprechenden Antrag darauf zu schauen und zu sagen: Wir bewerten die Lage heute anders und gehen deshalb einen anderen Weg. Viele Themen sind damit aber noch nicht vom Tisch. Der Flughafen weiß, dass er das Thema der späten Landungen angehen und mit den Anwohnern verhandeln muss. Die geplante Halbierung der Privatflugkapazitäten, die ich begrüße, wird außerdem Raum für mehr Linienmaschinen geben, aber auch das wird den Personalbedarf weiter erhöhen.

Auch beim Wohnen hat Düsseldorf gerade großen Gesprächsbedarf.

Martens: Das ist auch im Bundestag ein zentrales Thema für mich, und es gibt einigen Regelungsbedarf. Da sind beispielsweise die Indexmieten, die angesichts der hohen Inflation gerade nach oben schießen und auch die örtlichen Mietspiegel stark steigen lassen. Da ist die Frage, wie das Gebäude-Energiegesetz die Mieter treffen wird. Und nicht zuletzt die Frage, wie wir Mieter davor schützen können, im Zuge von Sanierungen aus ihren Wohnungen regelrecht herausgeekelt zu werden. Da gibt es auch in Düsseldorf einige schwarze Schafe – und die Stadt und das Land nutzen nicht alle rechtlichen Instrumente, die das verhindern können.

Ein anderes sehr virulentes Thema ist die Oper. Hier haben erst die Grünen angemeldet, das Thema noch mal zu überdenken, die SPD folgte kürzlich. War das ein bisschen Politiker-Mikado: Wer bewegt sich zuerst?

Martens: Man muss bei dieser Frage sehen, dass wir in unterschiedlichen Rollen agieren. Die Grünen sind in der Rathaus-Kooperation und spielen eine ganz andere Rolle als wir. Natürlich ist es auch für uns naheliegend, angesichts der schwierigen finanziellen Lage der Stadt unseren Beschluss von 2021 noch einmal kritisch zu überdenken. Und wenn klar ist, dass Schwarz-Grün in dieser Frage keine Mehrheit mehr hätte, dann ist es umso wichtiger, dass wir ganz genau und verantwortungsvoll hinschauen, ob unsere Position von damals Bestand hat.

Wie wahrscheinlich ist, dass am Ende ein Votum gegen eine neue Oper steht?

Martens: Wir haben unsere Position 2021 gemeinsam demokratisch erarbeitet und werden das auch diesmal so machen. Klar ist aus meiner Sicht leider auch: Für sehr viele Dinge wird kein Geld mehr da sein, und unter diesen Umständen muss ein mögliches Milliarden-Projekt auf den Prüfstand. Das bedeutet übrigens nicht zwangsläufig, dass man gar nichts macht – wir wollen nicht das kulturelle Leben in der Stadt einschränken. Sicherlich werden wir uns beispielsweise die Möglichkeit anschauen, Kooperationen mit anderen Standorten einzugehen oder das Projekt durch eine öffentlich-private Partnerschaft (PPP) zu finanzieren. Und auch die Frage betrachten, in welcher Form ein Erhalt des alten Standortes doch machbar und möglich ist. Vielleicht muss man hier auch Übergangslösungen erwägen.

Überhaupt wird auch Düsseldorf den Gürtel enger schnallen müssen. Wo sehen Sie dafür das Potenzial?

Martens: Ich würde es gerne von der anderen Seite angehen: Für uns Sozialdemokraten ist es wichtig, zu betonen, wo wir nicht sparen dürfen. Dass wir nicht als erstes dort sparen, wo es um Hilfen und Unterstützung für die Schwächsten geht. Es sollte weiter Geld sein für den sozialen Zusammenhalt und für Bildung.

Wir befinden uns bereits in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode. Stellt sich die Düsseldorfer SPD schon für die nächste Kommunalwahl auf? Wer wird auf den Plakaten zu sehen sein?

Martens: Ich sage sogar, dass am Tag nach der Wahl der nächste Wahlkampf beginnt. Denn man sollte an allem gemessen werden, was man in fünf Jahren macht und leistet, nicht nur an den Eindrücken der letzten Wochen und Monate. Wichtig ist mir allerdings erst einmal, dass wir ein starkes Programm und gute Inhalte haben. Wir finden dann sicherlich auch gute Leute, die sie für uns vertreten.

Was sagen Sie dazu, dass mancher Sie als potenzielle Gegenkandidatin für Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) auf dem Schirm hat?

Martens: Das schmeichelt mir natürlich, aber über dieses Thema mache ich mir noch keine Gedanken. Ich finde meine Arbeit im Bundestag anspruchsvoll und erfüllend. Dort würde ich gerne auch nach 2025 bleiben. Ich konnte viel anstoßen, auch für Düsseldorf. Das möchte ich gerne fortführen.