Häusliche Gewalt: Expertin will Netzwerk für die schnelle Hilfe
Ein Mann soll in Lohausen seine Frau getötet haben. Gewalt gab es bei dem Paar schon vorher, aber kein Konzept, um sie zu stoppen.
Düsseldorf. Elf Mal allein in diesem Jahr musste die Polizei zum Haus des Paares nach Lohausen ausrücken, weil Michael V. (49) seine Frau Christiane schlug. Am 31. Oktober wurde er der Wohnung verwiesen. Doch sie ließ ihn gleich wieder zurückkehren. Die 44-Jährige kam offenbar von ihrem Mann ebenso wenig los wie vom Alkohol - das Paar hatte sich allem Anschein nach verloren in der Spirale aus Sucht und Gewalt. Jetzt ist Christiane V. tot. Ihr Mann soll sie erwürgt haben, er sitzt in U-Haft. Laut Luzia Kleene von der Frauenberatungsstelle zeigt der Fall Lücken auf, die das Netzwerk im Kampf gegen häusliche Gewalt offen lässt.
Dabei haben Opferschützer in diesem Kampf einige Triumphe gefeiert. 2002 wurde das Polizeigesetz geändert, Beamte dürfen Gewalttäter jetzt für zehn Tage der Wohnung verweisen. Gleichzeitig trat das Gewaltschutzgesetz in Kraft, das dem Opfer die Möglichkeit gibt, die gemeinsame Wohnung auch langfristig zu sichern. Zudem gibt es inzwischen einen speziellen Paragrafen, der Stalking unter Strafe stellt.
"Seit 2002 steigt die Anzeigenbereitschaft", sagt Karin Kienast, Opferschutzbeauftragte der Düsseldorfer Polizei. Zum ersten Mal gab es 2009 in der Stadt über 1000Anzeigen wegen häuslicher Gewalt. "Die Zahl steigt um etwa zehn Prozent jedes Jahr", sagt Kienast. In Augen von Experten ein Erfolg, weil der Anstieg nicht auf mehr Taten hinweise, sondern auf eine höhere Bereitschaft der Opfer, sich zu wehren.
Dennoch vermutet Kienast eine enorme Dunkelziffer. Und selbst, wenn die Polizei eingeschaltet wird und den Gewalttäter aus der Wohnung wirft (349 Verweisungen gab es 2009), ist der Fall nicht immer beendet. "Es kommt immer wieder vor, dass ein Opfer sich gleich wieder auf die Beziehung einlässt - das sind die Fälle, die uns Sorgen machen."
Zu Recht, wie der aktuelle Fall zeigt. Gewalt in der Partnerschaft ebbt in der Regel nicht mit der Zeit ab - worauf viele der Opfer hoffen. "Sie steigert sich vielmehr allmählich", erklärt Polizistin Kienast. Entweder in der Häufigkeit oder der Intensität.
Auch Luzia Kleene von der Frauenberatungsstelle hat in den Jahren ihrer Tätigkeit immer wieder Frauen "verloren", die den Übergriffen ihrer Partner kein Ende setzen konnten. Ein Mann etwa erschoss seine Frau vor den Augen der Kinder. Nur etwa ein Drittel der Opfer nutzten die Wohnungsverweisung des gewalttätigen Partners (17 Prozent der Täter in Düsseldorf sind inzwischen weiblich), um sich aus der Beziehung zu lösen.
Ein weiteres Drittel wolle immerhin Veränderungen in der Partnerschaft durchsetzen, das letzte Drittel aber "schwankt", sagt Kleene. Besonders schwierig sei die Dynamik, wenn wie im aktuellen Fall der Christiane V. eine Suchterkrankung hinzukomme. Laut einer Studie aus 2004 spielt Alkohol in etwa 50 Prozent der Fälle häuslicher Gewalt eine Rolle.
Für die Polizei wird es in solchen Fällen schwierig. Zwar bleibt die Anzeige bestehen. Sagt aber das Opfer vor Gericht nicht aus, wird das Verfahren meist eingestellt. "Der aktuelle Fall zeigt deutlich, dass wir die Einzelfallarbeit verbessern müssen", sagt Luzia Kleene. Nach den zahlreichen Polizeieinsätzen hätten Sucht- und Gewaltberatungsstellen auf das Paar aufmerksam gemacht werden müssen, um vernetzt einzugreifen.
Bei jugendlichen Straftätern etwa gibt es feste Verfahren für ein schnelles, gemeinsames Gegensteuern. Kleene will jetzt Konzepte für die Zukunft in der "Fachgruppe häusliche Gewalt" mit Stadt, Justiz, Polizei und sozialen Einrichtungen erarbeiten.