Düsseldorf „Es ist die beste Unterkunft, in der ich bislang war“

In der Modulbauanlage Blanckertzstraße leben 160 Menschen zusammen. Und das in aller Ruhe, sagt der Verwalter.

Düsseldorf. Hinter der Tür zu dem silber-blauen Gebäuderiegel in der Modulbauanlage an der Blanckertzstraße geht es zweckmäßig, nüchtern zu. Aber ruhig. Blauer PVC-Boden, weiße Wände. Ein Kabuff für Kinderwagen in der Mitte, daneben die Bäder und eine Nische, in der sich eine Waschmaschine dreht. Außenrum liegen die Zimmer. Die Tür zu dem Raum, den Sabah Abo Kaws mit einem Freund von der Flucht teilt, steht offen. Die beiden jungen Männer haben Stuhl und Tisch rausgeräumt und wischen den Boden. Es ist vielleicht nicht gemütlich. Aber es ist jetzt ihr Zuhause. Es soll wenigstens sauber sein.

Foto: Sergej Lepke

Der 20 Jahre alte Syrer ist einer von 160 Menschen, die in der im November eröffneten Anlage leben. Jede Nation, jede Religion. Kinder, Schwangere, Alleinstehende. „Wir hatten auch mal Väter allein mit ihren Kindern, Mütter allein mit den Kindern“, sagt Verwalter Andreas Theißen. Die älteste Bewohnerin ist Jahrgang 1927 — die Mitarbeiter haben ihr einen Rollator besorgt, damit sie spazieren gehen kann. Trotz der Mischung sei es „ziemlich ruhig“. Eine Erfahrung, die Flüchtlingsbeauftragte Miriam Koch generell in den Modulbauanlagen gemacht hat: Es komme dort kaum zu ernsthaften Reibereien, was ihre Einschätzung bestätige, dass die unterschiedlichen Ethnien und Religionen doch friedfertig zusammenleben können — wenn sie auch mal eine Tür zwischen sich schließen können.

An der Blanckertzstraße hatte es vor der Eröffnung wie so oft jede Menge bedenkenträchtige Briefe, Anrufe und E-Mails von Anwohnern gegeben. Inzwischen, sagt Theißen, seien viele sogar froh. Denn die Anlage hat 24 Stunden am Tag einen Wachdienst, die Polizei fahre häufiger Streife im Viertel — so fühlten sich auch die Nachbarn der Flüchtlingsunterkunft sicherer.

Ein optischer Gewinn ist sie indes nicht. Der Regen hat immerhin das frisch gesäte Gras rund um die Containerbauten sprießen lassen. Neben Pförtner und Verwaltung gibt es Räume für Kinderbetreuung und tägliche Deutschkurse. Gegenüber wischt ein Mann gerade in einer der Gemeinschaftsküchen das karge Edelstahlgestell für Herd und Spüle — Kühlschränke haben die Bewohner in ihren Zimmern. Ein kleiner Junge steigt lachend aus einem Fenster nebenan — in der Hand eine Fußballsammelkarte mit Mats Hummels darauf — und rennt zu dem kleinen Sandkasten mit Schaukel und Klettergerüst hinüber. Dahinter wuchert Grün, ein Zaun mit Sichtschutz schneidet die Anlage vom Rest des Wohnviertels ab.

Sabah Abo Kaws ist glücklich über sein kleines Zweier-Zimmer. „Es ist die beste Unterkunft, in der ich bislang war“, sagt der 20-Jährige. Seine Familie stammt aus dem hart umkämpften Aleppo. Seine Eltern sitzen gerade irgendwo zwischen Türkei und Griechenland fest — aber sie sind nicht mehr in Syrien. „Ich bin sehr erleichtert darüber“, sagt der junge Mann. Er selbst ist mit einem der berüchtigten Schleuserboote übers Mittelmeer nach Europa gekommen, hat sich dann nach Deutschland durchgeschlagen. „An diesem Punkt in meinem Leben hatte ich nicht mehr viel zu verlieren.“ Er habe für die Armee zwangsrekrutiert werden sollen.

Jetzt ist Sabah Abo Kaws seit fast zehn Monaten in Deutschland. Vier Mal in der Woche besucht er einen Deutschkurs. „Eigentlich bräuchte ich jetzt einen Fortgeschrittenenkurs“, sagt er. Er bewegt sich viel in der Stadt, um Menschen zu treffen, mit ihnen zu sprechen und besser zu werden. „Wenn ich endlich arbeiten darf, will ich in eine WG ziehen“, sagt der 20-Jährige. Denn so beschaulich das Leben in der Modulbauanlage auch sei: „Für die Integration ist das nichts.“ Man sei ja nur mit anderen Flüchtlingen zusammen.

Und er will sich integrieren. „Ich habe lange Haare und ein Piercing. Hier kein Problem, die Menschen lassen dich sein, wer du bist. Ich halte nicht einmal Ramadan ein. In Syrien bin ich ein schlechter Moslem. Ich habe das Leben dort gehasst.“ Selbst das Zusammenleben mit vielen Moslems aus der alten Heimat sei hier in Deutschland jetzt anders. „Die Menschen öffnen sich eher und legen ein Stück ihrer alten Mentalität ab“, glaubt der junge Syrer. Er fühle sich endlich nicht mehr ständig bewertet und verurteilt. Ein sicheres und freies Leben — das ist es, was er sich für seine Zukunft und die seiner Eltern wünscht.