Bezirksbürgermeister in Düsseldorf Die Spagate der Lokalpolitiker
Düsseldorf · Beruf und Privates unter einen Hut zu bringen, kann ohnehin herausfordernd sein. Wie gestaltet es sich, wenn man zusätzlich noch ein politisches Ehrenamt innehat? Wir haben bei vier Lokalpolitikerinnen und -politikern nachgefragt.
In allen Düsseldorfer Stadtteilen stehen regelmäßig neue Projekte auf dem Plan. Damit diese ins Laufen kommen und umgesetzt werden, braucht es Menschen, die sich dafür engagieren. So, wie es beispielsweise die Bürgermeister der zehn Stadtbezirke machen. Bei ihnen können sich die Düsseldorfer auch melden, wenn ihnen in ihrem Stadtteil etwas auffällt.
Dagmar von Dahlen
Für die Bezirksbürgermeisterin im Stadtbezirk 8 (Lierenfeld, Eller, Vennhausen, Unterbach) gehört es zu ihrem Alltag: „Wenn ich einkaufen oder mit meinem Hund Gassi gehe, werde ich häufig von Bürgern angesprochen.“ Um möglichst viel aus den vier Stadtteilen selbst mitzubekommen, legt sie ihre Runden mit dem Hund so, dass sie immer wieder in jedem der Stadtteile unterwegs ist. „Die Menschen erkennen mich mittlerweile und sprechen mich an, wenn sie etwas beschäftigt.“
Als sehr zeitintensiv gestalte sich außerdem ihre Arbeit als Mitglied der CDU-Ratsfraktion. Für manche Sitzungen müsse sie viel Freizeit und teilweise auch Urlaubstage nutzen, sagt von Dahlen. Das sei einfacher gewesen, als sie noch selbstständig war. „20 Jahre lang hab ich selbstständig gearbeitet. Seit vergangenem Jahr bin ich wieder angestellt, das erschwert die Flexibilität.“
Sie wünscht sich eine bessere Vereinbarkeit von politischen Ehrenämtern, dem Job und der Familie: „Wir brauchen mehr junge Frauen, die sich engagieren. Für diese kommt das nur selten infrage, weil die Umstände nicht passen.“ Es sei sehr schwierig, einen Vollzeitjob mit solchen politischen Ehrenämtern zu kombinieren. „Ich musste meine Stunden und mein Gehalt reduzieren, weil ich das sonst nicht geschafft hätte.“ Sie ist entsprechend auch froh, dass ihre Kinder nicht mehr klein, sondern schon erwachsen sind.
Seit etwas mehr als zwei Jahren ist die 62-Jährige Bezirksbürgermeisterin, seit 2009 Mitglied der Bezirksvertretung (BV) 8 und seit 2017 Mitglied des Stadtrats. Ein großes Thema, mit dem sie sich regelmäßig beschäftige, sei die Vermüllung der Stadtteile.
Philipp Schlee
Seit Februar des vergangenen Jahres ist der Grünen-Politiker Bezirksbürgermeister im Stadtbezirk 2 (Düsseltal, Flingern-Nord und Flingern-Süd). Schlee arbeitet abseits seines politischen Engagements als IT-Projektleiter und hat dort eine reguläre 40-Stunden-Woche. Sein Ehrenamt kommt oben drauf: Rund 16 bis 18 Stunden verbringe er während einer Sitzungswoche mit politischen Aufgaben. „Dazu kommen natürlich noch Fraktionsarbeit, Vor- und Nachbereitung von Anfragen und Anträgen“, erzählt er.
Als Bezirksbürgermeister ist Schlee für mehrere Tausend Menschen zuständig – und nimmt das nicht auf die leichte Schulter. „Für mich ist es ein großes Privileg, diese Funktion erfüllen zu dürfen“, sagt er. Die eigentliche Arbeit finde vor allem in der Bezirksvertretung statt, in der BV 2 gibt es dabei – anders als im Stadtrat – keine feste Kooperation mit einer anderen Partei. „Wir haben eine themenbezogene Zusammenarbeit mit allen demokratischen Parteien“, sagt Schlee. Möglich sei dies alles aber nur dank flexibler Arbeitszeiten in seinem Vollzeit-Job.
Das eigene Umfeld und Viertel aktiv mitentwickeln und gestalten zu können, das seien die Gründe für sein politisches Engagement, erzählt der Grünen-Politiker. Er möchte Bürgerinnen und Bürger aktiver an Projekten und Ideen in den Stadtteilen beteiligen. Auch andere als die gewohnten Formate versucht er dabei zu nutzen: „Wir hatten schon mehrere Bürgersprechstunden in einem Café hier in Flingern“. Dort sei es leicht, miteinander ins Gespräch zu kommen.
