Lebensmittel „Enjoy the food“: Düsseldorfer kochen gegen die Verschwendung
Düsseldorf · Die Initiative „Enjoy the food“ rettet unverkäufliche Lebensmittel vor dem Wegschmeißen. 84 Tonnen kamen seit September zusammen.
Mit Aufklärungsarbeit und monatlichen Kochaktionen will die noch junge Foodsharing-Initiative „Enjoy the food“ auch in Düsseldorf Lebensmittelverschwendung stärker in den Fokus rücken. Aus Nahrungsmitteln, die weggeworfen werden sollten, werden einmal monatlich ganze Menüs gezaubert oder es werden Lebensmittel verteilt. Das gemeinsame Kochen in der Küche des Ökotops Heerdt ist kostenfrei und steht offen für jeden.
Bereits morgens um 10 Uhr herrscht geschäftiges Treiben in der Küche des Ökotops. 13 Helfende haben sich zusammengefunden, um gemeinsam ein Menü aus Teilen der letzten Abholung zusammen zu stellen. Die Ausbeute war üppig – besonders an Obst, Salat und Tomaten mangelt es nicht.
Köchin Jasmin Mrosek steht am Herd, Katharina Linke, die Gründerin der Initiative „Enjoy the food“, koordiniert derweil die helfenden Hände. „Du könntest die schlechten Tomaten aussortieren“, sagt sie zu einer jungen Frau und deutet auf rund 50 Eimerchen, gefüllt mit kleinen Rispentomaten. Rund ein Viertel der Tomaten ist verdorben, der Rest noch genießbar. Ein Rest, der ansonsten ebenfalls im Abfall gelandet wäre.
„Enjoy the food“ verpflichtet sich zur regelmäßigen Abnahme
Die Mission, der sich „Enjoy the food“ verschieben hat, klingt simpel. Sie will Lebensmittel von Restaurants, Super- und Großmärkten abgreifen, bevor sie in die Tonne geworfen werden – obwohl sie noch gut sind. Der Deal: Die Kooperationspartner treten die für sie unverkäuflichen Lebensmittel an die 104 aktiven Lebensmittelretter der Düsseldorfer Initiative ab. Diese haben sich zuvor zur regelmäßigen Abnahme verpflichtet.
Heute gibt es als Vorspeise Salat und Tomatensuppe mit Brot, gefolgt von Gemüsereis mit Tomatensauce als Hauptgang und als Nachtisch folgen frischer Obstsalat und Kuchen – wahlweise mit frisch gepresstem Apfel- oder Traubensaft. Für 40 bis 50 Portionen soll es am Ende reichen. „Mal schauen, wie viele bei diesem Regen wirklich kommen“, sagt Mrosek, während sie die ersten Tomaten in den Topf gibt.
„Man weiß nie, was man bei den Abholungen bekommt. Ich hatte auch schon eine Palette Mangos – da hätten wir dann alles mit Mangos machen können. Heute gibt es halt alles mit Tomaten.“, sagt Nadia Baberowski, während sie Birnen und Tomaten für den Obstsalat klein schneidet. Die 31-jährige Politologin ist seit knapp einem Jahr als Lebensmittelretterin unterwegs. Die Sachen werden aber nicht nur gemeinsam verkocht, sondern auch an Freunde, Familie oder auch Bedürftige verteilt. „Wenn wir die Sachen verteilen, fragen uns die Leute oft, ob es nicht Menschen gibt, die die Sachen noch nötiger hätten als sie. Egal wie bedürftig sie sind.
Wirklich, das ist manchmal echt schwer, die Sachen an den Mann zu bringen.“ Dabei gibt es bereits einige feste „Fahrrad Fair-Teiler-Stationen“. Das Angebot werde gut angenommen. Doch auch nach Befüllung der Standorte bleibe oft trotzdem etwas übrig. „Dann frierst du ein, sortierst, machst Marmelade“, sagt Baberowski. Aber irgendwann sei die heimische Tiefkühltruhe eben einfach voll.
„Wir leben einfach in einer Überflussgesellschaft“, sagt eine Helferin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Katharina Linke sieht da Rot – und das nicht nur aufgrund des Überangebotes an geretteten Tomaten. „Es wird einfach zu viel weggeschmissen“, sagt die 28-Jährige.
Die Initiative „Enjoy the food“ geht auch auf Supermärkte zu. 84 Tonnen Lebensmittel wurden insgesamt seit der Gründung Ende September 2018 in neun Städten in Düsseldorf und Umgebung, etwa Leverkusen, Soligen und Hilden, vor dem Wegschmeißen bewahrt. Knapp elf Millionen Tonnen Lebensmittel landen nach einer Studie der Universität Stuttgart in ganz Deutschland jährlich auf dem Weg von der Produktion bis zum Endverbraucher im Müll, anstatt gegessen zu werden. Müll im Wert von 25 Milliarden Euro.
Zahlen, die unglaublich klingen, die allerdings für die Lebensmittelretter von Enjoy the food immer realer werden. “Wir haben gestern 1800 Kilogramm Lebensmittel vom Großmarkt bekommen – das ist aber eigentlich ein Wert im unteren Durchschnitt. Im Sommer sind es bis zu acht Tonnen Lebensmittel pro Abholung.“, sagt Linke. Zum großen Teil einwandfreie Ware. Die Abholung sei in der Regel zwei Mal wöchentlich angesetzt. Immer mit dabei: fünf bis zehn Autos oder Kleinbusse.
Doch was können Verbraucher selbst tun, um die Verschwendung zu reduzieren? „Jeder sollte bei sich zu Hause anfangen und gut kalkulieren. Brauche ich wirklich eine große Packung Tomaten? Oder reicht vielleicht auch die kleine?“, sagt Linke.
Ein Kernproblem ist, laut der deutschen Verbraucherzentrale, die verlorengegangene Wertschätzung gegenüber Nahrungsmitteln. So sind die Preise für Lebensmittel in den letzten siebzig Jahren rapide gesunken. Gab eine Familie im Jahr 1950 noch die Hälfte ihres Einkommens für Nahrung aus, wenden Haushalte heutzutage nur noch zehn Prozent ihres monatlichen Gehalts für Ernährung auf. Werte, die sich auch im Konsumverhalten niederschlagen. „Enjoy the food“ will vor allem zeigen: Trotz Druckstellen und trotz abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum sind Lebensmittel meist noch genießbar.
An einem großen Tisch wird nach dem Kochen schließlich gemeinsam gegessen. Die Tomatensuppe schmeckt allen besonders gut. 50 Personen sind heute aber nicht gekommen. Das verarbeitete Essen wird deshalb den Anwesenden mitgegeben – genauso wie die noch nicht verarbeiteten Sachen.