Flughafen Düsseldorf Superkurzparken am Flughafen Düsseldorf ist Stresstest und Trauerspiel
Meinung | Düsseldorf · Vom Verwirrspiel mit Parktickets und steigendem Blutdruck hinter den Schranken am Düsseldorfer Flughafen - ein Gastkommentar.
Manches im Leben muss man erst am eigenen Leib erleben, bevor man es nicht glauben mag. „Airlebnis Airport“ gab es bisher an jedem ersten Sonntag im Monat. Seit kurzem ist das Erlebnis Flughafen bereits an jedem Tag zu bewundern und das sogar schon vor den Drehtüren des modernen Abfertigungsgebäudes, da also wo Tag für Tag die Passagiere und Besucher abgefertigt werden.
Noch rechtzeitig vor Weihnachten haben die obersten Parkwächter des Flughafen-Managements für eine Bescherung der ganz besonderen Art gesorgt. Dachte man bislang bei Trauerspiel eher an Fortuna, übernimmt nun der Flughafen diese undankbare Aufgabe. Schuld daran ist eine beschrankte und beschränkte Idee seiner stolzen Manager, mit der Chaos und Park-Anarchie bei Zubringern und Abholern ein abruptes Ende gemacht werden soll. Eine neue Vorfahrt bei Ankunft und Abflug soll es bringen. Wobei der Begriff Vorfahrt eher in die Irre führt, es geht eigentlich um einen Stop-and-Go Kampf mit der Zeit.
Im gerade begonnenen Jahr will der Flughafen über 25 Millionen Passagiere abfertigen. Viele davon werden das neue Schrankensystem mit der neuen Zeitrechnung noch kennenlernen, zumindest wenn sie sich von Verwandten oder Freunden und Bekannten zum Abflug oder von der Ankunft chauffieren lassen.
Das neue beschrankte Weihnachtsgeschenk will zwar niemand, aber keiner kann es ausschlagen, es sei denn er steuert selbst mit seinem Automobil einen der zeit- und kostenaufwendigen Parkhäuser im Gelände an oder er macht sich mit kostenlosem Parken im weiteren Umfeld des Flughafens unbeliebt. Mit den minütlich auf und nieder gehenden Schranken ist nun eine langjährig bestehende Lücke der Bewirtschaftung sprich „Verköstigung“ geschlossen worden.
Dass ein solches Geschenk einmal aus heiterem Himmel Realität würde, hat kaum einer der zahllosen Hinbringer und Abholer von nah und fern erwartet. Umso größer war die erstaunte bis empörte Überraschung der Betroffenen. Bis vor kurzem war es gängige Praxis des Park ABC, seine Bei- und Mitfahrer bei A, B oder C abzusetzen und sich voneinander in Ruhe und Herzlichkeit zu verabschieden und vielleicht auch hilfsweise kurz den Koffer zum Schalter zu rollen. Viele Jahre hat hier das Rheinische Grundgesetz mit demokratischer Selbstverwaltung und etwas weltstädtischer Großzügigkeit und Gelassenheit das Kommen und Gehen bzw. Fahren und Stehen geregelt. Eine Mischung von Locker-Flair und Laissez-faire von Klein Paris. Die Grundpfeiler des erfolgreichen Hin und Her verfolgen das Prinzip „Et hätt noch emmer joot jejange“ und „Et kütt wie et kütt“.
Heute gilt diese rheinische Schicksalssinfonie nur noch im Flughafen selbst vor allem bei Verspätungen im Ab- und Anflug, bei der Sicherheitskontrolle und bei dem verspäteten Anrollen der Kofferbänder. Statt Rheinischer Optimismus nun Preußische Ordnung im Minutentakt.
Vier beschrankte Auslade- und Aussteigespuren stehen zum neuen „Spurtparken“ zur Verfügung. Mit dem Ziehen des Tickets läuft die Uhr unerbittlich. 600 Sekunden Zeitkorridor scheint lange — doch wenn sich die Autos z.B. stauen, rinnt einem die Zeit durch die Nägel und später auch das Geld durch die Finger. Da sich die beiden rechten Spuren auf der Seite zum Empfangsgebäude schon zugestaut hatten, fuhr ich fast reflexartig auf die linke Spur am Parkhaus 3. Kein Problem machte das Ziehen des Parktickets. Hier konnte ich dann auf rund 200 Metern meine Fahrgäste samt Gepäck aussteigen lassen, allein auf weiter Spur. Ich hatte nur den Fehler gemacht, auf der Spur weit nach vorne zu fahren. Dadurch mussten meine beiden Reisenden über die Straße zurücklaufen bis zur Höhe vom Parkhausübergang.
