Düsseldorf Ursula Zaertling: „Ich habe wunderbar gelebt“

Die Benratherin fährt noch Auto und macht jeden Tag Gymnastik.

Foto: Lepke

Düsseldorf. Ursula Zaertlings älteste Kindheitserinnerung sind Kämpfe in Ostberlin 1917. Und so ist es geblieben in diesem Jahrhundert, das ihr Leben füllt: „Es wurde immer scharf geschossen.“ Und immer wieder musste sie bei Null anfangen. Im Februar ist sie 100 Jahre alt geworden.

Ihr Vater zwang sie auf die Haushaltsschule — doch danach studierte sie Grafik. Mit 23 lernte sie bei einer Kurzreise zum Schloss Elmau Adolf Zaertling kennen — der Bayer-Mitarbeiter kam gerade von zwölf Jahren Indien zurück und wollte die junge Ursula kurzerhand mit nach Japan schleppen. Nur einen Monat später heirateten die beiden.

Sechs Wochen dauerte die Schiffsreise nach Japan — das war es wert. „Ich habe wunderbar gelebt“, sagt Zaertling. Bis 1945 nur 100 Kilometer entfernt die Atombombe auf Hiroshima fiel. Drei Jahre später wurde das Ehepaar nach Deutschland deportiert — bis auf 110 Pfund verloren sie all ihr Hab und Gut. So landeten sie in Benrath, im Haus von Adolf Zaertlings Familie.

Ursula Zaertling schlug sich als Kosmetikerin durch, machte dann ihr Abi noch einmal, weil alle Zeugnisse verschwunden waren, wurde Lehrerin, gab Nachhilfe, bis sie 72 war; die Rente hätte nicht gereicht. „Ich musste immer alles neu lernen — jetzt lerne ich nicht mehr.“ Sie lacht. Vor 35 Jahren beerdigte sie ihren Mann — „ein Sportsmann, und was kriegt er? Herzinfarkt!“ Sie hingegen ist fit.

20 Jahre lang hat sie Yoga gemacht, noch immer beginnt ihr Tag mit einer Stunde Gymnastik. Sie wohnt noch immer im Haus in Benrath, im ersten Stock — kein Treppenlift. „Absichtlich“, sagt sie. Alles Training. Sie fährt auch noch Auto.