Interview Wie zwei Düsseldorfer Jungunternehmer mit dem Sprach-Start-up „Educaro“ durchstarten

Düsseldorf · 1500 Studenten haben die zwei schon aus dem Ausland nach Deutschland vermittelt. Ihr neues Geschäftsfeld: der Pflegenotstand.

Leon Schneider (l.) und Christian Sassin haben ein Sprachschul-Startup gegründet.

Foto: Zanin, Melanie (MZ)

Manchmal trifft man eine Entscheidung, die ungeahnte Folgen hat. Christian Sassin entschied sich gegen eine Karriere als Investmentbanker. Stattdessen absolvierte der heute 26-Jährige ein Praktikum in einer deutschen Sprachschule in Tunesien. Vier Jahre und etliche Reisen später sind die beiden Jungunternehmer Christian Sassin und Leon Schneider (25 Jahre) mit elf Sprachschulen in Tunesien, Indien und Mexiko auf dem Markt. Das Start-Up „Educaro“ bereitet ausländische Studenten auf das Leben in Deutschland vor. Ein neues Geschäftsfeld ist die Vermittlung von Fachkräften aus dem Ausland.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, „Educaro“ zu gründen?

Christian Sassin: Während meines Praktikums in Tunesien habe ich eine Marktforschungsanalyse für meinen Arbeitgeber durchgeführt, um zu prüfen, wie die Qualitätsstandards bei den vorhandenen Sprachschulen sind. Ich habe dabei viele Studenten kennen gelernt, die ich zunächst kostenlos beraten habe, wie man in Deutschland studieren kann. Daraus ist die Geschäftsidee „Educaro“ entstanden.

Was machen Sie anders als andere Sprachschulen?

Sassin: Ich habe erlebt, dass viele Agenturen Versprechungen machen, die sie nicht halten können. Viele Menschen, die in Deutschland studieren wollen, nehmen einen Kredit auf, um in ihre Zukunft zu investieren. Zu sehen, wie die Leute dort von anderen Agenturen abgezockt wurden, hat mich richtig wütend gemacht. Deshalb führen wir zunächst Auswahlgespräche, um abzuklopfen, ob sich ein Bewerber mit seinen Abschlussnoten und persönlichen Voraussetzungen für ein Studium in Deutschland eignet. Einen deutschen Pass zu besitzen, empfinde ich als Privileg, aber auch als Verantwortung.

Wer kommt zu Ihnen, um Deutsch zu lernen?

Leon Schneider: Anfangs kamen vor allem Menschen zu uns, die in Deutschland studieren wollten. In den vergangenen Jahren haben wir insgesamt 1500 Studenten nach Deutschland gebracht. Immer häufiger saßen auch Pflegekräfte bei uns in unseren Kursen. Es ist ja allgemein bekannt und auch aus eigener Erfahrung weiß ich, dass gerade im Gesundheitswesen Pflegekräfte fehlen. Daraus hat sich ein neues Geschäftsfeld entwickelt. In Zusammenarbeit mit der Sprachenakademie Aachen haben wir das Zentrum für Integration und Bildungslogistik gegründet.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit?

Schneider: Wir bekommen von deutschen Gesundheitsträgern das Mandat, geeignete Pflegekräfte im Ausland zu finden. Die Pflegekräfte beziehungsweise Auszubildenden für Pflegeberufe lernen dann zunächst in unseren Sprachschulen im Ausland die deutsche Sprache und bekommen Einblicke in unsere Kultur. Die Kosten für die Sprachkurse übernehmen die Gesundheitsträger, die ihrerseits einen hohen Eingang von qualifizierten Fachkräften benötigen. Die Sprache ist der Schlüssel, damit sie ernst genommen werden.

Was machen Sie, um Studenten oder Fachkräfte auf Deutschland vorzubereiten?

Sassin: Wir bringen unseren Schülern zum Beispiel bei, wie man sich bei einer deutschen Firma vorstellt oder wie man sich in einer deutschen Gastfamilie verhält. In Ländern wie Indien und Mexiko haben viele Familien einen Koch, einen Fahrer und eine Haushaltshilfe und verstehen nicht, dass sie sich in Deutschland selbst um alles kümmern müssen. Neben den Deutschkursen bieten wir Spieleabende an, um beim „Mensch-ärgere-dich-nicht“-Spielen Deutsch zu lernen. Der Film „Fuck you Göthe“ kommt auch gut an. Er vermittelt nicht nur viele Aspekte des deutschen Schulsystems, sondern zeigt, wie Integration funktioniert. Eine Standardfrage an die Bewerber ist, ob sie ein Problem damit haben, wenn ihr Chef eine Frau ist. Falls ja, bedeutet das, dass sie als Pflegekraft für Deutschland nicht in Frage kommen.

Wie haben Sie das Start-Up finanziert?

Schneider: Unsere Familien haben uns unterstützt und uns die Zeit gelassen, unsere Idee auszuprobieren. Auch unsere Uni, die Otto Beisheim School of Management, hat uns gut begleitet und ermöglicht, dass wir ein Praktikum in unserer eigenen Firma in Bangalore absolvieren. Durch die große Unterstützung haben wir das Glück, dass uns die Firma zum größten Teil gehört.

Wie geht es weiter?

Sassin: Die Firma entwickelt sich organisch weiter. Zurzeit suchen wir Büroräume und Mitarbeiter in Düsseldorf, weil unser Unternehmen auch in Deutschland wächst. Bis Ende des Jahres wollen wir eine digitale Visumsplattform entwickeln, die Bewerbern hilft, ihr Dossier für ihr Visum zu vervollständigen. Denn häufig scheitern die Anträge, weil die Unterlagen nicht komplett sind. Unser Geschäftsmodell basiert darauf, relevante Informationen zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen.