„Ich mag es, wenn man durch meine Bilder Lust bekommt, die Menschen kennenzulernen“
Thomas Rabsch, der Fotograf hinter den Spielzeitfotos des Schauspielhauses, über die Entstehungsgeschichte der Fotos und das Ziel seiner Arbeit.
Die Fotografien im neuen Spielzeitheft des Schauspielhauses setzen das Ensemble vor der Baustellenkulisse in und rund um das Schauspielhaus in Szene. Wir sprachen mit dem Schöpfer dieser außergewöhnlichen Bilder, Thomas Rabsch. Ausgebildet an der Essener Folkwangschule, fotografiert der Kölner seit 1996 professionell. Er wurde für seine Arbeiten mehrfach ausgezeichnet.
Wie kam es zu der Idee, diese Fotos zu machen?
Thomas Rabsch: Das ist jetzt das dritte Spielzeitheft in Folge, das ich für das Schauspielhaus fotografiere. Kennengelernt habe ich den Intendanten in Dresden. Was Herrn Schulz wohl angesprochen hat, war das Lebendige in meinen Bildern und dass meine Porträts so wirken, als ob ich die Leute schon lange persönlich kennen würde. Dieses Unmittelbare, meist Improvisierte und nicht Geplante, wollte der Intendant auch für seine Ensemblebilder haben.
Wieso sind die Fotos zum aktuellen Spielzeitheft just auf einer Baustelle, der des Schauspielhauses, entstanden?
Rabsch: Die Idee kam von Intendant Wilfried Schulz. Das Düsseldorfer Schauspielhaus ist von einer Baustelle umgeben und ist derzeit auch selbst eine. Der Spielbetrieb muss mit dem Baustellengeschehen verzahnt werden. Ich habe also im Schauspielhaus Fotos gemacht, dort wo vielleicht ein Eimer Farbe oder eine frisch lackierte rote Tür im Hintergrund war. Und natürlich draußen. Manche Schauspieler bieten mir extrem viel an, da habe ich direkt zwanzig verschiedene Motive. Mit diesen zwanzig Ideen kann ich aber nicht neunzehn andere Schauspieler ausbremsen, weil die Motive schon besetzt sind; deswegen musste ich teilweise doppelt fotografieren, was so gar nicht meins ist - also eine Idee zu wiederholen. Aber das hielt sich letzten Endes in Grenzen, weil extrem viele gute Vorschläge kamen, was man wann und wo machen kann.
Haben die Schauspieler sich selbst den Ort ausgesucht, wo sie fotografiert werden wollten?
Rabsch: Bei den meisten Orten hatte ich die Idee und die jeweiligen Looks kamen von den Schauspielern. Karin Pfammatter hat sich den „Bob der Baumeister“-Pullover extra für das Shooting bestellt. Christian Erdmann kam mit dem Sandkastenspielzeug seines Sohnes Jonas Friedrich Leonhardi in seinem Anzug aus „Der Sandmann“, Lou Strenger in vier verschiedenen Rottönen, Jonathan Gyles als Funk Soul Brother. Ich habe ja 46 Leute fotografiert. Und alle unterschiedlich. Danach war ich kreativ ausgelaugt. Die ganze Umgebung war natürlich wahnsinnig inspirierend auch im Kontrast mit dem stylischen Dreischeibenhaus im Hintergrund. Man konnte da schon so einiges anstellen und vor allem immer wieder neu sehen. Teilweise sah die Baustelle eher wie eine Theaterkulisse aus.
Gibt es für Sie so etwas wie die Ästhetik einer Baustelle, die Sie besonders gereizt hat?
Rabsch: Schwer zu sagen. Klar reizt das typische Jungsspielzeug wie Bagger, Kräne und Kipplaster. Bei der Baustelle war es so, dass die Absperrungen teilweise in schrillem Pink waren, das habe ich überhaupt noch nie gesehen, nicht mal in Köln: Knalligstes Pink. Ich hörte, die sind auch ziemlich schnell geklaut worden. So die ganz spezielle Baustellenästhetik - naja. Der Geruch kam mir irgendwann wieder hoch von der Baustelle: Zement, Zement, Zement.
Kurze Zwischenfrage: Mussten Sie eigentlich einen Helm tragen?
Rabsch: Naja - ich musste einen Helm tragen. Aber wir haben uns teilweise auch so kurz drauf geschlichen. Für fünf Minuten und dann zack wieder runter. Und doch sehen die Bilder nach Leichtigkeit und nicht nach harter Arbeit aus.
