Für jeden etwas, für alle viel
Thomas König: Meine Frau ist Italienerin. Als wir noch nicht verheiratet waren, hat ihre Familie die Nase gerümpft, weil ich mich mit Kirmes beschäftige. Seit alle mal auf den Rheinwiesen waren, habe ich bei der Familie einen Stein im Brett. Es gibt keinen anderen Platz, der eine so geballte Masse von Premium-Geschäften hat. Außerdem ist die Kirmes aktuell und jedes Jahr anders, was sie von den Freizeitparks unterscheidet. Kirmes kann man nicht beschreiben, man muss sie erleben.
Bruno Schmelter: Schmecken, hören, riechen. Ich bin seit 42 Jahren auf Kirmesplätzen unterwegs, kenne alle großen Volksfeste in Europa, Nord- und Südamerika. Es gibt keinen schöneren Festplatz als die Oberkasseler Rheinwiesen. Dazu haben wir in Deutschland die sichersten Fahrgeschäfte der Welt.
Schmelter: Das hat sich schon verändert. Wir haben irgendwann festgestellt, dass die Kinder weg sind. Stattdessen kommen die etwas Älteren von 30 aufwärts. Die haben andere Vorstellungen und wollen keine extremen Purzelbaum-Geschäfte. Die persönliche Ansprache wird wieder viel wichtiger werden. Das müssen die Schausteller erst wieder lernen, weil viele schon seit Jahren nur noch mit Geräuschautomaten arbeiten. Natürlich spielt auch die Frage der gestiegenen Energiekosten eine große Rolle. Viele Kollegen rüsten ihre Betriebe jetzt schon mit LED-Leuchten aus. Das macht viel aus. Ein Auto-Scooter hat in einer Kirmeswoche zum Beispiel einen Stromverbrauch von 4000 Euro. Mit den LED-Leuchten sind es nur 1500 Euro.
König: Für jeden etwas und für alle viel, so ist das Konzept schon immer gewesen und wird es auch bleiben. Da muss es auch Ruhezonen für die Oma geben.
König: Das halte ich nicht für eine gute Lösung. Wir möchten, dass die Schausteller die ganze Zeit über vernünftige Preise machen. Außerdem gibt es schon eine ganze Reihe von Familienangeboten. Eine Familie mit zwei Kindern kann zum Beispiel für drei Euro pro Person auf dem Riesenrad fahren. Sonst kostet die Karte 4,50 Euro.
Schmelter: Fast alle Schausteller haben Sonderangebote. Die Fahrt auf meinem Kinder-Karussell kostet 1,50 Euro, acht Tickets gibt es für acht Euro. Familien mit Kindern sollten darauf achten und können dann viel Geld sparen.
König: Das hängt mit der Publikumsmischung zusammen. Wir haben hier keine Säufer und Schläger. Es spielt sicher auch eine Rolle, dass die Kirmes das einzige Fest dieser Größenordnung ist, das von Ehrenamtlichen organisiert wird. Darum hat sie eine besondere Atmosphäre.
Schmelter: Wir achten darauf, dass wir keine Ballermann-Atmosphäre haben. Die Kirmes ist ein Familien-Volksfest und wird es bleiben.
König: Ich bin in den letzten Jahren auf dem Oktoberfest gewesen. Man kann das nicht vergleichen. Da strömt um 12 Uhr mittags die Jugend in Trachten und mit Dirndl auf den Festplatz. Wenn die um 15 Uhr wieder gehen, kommen schon die nächsten. Da geht es vor allem ums Trinken.
König: München oder auch Stuttgart haben den Vorteil, dass da die ganze geballte Stadt dahinter steht. Wir haben das Problem erkannt. Ein Arbeitskreis, an dem auch eine Werbeagentur beteiligt ist, beschäftigt sich damit. Eine einfache Umbenennung des Festes in Apollinaris-Kirmes kann aber sicher nicht die Lösung sein.
König: Ich beobachte die Entwicklung jetzt seit 22 Jahren. Erst kam der Dreier-, dann der Vierer-Looping. Schließlich ging es in die Höhe. Da sind die Grenzen erreicht. Es wird mittelfristig keine neue große Achterbahn mehr geben. Das ist nicht finanzierbar. Bei den steigenden Preisen für Transport und Energie lassen sich Investitionen im zweistelligen Millionenbereich nicht mehr reinholen. Wer mit 19 Transportern von Stuttgart nach Düsseldorf fährt, hat schon Kosten von 12 000 Euro. In den nächsten Jahren wird es vor allem darum gehen, den Standard zu halten. Außerdem bin ich überrascht, dass es jedes Jahr doch noch attraktive Neuheiten gibt. Es gibt keine fantasievolleren Menschen als Schausteller.