Schulden und die Folgen Wie groß ist Düsseldorfs Finanzkrise?
Analyse | Düsseldorf · Analyse Milliarden-Schulden am Horizont sowie deutlich mehr Ausgaben als Einnahmen: Die Haushaltslage ist prekär. Welche Gefahren sich daraus ableiten lassen – und welche eher nicht.
Die städtischen Finanzen sind in Schieflage und bedenklich ins Rutschen geraten. Mit Schulden von bis zu zwei Milliarden Euro plant die Kämmerei für die nächsten Jahre sowie mit defizitären Abschlüssen in dreistelliger Millionenhöhe. Das derzeit noch mit mehr als 400 Millionen Euro gefüllte Sparschwein namens Ausgleichsrücklage wird sehr wahrscheinlich bald aufgebraucht sein, auch wenn das für dieses Jahr kalkulierte Minus von mehr als 200 Millionen Euro noch aufgefangen werden kann. So weit, so bekannt. Doch was heißt diese Krise für die finanzielle Unabhängigkeit der Stadt?
Die Bewertungen gehen je nach politischer Couleur auseinander. Längst verlaufen die Argumentationsfronten nicht mehr nur zwischen Opposition oder Mehrheitskooperation. Denn selbst Schwarz-Grün gerät im Zuge des Opernstreits mittlerweile heftig aneinander. Sogar Populismus warfen sich zuletzt Bürgermeisterin Clara Gerlach (Grüne) und Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) vor. Im Zentrum des Streits steht die Frage: Wie weit wird die finanzpolitische Handlungsfähigkeit eingeschränkt? Denn sobald die Ausgleichsrücklage aufgebraucht ist und es an die „Allgemeine Rücklage“ als Teil des gesamten Eigenkapitals zum Ausgleich defizitärer Abschlüsse geht, redet die Bezirksregierung mit. Der Haushalt muss dort dann nicht mehr nur angezeigt, sondern genehmigt werden. Und je nach Verbrauch der „Allgemeinen Rücklage“ droht sogar ein Haushaltssicherungskonzept.
Die Opposition malt die Lage in düsteren Farben. Von „Vormundschaft“ sprach Manfred Neuenhaus (FDP), von „genauen Vorgaben“ zu Investitionen und Ausgaben Markus Raub (SPD). Und Gerlach sah sogar freiwillige Leistungen wie die beitragsfreie Kita zur Disposition stehen, was ihr nicht nur den Populismusvorwurf des OBs einbrachte, sondern Kritik in eigenen Reihen.
Der OB wiederum kündigte in seiner Replik auf Gerlach an, dass Düsseldorf nicht in ein Haushaltssicherungskonzept rutschen werde. „Das werden wir vermeiden.“ Diese Aussage teilt auch Kämmerin Dorothée Schneider auf Nachfrage. Auch wenn der Entwurf noch nicht steht und die Politik am Ende entscheidet: Düsseldorf wird demnach entscheidende Grenzwerte einhalten.
Wenn die Rücklagen schmelzen, müssen auch die Defizite sinken
Denn ein Haushaltssicherungskonzept wird nötig, wenn in der Planung zwei Jahre in Folge mehr als fünf Prozent der „Allgemeinen Rücklage“ zum Ausgleich der Defizite benötigt werden. Derzeit liegt sie bei rund sieben Milliarden Euro. Die Defizite dürften also nicht über 350 Millionen Euro liegen. Sie müssten entsprechend kleiner werden, wenn die Rücklage abschmilzt. Das wird etwa auch geschehen, wenn die derzeit noch isoliert betrachteten Kosten für Krieg und Pandemie in Höhe von mehr als einer halben Milliarde Euro 2026 ausgebucht werden würden. Auch wenn die Kämmerin von einer „kräftigen Belastung“ spricht, geht sie davon aus, um die Haushaltssicherung herumzukommen.
Und der Schritt von einem „nur“ genehmigungspflichtigen Haushalt zu diesem Sicherungsrahmen ist ein großer. „Das kann niemand wollen“, sagt Schneider. Hier komme alles auf den Prüfstand, nicht nur die freiwilligen Leistungen, auch der Hebesatz für die Grunderwerbsteuer könnte angehoben werden, was den Standort weniger attraktiv für Unternehmen machen und letztlich sogar weniger Einnahmen zur Folge haben könnte. Zudem wären über zehn Jahre klare Vorgaben einzuhalten, wie man aus der Finanzkrise herauskommt. Manche notleidende Kommune muss sich sogar jede einzelne Investition genehmigen lassen.
Ja, schon bei einer Genehmigungspflicht kann die Bezirksregierung Bedingungen stellen oder Vorgaben machen. Doch Düsseldorf steht im Vergleich der Kommunen in NRW immer noch sehr gut da. Auch Schneider geht von einem gewissen Grundvertrauen aus, nicht zuletzt weil die vergangenen Abschlüsse sehr gut waren. Zudem wolle man mit dem kommenden Doppelhaushalt merklich auf die Lage reagieren und mit einer veränderten Kostenstruktur einen Weg aus der Krise aufzeigen. Was das konkret bedeutet, will die Kämmerin noch nicht sagen.
Auch Eberhard Kanski, stellvertretender Vorsitzender des Bunds der Steuerzahler in NRW, sieht Düsseldorfs gute Ausgangsposition. „Die Stadt gehört zu den Top-Fünf-Kommunen in NRW, etwa neben Bielefeld und Münster.“ Die Steuereinnahmen hebt Kanski hervor, auch Standortvorteile. Daraus müsse man jedoch wieder mehr machen.
Er sieht ebenfalls einen großen Unterschied zwischen nur genehmigungspflichtigem Haushalt und Haushaltssicherungskonzept, dass mit umfassenderen Kontrollen und Vorgaben einhergehe. Kansky sieht jedoch im Gegensatz zu Rathaus und Politik in einem solchen Konzept „die große Chance, sich bei Fragen der Finanzierbarkeit ehrlich zu machen“. Seine Empfehlung: „Selbst wenn die Stadt nicht muss, sollte sie freiwillig eine Art Haushaltssicherungskonzept aufstellen.“