Ist Ihnen diese Leichtigkeit besonders wichtig bei ihren Bildern?
Rabsch: Das Gute an den Theaterschauspielern in Düsseldorf ist, dass die total neugierig sind und Spaß haben vor der Kamera zu spielen. Ich greife dann meistens gar nicht so ein. Wir pushen uns eher gegenseitig hoch um manche Idee noch auf die Spitze zu treiben. Aber selbst der Sprung von Cathleen Baumann ist nach drei Bildern im Kasten.
Sie sind also im Dialog?
Rabsch: Wir quatschen eigentlich die ganze Zeit. Für die Dauer der Zeit, die ich die Schauspieler vor der Linse habe, wäre es aber vermessen zu sagen, dass ich den Menschen und dessen wahres Ich dahinter packe. Ich erlebe den Menschen nur so, wie er sich mir präsentiert. Aber es ist so ein gegenseitiges Spiel. Gerade mit dem Düsseldorfer Ensemble macht es wahnsinnig Spaß, zusammen zu arbeiten. Ich habe das so noch nie erlebt. Ich hatte vorher nie Theaterschauspieler fotografiert. Ich fotografiere zwar für alle Magazine dieser Welt, aber die Zusammenarbeit mit dem Theater ist neu. Da ich auch viele Reportagen fotografiere, bin ich es gewohnt, wahnsinnig schnell Situationen zu erfassen, was mir bei Portraits in sofern zu Gute kommt, dass ich auch bei den eigentlich nicht für die Kamera gedachten, viel natürlicheren Posen immer schnell genug den Auslöser drücke.
Was ist Ihnen besonders wichtig bei Ihren Arbeiten?
Rabsch: Ich mag es, wenn man durch meine Bilder Lust bekommt, die Menschen kennen zu lernen. Was es auch immer im Bild ist, was das auslösen soll. Ob es etwas super lustiges, freundliches ist oder etwas aggressives oder distanziertes. Ich möchte in jedem Fall mit den Bildern Interesse an den Menschen wecken. Ich will mein Gegenüber nicht einfach nur schön ablichten. Das machen ganz, ganz viele Fotografen, möglichst schön und positiv fotografieren, schmeicheln, immer perfekt die Kamera ausrichten. Das musste ich mir regelrecht abtrainieren, damit die Bilder eine Art Schnappschuss-Charakter bekommen. Ich will die Porträtierten interessant machen. Wenn sie dabei schön aussehen, ist das gut, wenn nicht, ist es auch nicht schlimm, solange sie zumindest interessant aussehen.
So, dass sie selber neugierig werden würden, wenn sie das Bild sehen?
Rabsch: Ja - es ist oft so, dass ich am Computer sitze und meine Bilder mit viel Spaß wie durch die Augen eines anderen sehe. Ich kann mit Begeisterung meine Bilder distanziert betrachten, jedoch ohne mich dabei selbst zu feiern. Klingt unlogisch, ist aber so.
Bearbeiten sie die Fotos, oder sind sie Purist?
Rabsch: Ich bin kein Purist. Ich gebe die Bilder nie so ab, wie sie aus der Kamera kommen.
Wobei das bei Digitalen Kameras eine Definitionsfrage ist, wie sie aus der Kamera kommen.
Rabsch: Die Definition hat sich irgendein Ingenieur der jeweiligen Kameramarke ausgedacht: „So und so müsste der Durchschnitt der Masse es gut finden.“ Ich arbeite am Rechner genauso wie früher im Labor. Helligkeit, Kontraste, Farbfilterung. Was ich maximal bearbeite, wenn jemand nicht ausgeschlafen ist, sind die Augenringe oder glänzende Haut. Aber die Schauspieler sehen alle auch ohne Photoshop sehr gut aus. Sie stehen nicht umsonst auf der Bühne oder vor der Kamera.
Sehen Sie sich selber eigentlich als Künstler? Eine schwierige Frage, ich weiß.
Rabsch: Andere bezeichnen mich so. Vor allem Musiker. Fotografie gilt als Handwerk und zählt offiziell nicht zu den künstlerischen Berufen.
Ist diese Sicht nicht veraltet?
Rabsch: Ich finde diese Sichtweise auch veraltet und halte sie für Quatsch. Aber jetzt über mich selbst zu sagen, ich bin ein Künstler. Schwierig! Das Etikett macht mich nicht besser. Meine Bilder vom Ensemble sind zumindest allerhöchste Porträtkunst.