Familien Kinder mit Down-Syndrom: „Erst mal haben Eltern tausend Fragen“

Düsseldorf · Die Mütter Eva Schwientek und Simone Eßer gründeten „Kleeblatt“ und vernetzen inzwischen 50 Familien miteinander.

Simone Eßer (l.) und Eva Schwientek mit Clemens (5) und seiner Gitarre und Annalena (6), die ihre kleine Schwester Lucie drückt.

Foto: Carolin Scholz

In der Wohnung von Eva Schwientek geht es wuselig zu. Clemens spielt Gitarre, Annalena lugt neugierig über die Sofakante, ihre kleine Schwester Lucie möchte Trauben essen. Ein ganz normaler Nachmittag für Eva Schwientek – vor allem wenn eben zu den eigenen zwei Mädchen auch noch Clemens zu Besuch ist. Der ist einer von drei Söhnen von Simone Eßer. Und wie Annalena hat er das Down-Syndrom.

Bei Simone Eßer und Eva Schwientek kam die Diagnose nach der Geburt. „Da hat man dann erstmal tausend Fragen“, sagt Simone Eßer. Doch wo findet man jemanden, der die beantworten kann? Eva Schwientek hat vorher in Stuttgart gewohnt. Dort habe es eine Gruppe gegeben für Eltern von Kindern mit Trisomie 21, wie man das Down-Syndrom auch nennt. In Düsseldorf gab es nach ihrem Umzug keine. Eltern und Kinder einer früheren Gruppe seien groß geworden, die Treffen eingeschlafen. Bei der Frühförderung der Lebenshilfe habe sie dann Simone Eßer kennengelernt – und gemeinsam beschlossen, eine neue Selbsthilfegruppe zu gründen. Das erste Treffen von „Kleeblatt“ fand im Februar 2016 statt.

Heute gehören etwa 50 Familien zu der Gruppe

Regelmäßig gibt es seitdem Familiennachmittage und Elternstammtische. Erstere mit Kindern, letztere ohne. Waren es anfangs noch fünf Familien, die zum Treffen kamen, sind es mittlerweile 50, die sich der Gruppe angeschlossen haben. Je Treffen kommen meist zehn oder 15. Es geht um den Austausch, um Ratschläge, die man sich gegenseitig geben kann und auch darum, Menschen zu finden, mit denen man ganz offen darüber sprechen kann, dass man ein behindertes Kind hat – ganz ohne Mitleid und Betroffenheit, sondern einfach ehrlich.

„Natürlich hat man gerade Anfang manchmal Momente, in denen man denkt, ich schaffe das nicht – oder: Warum denn wir?“, sagt Simone Eßer. Da tue es gut, von anderen an die Hand genommen zu werden, zu sehen, dass man nicht alleine ist. In der Gruppe gebe es ein besonders schönes Miteinander. Alle hier haben Ähnliches durchgemacht.

Die meisten hätten sich vor der Diagnose noch nicht mit dem Thema Trisomie 21 beschäftigt, fragen sich dann, worauf sie sich nun einstellen müssen und wie es weitergeht. Wann fängt mein Kind mit dem Laufen an – oder mit dem Sprechen? Welche Begleiterkrankungen gibt es? Und wie finde ich den richtigen Spezialisten dafür? Aber auch: Wie kann ich mein Kind fördern?

Für viele Eltern sei es erst einmal eine schlechte Nachricht, wenn sie erfahren, dass ihr Kind eine Behinderung hat. „Viele wissen gar nicht, was es mit sich bringt, ein Kind mit Down-Syndrom zu haben“, sagt Simone Eßer. Dass es auch lustig sein kann, Spaß machen kann. Auf der Internetseite der Gruppe versuchen sie auch, den Eltern den Schrecken und die Angst zu nehmen. Dort beglückwünschen sie die interessierten Besucher erst einmal zur Geburt ihres Babys. „Ihr habt eines der wundervollsten, ehrlichsten, einfühlsamsten, dickköpfigsten, lustigsten und herzlichsten Kinder bekommen“, heißt es dort.

Dort wird auch erklärt, warum die Gruppe „Kleeblatt“ heißt. Das vierblättrige Kleeblatt sei eine seltene genetische Besonderheit – viele Leute suchten danach, weil es Glück bringen soll. „Wir haben einen Menschen mit einer genetischen Besonderheit in unserer Mitte, der uns glücklich macht“, heißt es weiter.

„Angst haben eigentlich eher die, die noch nie Kontakt mit einem Menschen mit Down-Syndrom hatten“, finden beide Mütter. Sie wollen den Eltern Mut machen. Jedes Jahr organisieren sie auch eine Ausstellung zum Welt-Down-Syndrom-Tag. In diesem Jahr ging es um Berufe. Eines der Bilder steht auch noch im Wohnzimmer bei Eva Schwientek. Darauf geht Annalena an der Hand einer Schornsteinfegerin. Fröhlich und selbstbewusst.