Kultur Fünf Lehren aus dem Abgang von Museumschef Alain Bieber

Düsseldorf · Meinung Der Abschied wirft Fragen zum Umgang mit Experimenten und der Zukunft des Ehrenhofs auf.

Alain Bieber leitet das NRW-Forum noch bis Endes des Jahres. Mit der Ankündigung seines Abschieds beginnt die Diskussion, wie es mit dem Haus weitergeht.

Foto: David Young

1. Alain Bieber hat Dank und Respekt verdient. Nach dem Abschied von Petra Wenzel und Werner Lippert war offen, ob und welche Zukunft das NRW-Forum haben wird. Alain Bieber hat dem Haus im Ehrenhof eine gegeben. Er hat für Ausstellungen gesorgt, bei deren Eröffnung die Menschen um die Wiese des NRW-Forums herum bis zur Inselstraße Schlange standen. Er hat es wiederholt geschafft, mit seinen Projekten Düsseldorf in die überregionale Presse zu bringen. Beides ist ihm zudem mit einem Publikum gelungen, dessen Altersschnitt deutlich unter den üblichen Museums-Werten liegt. Dies alles hat er mit einem kleinen Team und ohne Sammlung, auf die er zurückgreifen könnte, bewerkstelligt.

2. Es muss nicht immer Tiefe sein, aber es braucht sie auf Dauer. Diese neue Marke NRW-Forum hat Bieber mit Ausstellungen erreicht, die mit dem Zeitgeist verbunden sind. Selfies, Pizza, Katzenvideos – das alles stammt aus der Gegenwart und wird nicht in einem Museum erwartet. Das hat einerseits unsichtbare Barrieren vor den Türen des ehrwürdigen Hauses beseitigt und zugleich ältere Menschen mit jungen Phänomenen in Kontakt gebracht. Und es hat einen gelehrt, dass es gut für eine Stadt sein kann, wenn eine Institution Dinge tut, die einen selbst nicht interessieren. Dennoch ist diese Leistung mit einem Problem versehen: Die genannten Projekte hatten alle ausschließlich den Zeitgeist zum Gegenstand. Es gab keine weiteren Dimensionen, nichts, mit dem sich die Besucher darüber hinaus beschäftigen konnten. Das führt dazu, dass sich das Interesse an der nächsten Überraschung, am nächsten Coup abnutzt.

3. Experimente sollten kein Selbstzweck sein, sondern zu Lehren führen. Es gab in den drei Jahren von Alain Bieber Ideen, die gut funktioniert haben, und es gab Konzepte, die nicht aufgegangen sind. Letzteres ist überhaupt nicht schlimm. Das NRW-Forum mit den genannten Möglichkeiten kann nur kreativ und experimentell arbeiten. Aber an dieser Stelle darf der Prozess nicht enden. Und es wuchs mit der Zeit mehr und mehr der Eindruck, dass aus den Experimenten keine Lehren gezogen wurden und dass die Ursprungsidee weiter und weiter verteidigt wurde.

4. Für das NRW-Forum gibt es nun zwei Perspektiven. Bieber wird laut eigener Aussage noch ein Jahr im NRW-Forum arbeiten. In dieser Zeit muss die Frage beantwortet werden, wie das Haus künftig ausgerichtet sein soll. Es kann jetzt erst recht ein Ort jenseits des Erwartbaren und des Experiments sein, und sich in diesem Sinne zum Beispiel in Richtung Kunstakademie ausrichten. Das NRW-Forum könnte umgekehrt auch im Sinne eines einheitlicheren Ehrenhofs in Richtung Kunstpalast orientiert werden. Letztlich kommt es bei dieser Frage darauf an, was im Haus zu finden sein soll. Sollte wie bei Biebers Vorgängern Wenzel und Lippert die Fotografie den Schwerpunkt bilden, dann wäre ein Zusammenschluss mit dem Kunstpalast sinnhafter als zwei konkurrierende Angebote nebeneinander. Sollte das NRW-Forum geprägt sein durch Freiheit und einen Genremix, wäre es als weiterhin eigenständiges Haus richtig positioniert und bräuchte einen neuen Chef.

5. Hoffnungsträgern wird oft zwei Mal unrecht getan. Die ersten Monate und Ausstellungen von Alain Bieber in Düsseldorf waren von einer großen Euphorie begleitet. Da kam einer, der seine Aufgabe mit echt ausgefallenen Ideen anging, der sich kreativ und klug von der Last des lippertschen Erbes zu befreien schien. Die Anfangstage erscheinen heute zu hymnisch, so wie die Kritik in jüngster Zeit zu heftig war. Man darf nicht vergessen: Diese exponierte Position war die erste ihrer Art für einen recht jungen Mann. Mit der ersten Position ist es wie mit der ersten Beziehung oder dem ersten Job. Im Idealfall stürzt man sich da komplett und kopfüber rein, ist auch mal blind für die Dinge rechts und links des Weges, und kämpft für seine Vorstellungen mit Anlauf statt mit Diplomatie.