Düsseldorf Ex-Personalchef hilft Flüchtlingen: „Der Kampf hält mich jung und frisch“
Es war nicht leicht, Jürgen Pfister für das folgende Porträt zu gewinnen. Seine Arbeit stünde im Zentrum, nicht er. Der frühere Personalchef großer Konzerne setzt sich für Geflüchtete ein.
Düsseldorf. Mustafa A. hatte keine Ahnung, welche Folgen seine Reise haben würde. Der Syrer war mit seinem Bruder nach Düsseldorf geflohen, die Schwester erreichte Griechenland. Ob es ihr gutgehe, wollte der 19-Jährige wissen und machte sich auf den Weg. Dass es nicht gestattet ist, sich ohne Visum in ein anderes Schengenland zu bewegen, solange der Aufenthaltsstatus’ ungeklärt ist, wurde ihm erst klar, als die Deutsche Botschaft in Athen ihn nicht wieder ausreisen ließ.
Nur mit Genehmigung der Kommunalen Ausländerbehörde sei dies möglich. In Düsseldorf jedoch regte sich zunächst nichts. Der Geflüchtete saß fest. Ohne einen Cent in der Tasche. Mustafas Glück war, dass tausende Kilometer entfernt Jürgen Pfister gerade seine ehrenamtliche Tätigkeit bei der Flüchtlingshilfe der Diakonie in Eller aufnahm. Man hatte ihn der „Behördengruppe“ zugeteilt und Mustafa wurde sein erster Fall.
Mit der Hartnäckigkeit eines investigativen Journalisten zog der 64 Jahre alte Jürgen Pfister in den Kampf mit den Ämtern, bis nach vier Monaten endlich der entscheidende Anruf von der Deutschen Botschaft kam: Der 19-Jährige darf zurückkehren.
Jene Hartnäckigkeit bescherte Jürgen Pfister vor zwei Wochen die Aufmerksamkeit der Medien. Dieses Mal ging es um einen nierenkranken Geflüchteten, dem die Uni-Klinik die Möglichkeit einer Transplantation aus formalen Gründen zunächst verwehrte. Pfister schrieb Briefe, an die Klinik und an die Bundesärztekammer. Er machte die Ablehnung öffentlich und plötzlich ist nichts mehr ausgeschlossen. „Ungerechtigkeit bringt mich auf die Palme“, sagt Jürgen Pfister. Das ist in mir drin.“
Mit dieser Grundüberzeugung verdient er viele Jahre viel Geld, als er in internationalen Konzernen die Personalverantwortung innehat und zu den Top Ten deutscher Manager zählt. In den Olymp der Wirtschaftsasse hievt ihn, was er einst bei dem Sozialphilosophen Jürgen Habermas in Frankfurt lernte: in ein System einzugreifen und dieses gemäß einem von allen Seiten akzeptierten Werteverständnisses zu verändern.
Pfister treibt die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer voran, institutionalisiert die Anstellung behinderter Jugendlicher und etabliert eine multi-ethnische Mitarbeiterschaft. „Konzerne haben ja auch eine multi-ethnische Kundschaft.“ Er überzeugt Vorstandsvorsitzende, den demographischen Wandel zu einer Humanisierung der Arbeitswelt zu nutzen und sie folgen ihm, weil sie ahnen, dass sich auf diese Weise die Leistungserbringung der Arbeitnehmer optimieren lässt. 2008 erhält Pfister für all das das Bundesverdienstkreuz.
Zwei Mal allerdings gibt er einen gut dotierten Posten auf. Er kann nicht akzeptieren, dass die Hälfte der Belegschaft entlassen wird. „Erfahrene und hochspezialisierte Mitarbeiter kann man nicht einfach entlassen, nur weil die Börse das vorübergehend verlangt. Die Unternehmen haben eine Verantwortung für ihre Leute.“
Pfisters Eltern sind gestandene Sozialdemokraten, sein Vater arbeitet als Stahlbauer, seine Mutter ist gelernte Schneiderin und verkauft später Schuhe. Die Familie lebt in Frankfurt am Main. „Ich hatte ein gutes Elternhaus, ich bin nie gegängelt worden.“ Die Eltern verstehen nicht, was der Sohn studiert und er kann es auch nicht erklären. Bub, ich mache mir Sorgen um deine Zukunft, sagt der Vater.
Das ist alles. Jürgen Pfister wird streng katholisch erzogen, später tritt er aus der Kirche aus, weil sie an verkrusteten Strukturen festhält, anstatt sich an den Verhältnissen zu orientieren. „Die christlichen Werte sind mir geblieben“, sagt er, „die kann man nicht einfach abstreifen.“
Seit fünf Jahren ist Pfister selbstständig und berät Unternehmen. In erster Linie jedoch engagiert er sich ehrenamtlich bei der Diakonie. Engagement ist selbstgewählte Arbeit, sagt er. „Man macht das, was man für richtig hält.“ Es sei ein ungeheures Geschenk, dass er sich dies ökonomisch erlauben könne. Als Personalmanager habe er seine „eigenen sozialen Ziele mit denen des Unternehmens verbinden können, jetzt zählten allein die persönlichen Ziele: der Kampf gegen Diskriminierung, Geschlecht und Hautfarbe. „Das hält mich jung und frisch.“
In der „Behördengruppe“ der Flüchtlingshilfe gilt Pfister als der, der weiß, welche Knöpfe zu drücken sind, um etwas für die Geflüchteten zu erreichen. Deswegen bekommt er nun die schweren Fälle zugewiesen. Aktuell ist noch mit dem nierenkranken Basel Houshan beschäftigt. „Die Familie ist bei ihrer Wohnungssuche von einem Makler fürchterlich übers Ohr gehauen worden. Dagegen gehe ich gerade vor.“