Düsseldorf Düsseldorfer kämpfen gegen „Loverboys“

Dirk, betroffener Vater, hat sich mit der Frauenberatungsstelle zusammengetan, um das Thema in die Öffentlichkeit und gezielt in die Schulen zu tragen.

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Düsseldorf. Als der Düsseldorfer Dirk — heute 47 Jahre alt — erkannte, dass der nette neue Freund seine Tochter nicht glücklich machte, sondern auf den Strich zwang, war er völlig allein. „Ich bin hier im Kreis gelaufen.“ Das Wort „Loverboy“ kannte seinerzeit noch niemand. Inzwischen gibt es eine Elterninitiative, die Opfern dieser perfiden Zuhältermasche und ihren Angehörigen hilft. Dirk (der seinen Nachnahmen lieber nicht in der Zeitung lesen will) hat sie gegründet. Jetzt wollen er und die Frauenberatungsprojekte das Thema breiter in die Öffentlichkeit bringen — mit einem Schulprojekt und einer großen Fachtagung in Düsseldorf. Denn Fälle gibt es immer mehr.

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Dirks Tochter war gerade 19. Sie machte eine Ausbildung im Einzelhandel, alle Zeichen standen auf Karriere. „Doch plötzlich veränderte sie sich“, schildert Dirk. Was ihr vorher leichtfiel, bekam sie nicht mehr hin. „Sie hat sich immer weiter zurückgezogen. Irgendwann stellte sich heraus: Da gibt es einen neuen Freund.“ Ihn lernte der Vater auch kennen, fand ihn sympathisch. „Ich konnte das Ganze überhaupt nicht einordnen.“

Mit seinen diffusen Eindrücken und Beobachtungen wandte er sich ans Jugendamt — und hatte Glück, eine Beraterin zu finden, die hinter Dirks Schilderungen die emotionale Abhängigkeit erspürte, in der sich dessen Tochter befand. Tatsächlich griff die schon so tief, dass seine Tochter für ihren Freund und dessen angebliche Finanznot auf den Strich ging. Dass er nicht ihre große Liebe, sondern bloß ihr Zuhälter war, konnte Dirk der jungen Frau nur schwer klarmachen — doch es gelang. „Anzeige hat sie aber nicht erstattet — bis heute nicht. Er hat wahrscheinlich so weitergemacht.“

Julia Stolz und Anita Pavlovska von der Fachstelle Frauenhandel der Frauenberatungsstelle Düsseldorf glauben aufgrund ihrer Erfahrung, dass die Dunkelziffer bei der Zwangsprostitution durch so genannte Loverboys ganz besonders hoch ist. Schon in der Beratung kommen wohl nur wenige an. Trotzdem steigen die Fallzahlen: Im vergangenen Jahr betreute die Frauenberatungsstelle mehr als 60 Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden — etwa ein Drittel von ihnen angeworben durch Loverboys.

Für diese Steigerung ist wohl auch das Internet verantwortlich. „Die Täter können ihre Opfer schnell und einfach kontaktieren“, erklärt Beraterin Anita Pavlovska. Aber auch vor Schulen und in Jugendclubs halten sie Ausschau nach jungen Frauen und sogar pubertierenden Mädchen. Die gut aussehenden jungen Männer überhäufen die Auserkorene mit Aufmerksamkeit, gaukeln große Liebe vor — dann isolieren sie das Mädchen sozial immer mehr, drängen oft zum Alkohol- oder Drogenkonsum. Und schließlich offenbaren sie ihre finanzielle Not, vor der nur die liebende Freundin sie retten könne.

Das Problem: Das Opfer sieht sich meist gar nicht als Opfer — und ein kontrollierendes soziales Umfeld hat der Loverboy in der Regel abgeschaltet. Deshalb, so der Appell von Frauenberatungsstelle und Elterninitiative, ist jeder gefragt, von Eltern über Mitschüler bis zu Lehrern und Betreuern in Jugendclubs, wachsam zu sein und Anzeichen bei den jungen Frauen zu erkennen. Schwänzt sie die Schule, wird gereizt? Wird sie mit dem Auto abgeholt, telefoniert heimlich? Nimmt sie stark ab, schminkt sich stark, trägt teure Klamotten? Indikatoren sind vielfältig, erklärt Pavlovska. Über sie und mögliche Hilfen informiert das Schulprojekt „Liebe ohne Zwang“, das Dirk und seine Mitstreiter an Düsseldorfer Schulen bringen wollen. Es wird eines von vielen Themen bei der Fachtagung am Dienstag sein. Die steht allen Interessierten offen — und Anmeldungen sind noch möglich.