Zwei Düsseldorferinnen erzählen Warum der Schmerz in der Adventszeit besonders groß ist – und wie man damit umgeht

Düsseldorf · Für Trauernde ist die Weihnachtszeit eine der schmerzhaftesten des Jahres. Zwei Düsseldorferinnen erzählen, wie sie das Fest erleben.

 In der Weihnachtszeit kommen bei Trauernden oft Erinnerungen an den Verstorbenen hoch. Durch den Austausch, zum Beispiel in der Trauergruppe Kaiserswerth, können sie mit dem Verlust besser umgehen.

In der Weihnachtszeit kommen bei Trauernden oft Erinnerungen an den Verstorbenen hoch. Durch den Austausch, zum Beispiel in der Trauergruppe Kaiserswerth, können sie mit dem Verlust besser umgehen.

Foto: Christin Klose/dpa-tmn/Christin Klose

„Wenn ich die Wahl hätte, würde ich Weihnachten ausfallen lassen“, sagt Ingrid B. Vor drei Jahren ist ihr Mann an einem Herzinfarkt gestorben. Durch den Austausch in der Trauergruppe Kaiserswerth kann sie mit dem Verlust besser umgehen. Doch in der Adventszeit kommt der Schmerz, der mit dem Tod eines geliebten Menschen einhergeht, wieder hoch. „Wenn ich alleine auf einem Weihnachtsmarkt bin, und ein älteres Paar Händchen halten sehe, tut das weh.“ Ingrid B. hat Mühe, die Tränen zurückzuhalten.

Mit diesem Gefühl ist sie nicht alleine, weiß Trauerbegleiterin Christina Paul von der Ökumenischen Hospizgruppe Kaiserswerth. „Die Weihnachtszeit ist eine Zeit voller Rituale und Erinnerungen“, sagt sie. Doch obwohl in der Adventszeit besonders viel Schmerz aufkommt, ist Trauer im Dezember ein größeres gesellschaftliches Tabu-Thema als ohnehin schon. „Es geht viel um Harmonie und Familie. Trauer hat keinen Platz.“ Viele haben das Gefühl, ihre Trauer zurückhalten zu müssen, um Ansprüchen gerecht zu werden. Auch wenn Trauer mit negativen Gefühlen behaftet ist, hat sie aber auch etwas Positives: „Trauer ist ein Zeichen der Liebe und bringt einen Menschen weiter.“

Trauerbegleiterin Christina Paul rät, offen über Gefühle zu sprechen.

Trauerbegleiterin Christina Paul rät, offen über Gefühle zu sprechen.

Foto: Sophia Kupferschmidt

Hiltrud S. fällt die Weihnachtszeit auch besonders schwer. Sie war mit ihrem Mann 62 Jahre verheiratet, bevor er vor drei Jahren gestorben ist. „Mein Mann war mein Lebensmittelpunkt“, sagt sie. „Bis zum Schluss waren wir ein Liebespaar.“ Ihr fehlen vor allem die vertrauten Umarmungen. Sie frage sich immer wieder: „Warum hat man meinen Mann von mir fortgerissen?“

An Weihnachten hat das Paar im Wintergarten den Baum liebevoll geschmückt, blickt sie auf glückliche Zeiten zurück. Es habe lange gedauert, bis sie den Wintergarten nach seinem Tod wieder betreten konnte. „Ich möchte keinen Weihnachtsbaum mehr“, sagt dagegen ihre Freundin Ingrid B. Die beiden haben sich bei den Trauerveranstaltungen des Hospizvereins kennengelernt. Beiden habe es dort sehr geholfen, sich mit Menschen auszutauschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

Trauerphase dauert
drei bis sieben Jahre

Zwei Frauen, beide im dritten Trauerjahr, beide leiden in der Weihnachtszeit an ihrer Trauer. In der Gesellschaft sei oft die Ansicht vorherrschend, dass die schlimmste Trauer nach dem ersten Jahr vorbei sei, so Paul. Dem widerspricht sie: Gerade nach dem ersten Trauerjahr habe der Bekanntenkreis die Erwartung, dass der Trauernde wieder „funktioniert“. Das sei falsch, denn in der Regel dauert der Prozess zwischen drei bis sieben Jahre, erklärt Paul.

Aber welche Tipps kann die Trauerbegleiterin geben, um gut durch die Weihnachtszeit zu kommen? Nach dem Tod eines Menschen müssen sich Trauernde oft „neu finden und definieren“, so die Expertin. Sie empfiehlt: Mut zur Veränderung in der Weihnachtszeit haben, offen für neue Lösungen sein und Einladungen annehmen. Damit meint sie zum Beispiel, Heiligabend anders zu verbringen als vor dem Tod des Verstorbenen.

„Ich verzichte immer noch auf viel Dekoration“, sagt Ingrid B. Trotzdem zwinge sie sich auch für ihre Familie, an Traditionen festzuhalten. „Das fällt mir schwer.“ Hiltrud S. verbringt den Heiligabend ganz anders als vor dem Tod ihres Mannes. Früher hat das Ehepaar seine Kinder nach Düsseldorf eingeladen. Jetzt wird sie alleine mit dem Zug nach Berlin und dann nach Hannover fahren, um ihre Kinder zu besuchen. „Für mich ist das eine neue Erfahrung, früher hätte ich mir das nicht zugetraut.“

Wenn Heiligabend gekommen ist, haben viele Familien eine große Hemmschwelle, über die Person zu sprechen, die nicht mehr mit am Tisch sitzen kann, erzählt Paul. Besser sei allerdings, schöne Erinnerungen zu teilen und den Namen des Verstorbenen bewusst zu erwähnen. „Ich proste meinem Mann an Heiligabend immer zu“, sagt Hiltrud S. In der Familie von Ingrid B. dagegen sei das Thema Tod an Heiligabend bisher vermieden worden. „Das werde ich dieses Jahr ändern“, versichert sie. Wenn sie jetzt allerdings an Heiligabend denkt, werde ihr Herz schwer. Früher habe ihr Mann sie mit Geschenken überrascht, etwa Konzertkarten.

Freunden der Trauernden legt die Expertin ans Herz, den Mut zu haben, sie einzuladen oder sie mit kleinen Gesten wie Plätzchen zu überraschen. Auch auf die Gefahr hin, weggeschickt zu werden, wenn der Trauernde mit seinen Gefühlen alleine sein möchte. Der größte Fehler, den der Bekanntenkreis im Umgang mit Trauernden machen kann, ist Ignoranz – oder den Verlust nicht anzusprechen, erzählt Ingrid B. Auch der Satz „Melde dich“ sei falsch, erzählt Paul. Trauernden fehlt dazu oft die Kraft, besser sei es, selbst den Kontakt zu suchen.

Als Tipp kann Paul trauernden Personen noch mitgeben: „Man sollte sich eingestehen, dass die Weihnachtszeit schwer wird, und sich nichts vormachen.“ So könne man sich dann freuen, wenn etwas Schönes passiert.