Düsseldorf Im Schiffchen kocht die Leidenschaft
Jean-Claude Bourgueil feiert 40 Jahre Spitzengastronomie in Kaiserswerth. Neun Sterne hat sich der 70-Jährige erkocht.
Düsseldorf. Seinen vielleicht wichtigsten Stern hatte Jean-Claude Bourgueil in der Hand, als er zum Messingknauf an der Eingangstür des alten Barockhauses am Kaiserswerther Markt griff. Im September 1977 übernahm der bereits vielfach ausgezeichnete Koch das Restaurant „Im Schiffchen“ in Kaiserswerth. Lachsforellen-Mus und Lamm-Carrée in Blätterteig standen damals auf der Speisekarte. 2017 — in diesem Jahr hat Bourgueil schon seinen 70. Geburtstag gefeiert — werden im Schiffchen mit einem speziellen Wagyu-Menü vier Jahrzehnte Spitzengastronomie gefeiert.
Neun Sterne hat sich Bourgueil in vielen Jahren erkocht, so viele hat sonst keiner in Deutschland. Fast zwei Jahrzehnte hielt er vier Sterne in seinem Haus: drei im Schiffchen, einen im Beiboot Aalschocker, einem Gourmet-Restaurant mit gehobener deutscher Küche, die der Franzose seit jeher liebt. Sauerbraten ist für ihn hohe Schule der Kochkunst, er selbst beherrscht 250 Zubereitungen von Kartoffeln.
Aus dem Aalschocker wurde später Jean Claudes Bistro, das heute als „Enzo“ eine italienische Note hat. „Vier Sterne im Haus klingt gut, sie sind aber Knochenarbeit“, seufzt der vielfach Ausgezeichnete. Wenn er wiederholt betont: „Ich koche nicht für Sterne, sondern für meine Gäste“ - bei ihm klingt das nicht nach Koketterie, eher als ehrliche Zutat einer außergewöhnlichen Karriere.
Die begann so deftig, wie er’s heute noch liebt, auf dem Bauernhof seiner Großeltern in Sainte Maure de Touraine in Frankreich: „Es wurde jeden Tag gekocht, die Familie saß beim Essen zusammen.“ Das allein hat schon Qualität, wie die Zutaten. Für Bourgueil Natur, die der Mensch nicht verändern kann. Aber vielleicht verfeinern.
Der 14-jährige Jean Claude absolvierte eine Kochlehre im Loire-Tal. 1970 kam er nach Düsseldorf, zuerst ins Hilton-Hotel, später dann als Küchenchef in die Walliser Stuben.
Das Lokal, eher unscheinbar auf einer Verkehrsinsel an der Ecke Berliner Allee/Hüttenstraße gelegen, war in den 70-er Jahren der Gourmet-Tempel der feinen Düsseldorfer, einer mit zwei Sternen. Als Bourgueil es verließ, um bei Frickhöfer an der Stromstraße zu kochen, verlosch einer davon. Als er auf Drängen seines Chefs zurückkehrte, ging er prompt wieder auf.
1977 schuf sich Bourgueil dann sein eigenes Himmelreich in Kaiserswerth. „Die ersten Herde kauften wir bei Türken in Grafenberg, das Stück für 100 Mark“, erinnert er sich heute schmunzelnd in seiner blitzsauber gekachelten Schiffchen-Küche: „Damals hatte ich gerade mal 20 000 Mark.“ Aber: „Wir hatten einfach Spaß - wie heute.“
Wenn er erzählt, kocht in ihm die Leidenschaft. Auch wenn’s nicht immer Sternstunden waren — dreimal hat’s gebrannt im Haus.
Als Philosoph unter den Sterne-Köchen hat man ihn schon bezeichnet, der GaultMillau titulierte ihn gar als „Hohepriester der kulinarischen Redundanz“. Dabei ist Kochen für Jean Claude Bourgueil „eine Geschichte ohne Ende. Man kocht einfach immer weiter.“ Aber es sei auch ein kalkuliertes Abenteuer: „Die Leute haben oft viel Geld, wollen es aber nicht ausgeben.“ Und nicht realisieren, dass Qualität ihren Preis hat, haben muss.
Eine gute Ente müsse man heute lange suchen.. „Ich bekomme heute auch kaum noch ein gutes Milchkalb.“ Eines, das auf einer Weide glücklich sein durfte: „Aber wer bezahlt das?“
Zum Beispiel glückliche Gäste der ersten Stunde, die auch nach 40 Jahren immer wiederkommen wie am Dienstag Doris Karsten-Mahnkopf und Klaus-Jürgen Ciper, die dem Jubilar einen eingerahmten Zeitungsartikel zur Eröffnung vor 40 Jahren mitbrachten. Seitdem geben sich in Kaiserswerth die Gäste den sternförmigen Messingknauf in die Hand.