Um nochmals andere Zielgruppen ansprechen zu können, überlege man zudem, Ideen aus anderen Bezirksvertretungen zu übernehmen: Eine Marktsprechstunde beispielsweise, um wiederum unterschiedlichen Leuten in direkten Kontakt treten zu können. In jedem Ehrenamt stehe man vor der Herausforderung, dieses mit Familie, Freunden, Beruf und Privatleben in Einklang zu bringen. Das sei bei einem politischen Ehrenamt nicht anders. „Wichtig ist, dass das eigene Umfeld den Sinn hinter der Tätigkeit versteht. Es braucht viel Verständnis und Unterstützung.“
Annette Klinke
Die Bezirksbürgermeisterin im Bezirk 1 (Altstadt, Carlstadt, Derendorf, Golzheim, Pempelfort und Stadtmitte) kennt die Schwierigkeiten, wenn es darum geht, alles unter einen Hut zu bringen. Ihren Job als Mitarbeiterin beim Verband der Evangelischen Studierendengemeinden hat sie auf 80 Prozent reduziert und nun einen Tag in der Woche frei, an dem sie sich ganz dem Ehrenamt widmen und auf den sie viele Termine legen kann. „Aber auch das reicht häufig nicht, da ist auch abends oder an Wochenenden noch Arbeit erforderlich“, sagt die 58-Jährige.
Das politische Ehrenamt bereite ihr dennoch vor allem viel Freude, sagt Klinke (Grüne). Seit inzwischen elf Jahren ist sie Mitglied der Bezirksvertretung und seit November 2020 Bezirksbürgermeisterin. „Es macht mir viel Freude, die Stadt mitzugestalten.“ In ihrem Stadtbezirk leben mehr als 85 000 Düsseldorfer. Wichtige Themen in diesem Jahr seien große Bauprojekte wie der Heinrich-Heine-Platz und der Worringer Platz.
Rolf Tups
Der langjährige Bezirksbürgermeister im linksrheinischen Stadtbezirk 4 (Lörick, Heerdt, Niederkassel und Oberkassel) ist seit vier Jahrzehnten ehrenamtlich politisch aktiv. In den 1980er-Jahren hat der CDU-Politiker damit angefangen, sich zu engagieren. „Damals war der Tagesablauf natürlich noch etwas langsamer und gemütlicher“, so Tups. Für ihn sei diese Tätigkeit schon immer wahnsinnig interessant gewesen. „Politik vor Ort zu machen, macht mir Spaß, man kann Einfluss nehmen und ist nah bei den Bürgern.“
Gut vereinbaren lassen sich politisches Ehrenamt und Beruf für ihn auch besser als für manch anderen: Als selbstständiger Unternehmensberater verfüge er über den Luxus, sich einen großen Teil seiner Zeit selbst einzuteilen, sagt er: „Das ist mein strategischer Vorteil.“ Trotzdem lebe auch er oft nach der Uhr: „Ich versuche, dann wiederum mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Man braucht auch Ruhepausen und muss den Ausgleich finden“.
Der 66-Jährige ist in Heerdt geboren, in Lörick aufgewachsen – kennt das Linksrheinische also bestens und verfügt über viele Kontakte. Das erleichtere ihm die Arbeit enorm. Schwerer werde es dagegen dadurch, dass man heute durch die sozialen Medien schneller als früher am Pranger stehe; vielen Menschen fehlte das Verständnis. „Über die Jahre habe ich aber auch festgestellt, dass die Beteiligung der Bürger zunimmt. Und das freut mich sehr“, sagt Tups. Der direkte Draht sei auch ihm sehr wichtig, denn er nehme viele Eindrücke und Ideen aus Gesprächen mit Bürgern mit.
Das gemeinsame Leben in den Stadtteilen habe sich aber auch verändert: Viele sind im Vergleich zu früher dichter besiedelt, das ergebe ein Spannungsfeld. „Je enger der Raum, desto mehr Konfliktpotenzial“, sagt er. Mit der zunehmenden Bevölkerungsdichte würden neue Fragen auf die Bezirksvertretung zukommen. „Herausforderungen wie die Verkehrssituation und deren Probleme, der Zustand der Theodor-Heuss-Brücke oder aber die U81-Querung über den Rhein kommen in den nächsten Jahren auf uns zu“, so der Bezirksbürgermeister.