Um den unbequemen Straßenlauf zu verhindern, sollte man gleich nach dem Ziehen des Tickets mit dem Kurz-Parken nicht lange warten, am besten auf der Höhe der Parkhaus-Übergänge. Beim Parken gegen die Uhr, steht der Abschied und das Umarmen und Küsschen auf die Wange geben, doch etwas unter Zeitdruck, vor allem wenn es sich um private Fluggäste handelt.
Einen kleinen Ausgleich der Gefühle erhält man beim Rausfahren aus der Sonderzone, wenn es gelungen ist, die Fünf-Euro-Trödel- und Verabschiedungsgebühr zu vermeiden, die ab Sekunde 601 fällig wird. Fast möchte man den Schrankenwärtern — trotz des Urheberrechtes von Andrea Nahles — bei der Ausfahrt in die unbeschrankte Welt ein Ätschi Bätschi zurufen.
Ein paar Tage später, einen Tag vor Heiligabend galt es, die Familie aus Paris abzuholen. Wie immer bei Abholfahrten steuere ich gewohnheitsmäßig das Parkhaus 3 auf der Ankunftsebene an. Plötzlich stehen mein Auto und ich vor einer verschlossenen Schranke, die mir bisher nie in den Weg gekommen ist. Dass sich in der Abflugebene mit dem neuen Superkurz-Parken Empörung hörbar breitgemacht hatte, davon hatte ich gelesen und gehört. Aber dass die Ankunftsebene auch beschrankt und damit beschränkt wurde, war mir so nicht bewusst.
Ich steige in meiner Mischung aus Ignoranz und Naivität aus und sage dem Gott sei dank dort postierten Schrankenbetreuer in orangefarbener Sicherheitsweste, dass ich hier nicht zu parken gedächte, sondern wie immer nur ins Parkhaus 3 fahren wolle. Ich weiß nicht, wie oft er diese trivial erscheinende Frage an dem Tag schon beantwortet hat. Er meinte ruhig und gelassen, dass ich auf dem richtigen Weg sei. Nur ein Ticket ziehen und dann vor dem Parkhaus an der nächsten Schranke einstecken und dann am Parkhaus 10 Meter weiter ein neues Parkticket fürs Parken im P 3 ziehen.
Also los. Ticket ziehen und noch schnell die Mahnung lesen: Sie haben zwei Minuten Zeit für das Durchfahren der Straße bis P 3! Ansonsten sind wir auch bei Ihnen an einer Zeitstrafe von fünf Euro interessiert. Die Originalabschreckung ist natürlich nicht so freundlich formuliert. Zwei Minuten sind nur 120 Sekunden. Wieviel Zeit brauche ich für die rund 200 Meter? Was ist, wenn ich jetzt eine Panne habe, muss auch der ADAC dann ein Ticket ziehen? Wie schnell beschleunigt denn mein Auto auf 100 Km/h? Was ist, wenn ein Autofahrer die Spur versperrt?
Dass meine Fragen zum Selbstverständnis keine Theorie sind, zeigte sich tatsächlich am Ende der Rennstrecke. Und an der Ticket-Abgabe-Schranke passiert es wirklich: Ein anderer Fahrer kommt dort nicht klar. Vielleicht will er gar nicht ins P3? Ich bin schon dabei, wegen des enormen Zeitdrucks auf die rechte Spur zu wechseln, da geht es bei mir zum Glück weiter und ich schaffe es gerade noch, ohne Säumniszuschlag die P3-Zufahrts-Rennstrecke à la Schumacher zurückzulegen.
