Selbstkritik des Oberbürgermeisters Geisel denkt an Rückzieher bei umstrittenem Video
Düsseldorf · SPD-Oberbürgermeister zeigt Selbstkritik. Und will sich in Sachen Farid-Bang-Internetauftritt einer Mehrheit beugen.
Nach der massiven Kritik an der von Oberbürgermeister Thomas Geisel initiierten Aktion, den Rapper Farid Bang für die Einhaltung der in Corona-Zeiten geltenden Verhaltensregeln werben zu lassen, geht das Stadtoberhaupt auf die Kritiker zu. In einem dieser Zeitung vorliegenden Brief an seine Wahlkampfunterstützer und die Mitglieder seiner Partei schreibt Geisel: „Ich werde die Vorsitzenden der im Rat vertretenen demokratischen Fraktionen einladen, um mit ihnen zu diskutieren, wie in dieser Angelegenheit weiter verfahren werden soll. Sollte sich dabei eine Mehrheit dafür aussprechen, das Video von der städtischen Facebook-Seite zu nehmen, werde ich diesem Wunsch entsprechen.“
In dem von der Stadt bei Facebook und bei Youtube hochgeladenen Video, das bis Freitagnachmittag bereits 260 000 Mal abgerufen wurde, wirbt Farid Bang für Respekt vor dem Ordnungsdienst und für die Einhaltung der Abstandsregeln. „Benehmt Euch, hört auf, Unfug zu machen, sonst ziehe ich Euch die Ohren lang“, sagt der 34-Jährige darin. Die Rapper-Freunde Kollegah und Farid Bang hatten 2018 einen Skandal ausgelöst, als ihr Song „0815“ mit der Zeile „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“ mit dem „Echo“ ausgezeichnet wurde. Der Musikpreis wurde nach Kritik an den als antisemitisch und als Verhöhnung von Opfern der Nazi-Diktatur bewerteten Rap-Texten der Preisträger abgeschafft.
Geisel erklärt in dem Brief, was ihn zu seinem Vorgehen veranlasst hatte. Am Wochenende gebe es nachts in der Altstadt und am Rheinufer angesichts dicht gedrängter Menschen ein erhebliches Infektionsrisiko. Aber nicht nur darum gehe es. „Je später der Abend, desto mehr wird das Bild bestimmt von jungen Männern, zumeist mit Migrationshintergrund, die sich nicht nur nicht an die geltenden Infektionsschutzregeln, sondern generell an keine für ein zivilisiertes Zusammenleben geltende Regeln halten. Sie fahren mit einem „getunten“ Fahrzeug, jaulendem Motor und Imponiergehabe vorschriftswidrig in die Anliegerstraße am Mannesmannufer, sie machen rücksichtslos Krach mit „Ghettoblastern“, belästigen Anwohner und Passanten und verrichten ihre Notdurft nach erheblichem Alkoholgenuss in Hauseingängen.“
Vor allem aber, schreibt der Oberbürgermeister, wachse mit fortgeschrittener Stunde das Aggressionspotenzial: Anweisungen von Polizei und Ordnungsdienst würden ignoriert. Nicht selten komme es zu Flaschenwürfen und tätlichen Angriffen auf die Ordnungshüter. Allein mit polizeilichen Mitteln, so befürchtet Geisel, werde sich dieses Problem nicht lösen lassen. Es gehe um ein „Problem mangelnder und möglicherweise scheiternder Integration beziehungsweise um die schrittweise Entwicklung einer Parallelgesellschaft, die schon heute dazu geführt hat, dass viele Düsseldorferinnen und Düsseldorfer abends und nachts Altstadt und Rheinufer meiden“.
Vor diesem Hintergrund habe er Farid Bang angesprochen, schreibt Geisel. Denn bei den Menschen, die das Rheinufer unsicher machen, handele es sich „um einen Teil der Gesellschaft, zu dem wir als Vertreterinnen und Vertreter von Politik und Verwaltung und des gesellschaftlichen Mainstreams praktisch keinen Zugang haben. Die aber – davon gehe ich jedenfalls aus – empfänglich sind für die Ansprache einer Person wie Farid Bang. Denn sie hören seine Musik und haben nicht selten einen vergleichbaren biografischen Hintergrund.“
Dass ein Video mit Farid Bang erhebliche Kontroversen auslösen würde, sei ihm durchaus klar gewesen. „Angesichts der kontroversen Diskussionen auch und gerade in meiner eigenen Partei, die durch diese Entscheidung ausgelöst wurden, stelle ich mir im Nachhinein natürlich die Frage, ob ich hier richtig gehandelt habe.“ Ihm sei „sehr deutlich“ geworden, „dass viele Frauen und viele Mitglieder der Queer-Community nicht nur keinerlei Verständnis für meine Entscheidung haben, sondern regelrecht entsetzt und zum Teil auch persönlich getroffen und verletzt sind“. Geisel schreibt weiter: „Mit Blick auf manche wirklich empörende Äußerung von Farid Bang, die mir in diesem Zusammenhang bekannt geworden ist, kann ich dies sehr gut verstehen. Das tut mir leid und im Nachhinein gesehen mache ich mir natürlich den Vorwurf, diesen Aspekt offensichtlich nicht gründlich genug recherchiert und im Gespräch mit Farid Bang nicht deutlicher zur Sprache gebracht zu haben.“ Wenn Frauen, Schwule und Lesben verhöhnt und verachtet werden, sei eine Grenze überschritten, „die nicht überschritten werden darf, wenn das gesellschaftliche Miteinander in einer so vielfältigen und heterogenen Stadt Gesellschaft wie der in Düsseldorf funktionieren soll“, schreibt der Oberbürgermeister vor seinem Gespräch mit den Fraktionsvorsitzenden im Rat. Dieses soll Anfang der Woche stattfinden.