Düsseldorf Hildegard Voigt sieht sich als Glückskind
Die Düsseldorferin lebt heute im „Haus Lörick“. Sie bedankt sich jeden Tag für ihr Alter.
Düsseldorf. Hildegard Voigt ist geborene Düsseldorferin. 1915 kam sie an der Kruppstraße zur Welt. „Das war damals die Kö Oberbilks — eine ganz feine Straße!“ Seither hatte sie vor allem Glück. Als die Kaserne, in der sie während des Weltkriegs arbeitete, dem Erdboden gleich gemacht wurde, hatte sie früher Feierabend gemacht. „Ich bin ein Glückskind“, sagt Voigt. Im Oktober ist sie 100 Jahre alt geworden.
Ihre früheste Erinnerung: Als nach Ende des ersten Kriegs der ganze Esstisch voller Geldbündel lag und ihr Bruder davon einen Laib Brot kaufen sollte. Als der Zweite Weltkrieg tobte, arbeitete Hildegard Voigt bei Henkel, wurde dann eingezogen: Als Fernschreiberin musste sie in die Niederlande. Ihr Glück. „Mein späterer Mann war da mein Vorgesetzter — 500 Mädchen hatte er unter sich, alle in ihn verliebt. Ich habe ihn gekriegt!“ Die 100-Jährige strahlt.
Sie überlebte den Angriff auf ihre Kaserne und kam unversehrt heim — ihr Mann Albrecht allerdings verschwand in kasachischer Kriegsgefangenschaft. „14 Jahre musste ich auf ihn warten.“ Dann stand er plötzlich in dem Telegrafenamt auf der Cecilienallee, wo sie arbeitete.
Das Paar war zu alt für Familienplanung, also nahm Hildegard Voigt ihren Neffen Günther nach dem Tod seiner Mutter auf. „So habe ich auch das Kind bekommen, das ich mir gewünscht habe“, sagt sie. Vor 26 Jahren ist das Ehepaar in den Seniorenstift „Haus Lörick“ eingezogen. Sie kauften einen billigen Schrank — „wir dachten, wir wären in zwei Jahren tot“. Doch auch Albrecht Voigt wurde fast 90, starb vor acht Jahren.
Vielleicht führte ein Schreck aus Hildegard Voigts Jugend zu ihrem hohen Alter: In einem Café an der Graf-Adolf-Straße zündete sie mit ihrer Zigarette versehentlich den gezwirbelten Bart eines Fremden an. „Das war meine letzte!“, lacht sie. Die Seniorin läuft heute mit Rollator, ist aber gesund. „Ich bin nicht fromm, aber ich bete jeden Abend und bedanke mich.“ Für 100 glückliche Jahre.