Ein Düsseldorfer Blick auf Köln: Der schäbige Schein trügt

Mit viel Lokalpatriotismus und dem Talent, das Schöne an hässlichen Orten zu entdecken, stehen die Kölner gerne zusammen.

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Düsseldorf. Neid ist angebracht, denn Düsseldorf ist schön. Hier blühen die Blumen, sprudeln die Brunnen und flanieren die Menschen auf der Kö. Schaut man sich im benachbarten Köln um, so fallen die vielen Müllhaufen auf, Baugruben leiten einen von der Bahnhofstür bis an den Rhein und rund um den Dom bemühen sich wenig geschmackssicher gekleidete Touristen, die Kathedrale in ganzer Größe aufs Bild zu bannen. Vergeblich übrigens. Für Blumen und Brunnen gibt’s in dieser Kommune schon lange kein Geld mehr, weswegen Beete und Becken auch ziemlich verlassen aussehen.

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Doch der schäbige Schein trügt. Wer regelmäßig die Fahrt über den Rhein antritt, der erkennt: So einfach ist es nicht mit dem Urteil. Auch wenn in Köln jedes Gespräch über die Landeshauptstädter mit einem überheblichen Lächeln quittiert wird, lohnt sich der genaue Blick auf den Nachbarn.

Nun also links vom Rhein: Dom, Herz, Gefühl - dat is Kölle, da sin mer dabei. Schon klar. Doch wo ist dieses Kölle jenseits des karnevalsseligen Singens und Schunkelns zu finden? Die eigentliche Größe der Millionenstadt versteckt sich an vornehmlich hässlichen Orten. Wer die findet, auch bei dem ist Neid tatsächlich angebracht. Sogar wenn er aus Düsseldorf kommt.

Düsseldorf ist Kulturstadt — das schreibt sie sich gerne auf die Fahnen. Für einen ehemaligen Oberbürgermeister kam sie sogar gleich nach Paris, New York und London. In einer Ikone der Baukunst ist etwa das Schauspiel beheimatet - eine der größten Bühnen Deutschlands. Im Innern herrscht allerdings statt Theaterkunst das Grauen: leere Reihen und verzweifeltes Bemühen, Visionäre und Publikumslieblinge ins Haus zu holen.

In Köln hat der neue Intendant in nur einer Spielzeit ein kleines Wunder vollbracht: Er lockt die Zuschauer in Scharen auf die so genannte Schäl Sick — also die falsche, die rechte Rheinseite - wo sie in einem alten Kabelwerk mit schlechter Akustik bis zu sechs Stunden lange Vorstellungen besuchen und begeistert sind. Der Carlsgarten, das einem Gartencenter nachempfundene Outdoor-Foyer, ist tatsächlich ein Ort der Begegnung geworden. Hier fachsimpeln fein gekleidete Kulturschnacker mit hemdsärmeligen Kohlkopfexperten über Stücke und Ernte.

Ein Experiment, das Wurzeln schlägt. Bezieht doch das Schauspiel im kommenden Jahr das sanierte Haus in der Innenstadt — falls das mit den Bauarbeiten nach Plan geht, und das wiederum kann in Köln niemals jemand mit Sicherheit sagen. Da der Kölner aber sein provisorisches Theater im Stadtteil Mülheim so liebgewonnen hat, wünschen sich viele den Erhalt des Kulturorts direkt neben der durch den NSU-Prozess auch bundesweit jüngst wieder bekanntgewordenen Keupstraße.

Um zu zeigen, dass das eine auch mit dem anderen zu tun hat, bringen die üblichen Verdächtigen in der Stadt schon mal tausende Menschen und den Bundespräsidenten auf die Beine und feiern. Birlikte hieß das große Fest im vergangenen Juni, was türkisch ist und Zusammenstehen heißt. Zu hören waren dabei natürlich auch Kölsche Tön mit Brings, Niedecken und Konsorten, denn „echte Fründe, ston zesamme“.

Auch Düsseldorf ist multikulturell. Schließlich leben in der Landeshauptstadt etwa 7000 Japaner, das ist die größte japanische Gemeinde Deutschlands. In den Supermärkten und Restaurants rund um die Immermannstraße entfaltet die Stadt ein überraschend exotisches Flair. Und wenn arabische Großfamilien auf der Kö einfallen und komplett verschleierte Damen tagelang Luxusartikel shoppen, ist das eine fremdartige Erscheinung. Von Zusammenstehen kann dabei keine Rede sein.

Der Kölner an sich aber kann gar nicht anders, er muss mit allen und jedem ins Gespräch kommen. Und wenn es nur darum geht zu erklären, warum Köln so großartig ist. Und das eben vor allem ein Gefühl.

Düsseldorf ist schön. Doch in Köln ist das Leben bunter und sentimentaler, improvisierter und verklüngelter. In einem Punkt aber, da beweisen die Düsseldorfer ihre wahre Größe: Nämlich immer dann, wenn es um die angebliche Rivalität der beiden Städte geht. Neidlos erkennen sie an, was die Domstadt zu bieten hat. Der Kölner muss wohl erst noch geboren werden, der im Karneval aus voller Kehle und tiefem Herzen Düsseldorf besingt. Andersherum passiert das jedes Jahr.

Weitere Artikel zum Verhältnis der Städte Köln und Düsseldorf finden Sie in der gedruckten Ausgabe der WZ vom 23. Juli im Rahmen der Print-Serie "Düsseldorf und seine Nachbarn".