Forschung in Düsseldorfer Wie können Retouren vermieden werden?

Düsseldorf · Im Jahr 2021 wurden 1,3 Milliarden online bestellte Waren wieder zurückgeschickt. Die Wissenschaft hat dazu Ideen entwickelt.

Peter Kenning gehört dem Sachverständigenrat für Verbraucherfragen an und forscht in Düsseldorf zum Retouren-Thema.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)/Bauer, Hans-Jürgen (hjba)

Die neuen Sneaker sind zu klein, die Farbe des Pullovers ist völlig daneben. Kein Problem: die Ware schnell zurück in den Karton, versehen mit dem Aufkleber für den kostenlosen Rücktransport und ab damit zur nächsten Poststation. Mit enormen Folgen für die Wirtschaft und das Klima. Denn dieses Hin und Her kostet den Onlinehandel Milliarden, und der jährliche CO2-Ausstoß entspricht laut wissenschaftlichen Studien dem von 400 000 Autos. Doch wie ließe sich dieser Wahnsinn beenden? Die Forschung hat dazu einige Ideen, die Experten heute in Düsseldorf diskutieren.

„Deutschland gilt als Retouren-Meister, wohl in keinem anderen europäischen Land wird so viel Ware, die im Internet gekauft wurde, zurückgeschickt“, sagt Peter Kenning, Leiter des Instituts für Verbraucherwissenschaften an der Uni. Mehr als 1,3 Milliarden Einzelartikel gingen so 2021 wieder zurück an den Handel – drei Mal so viel wie vor der Corona-Pandemie. Weil die Ware nicht gefiel, nicht passte oder weil Kleidungsstücke gleich in verschiedenen Größen bestellt wurden.

Oder weil sie an einem Abend getragen wurden (in der Branche kursiert der Begriff der „Zalando-Party“) und dann wieder retour gingen – ohne große Mühen und kostenlos. Denn das kostenlose Rückgaberecht von Verbrauchern ist gesetzlich geregelt. Ein Fehler?

Das wird unter Experten unterschiedlich beurteilt. „Aus Verbrauchersicht dürfte das Gesetz überwiegend positiv gesehen werden“, sagt Peter Kenning. Für die Wirtschaft ist es ein enormes Problem. So kalkuliert der Bekleidungs-Onlinehandel von vornherein ein, dass etwa 40 Prozent aller bestellten Artikel wieder zurückgesendet werden. Laut einer Studie kostet jede Retoure die Händler mehr als zehn Euro. Denn zu den Versandkosten kommt, dass Kleidungsstücke oft nachgebessert werden müssen, damit sie nicht auf dem Müll landen, was laut Studien mit rund sieben Prozent aller zurückgesendeten Kleidung tatsächlich passiert.

Von den Problemen für die Umwelt, die der gigantische Rücktransport verursacht, mal ganz abgesehen. Bereits 2020 sollten die Bestimmungen für die digitalen Märkte (und das Rückgaberecht) auf EU-Ebene neu verhandelt werden, aber dann dominierte Corona die Diskussion und der Onlinehandel erlebte dadurch einen gewaltigen Boom.

2020 sollten neue Bestimmungen auf EU-Ebene verhandelt werden

Auch das Bundesumweltministerium startete eine Initiative, der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen, zu dem Peter Kenning gehört, entwickelte mehrere Vorschläge, aber bis zu einer Gesetzesvorlage hat es das Thema bisher nicht geschafft.

Wohl aber förderte das Ministerium ein neues Forschungsprojekt am Düsseldorfer Institut für Verbraucherwissenschaften in Kooperationen mit Universitäten in Köln, Münster, Siegen und der Verbraucherzentrale NRW. Das Projekt sollte Ideen liefern, wie sich die Retouren-Flut vermeiden, zumindest aber eindämmen ließe. Dazu arbeiteten die Forscher mit einem der größten Online-Händler in Deutschland zusammen: dem Otto-Versand. „Wir haben uns genau angeschaut, wie ein typischer Bestellvorgang abläuft“, erläutert Peter Kenning. Außerdem wurden in den letzten 18 Monaten Kunden befragt.

Daraus entwickelte das Team zwei grundsätzliche Vorschläge: Kunden sollten zum einen besser informiert werden (möglichst früh beim Kaufvorgang) zum Beispiel mit einem automatischen Hinweis, wenn ein Kleidungsstück aus Versehen doppelt bestellt wurde. Oder darüber, welche Belastungen für die Umwelt durch Rücktransporte entstehen und welche Auswirkungen die zusätzlichen Kosten möglicherweise auf steigende Preise haben.

Nach einem solchen Hinweis verzichteten im Experiment 94 Prozent der Konsumenten darauf, ein Kleidungsstück in mehreren Größen zu bestellen. Zum anderen könnten Unternehmen Anreize schaffen, so Kenning, in dem sie ihre Kunden immer dann mit Bonuspunkten belohnen, wenn Waren mit mehr Bedacht gewählt und nicht zurückgeschickt werden.

In der Branche wird zurzeit auch darüber diskutiert, mit digitalen Lösungen Retouren zu reduzieren wie mit virtuellen Anproben, datenbasierter Größenberatung und Rundumansichten. Ob das reichen wird? Der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen geht noch einen Schritt weiter, falls das nicht der Fall sein wird: Dann sollten Kunden laut Gesetz dazu verpflichtet werden, Rücksendegebühren selbst zu bezahlen, heißt es in einer Stellungnahme an das Bundesverbraucherministerium.

Die Experten stützen sich dabei auf eine Studie der Forschungsgruppe Retourenmanagement in Bamberg. Danach könnte bereits eine Mindestgebühr von drei Euro die Zahl der Rücksendungen um 16 Prozent senken. Auch der Leiter des Bamberger Instituts, Björn Asdecker ist heute in Düsseldorf bei dem Expertentreff. Für reichlich Diskussionsstoff dürfte also gesorgt sein.