Der einzige Zweck der beschrankten Straße ist die Durchfahrt zu P 3 und dem nächsten Ticketspender. Insofern könnte man die Strecke auch als Trainingsparcours für das zügige Ziehen und Einstecken von Parktickets unter erschwerten zeitlichen Bedingungen vermarkten — insbesondere für Menschen mit Symptomen der Parkschein-Phobie. Ich sehe schon in Gedanken die ersten Zeitwettbewerbe im Parkschein-Ziehen und Stecken und das Unterbieten der 120 Sekunden. Ein Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde ist dem Flughafen sicher.
Mit etwas Marketing-Phantasie und kleineren technischen Innovationen lässt sich der Kurzstrecke sicher auch etwas gesundheitspolitisch Positives abgewinnen. Zum Beispiel als Blutdruck-Kontrollstrecke (durch Touch-Screen) mit Messung bei der Einfahrt und der Ausfahrt. Sicher auch wissenschaftlich interessant, ob und wie der Blutdruck durch den Zeitdruck steigt. Am Ende der Tempostrecke erhält man gleich auf einem Gesundheitsticket Tipps für blutdruck-gerechte Lebensführung und Ernährung
Neben dem steigenden Blutdruck hat man aber auch ein Gefühl der Freiheit und Unabhängigkeit. Denn die Straße zwischen den Schranken ist quasi Niemandsland und neutrale Zone. Ein Stück Weges, das nichts kostet. Wo gibt es das schon am Flughafen.
Einen positiven Effekt hat die Schrankenlösung natürlich auch für die Papierindustrie. Das gezogene Ticket wird beim Einfahren datiert und dann nach 200 Metern bei der Abgabe auf Einhaltung der Geschwindigkeit kontrolliert und dann nicht mehr gebraucht. Da fällt natürlich viel Papierkram an. Hoffentlich parken keine Umweltschützer in P 3! Mich erinnerte die beschrankte Strecke übrigens lebhaft an die Streiche der Schildbürger, die damals leider noch ohne Flughafen auskommen mussten.
Bei aller Kritik sollte man den Parkwächtern des Flughafens nicht zu nahe treten. Sonst nehmen sie demnächst für die 200 Meter lange Blutdruckmessstrecke doch noch eine Gebühr (Parkhaus-Gesundheitsgebühr) und lassen sich das auch noch von Jens Spahn und den Krankenkassen absegnen. Und als Dieselfahrer muss man ohnehin dankbar sein, dass nicht auch eine Umweltspur eingerichtet wird oder ein Sammelparkplatz für Dieselfahrzeuge am Fernbahnhof mit Sky-Train-Shuttle.
Beim Einfahren in das Parkhaus P 3 und dem Ziehen des Tickets habe ich mit Überraschung wahrgenommen, dass die Parkstunde jetzt auf vier Euro angehoben wurde (hört sich anonym an, es gibt aber sicher mindestens einen konkreten Manager — sicher mit Dienstwagen, der das entschieden hat.) Die Haftung bleibt nach wie vor beschränkt Ich erinnere mich noch ohne langes Nachdenken, dass die Stunde einmal 2.50 € kostete, dann 3 €, dann 3,50 € und jetzt 4 €, Weihnachten 2019 sicher 5 €? Motto der Manager: Bei soviel blutdruckrelevanten Maßnahmen am Flughafen kommt es auf eine Änderung mehr oder weniger auch nicht mehr an!
Mein Fazit: In Düsseldorf wird es kaum mehr Bewegung geben als am Flughafen durch das dauernde Auf und Ab der Schranken. Er hat dadurch die Auszeichnung MoM, Master of Motion, verdient.
Wenn die Flughafen-Weiterdenker noch einen Tipp für das nächste Weihnachtsgeschenk brauchen, kann ich da gerne weiterhelfen: Noch sind die Zufahrten von der Autobahn zu den Schranken und Parkhäusern kostenfrei! An Mautstellen an den Zu- und Abfahrten der Autobahn kann ebenfalls die „Airport-Erreichungsgebühr“ erhoben werden. Dadurch erhält die beschrankte Idee Anschluss an die internationale Verkehrspolitik. Die Schrankenwärter der Deutschen Bundesbahn am Düsseldorfer Hauptbahnhof sollen sich auch schon für die Idee der neuen Vorfahrt für die Bahn gedanklich warmlaufen.