Jürgen Roters im Interview: Der Köln-Düsseldorfer
Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters über seine Zeit in Düsseldorf, Unterschiede und Gemeinsamkeiten.
Sie sind Kölner OB, aber kein Kölner. Wie sehr haben Sie sich der kölschen Seele angenähert?
Roters: Ich komme aus Coesfeld, wohne aber seit 28 Jahren im Rheinland. Und so fühle ich mich auch. Das barocke Rheinland ist mir näher als das Münsterland, was Lebensfreude und Kontaktfreudigkeit angeht. Trotzdem hat man es in Köln etwas schwerer, Vertrauen zu entwickeln und an die Herzen der Menschen heranzukommen, wenn man kein Kölner ist. Da geht viel über die Sprache. Ich habe ja mal bei einer Prinzen-Proklamation versucht, etwas auf Kölsch zu machen, aber das ging fürchterlich in die Hose (lacht). Letztlich aber akzeptieren es die Kölner, wenn da jemand ist, der hart arbeitet, ehrlich und nahe bei den Bürgern ist.
Sie haben 22 Jahre in Düsseldorf gewohnt, haben Sie manchmal Heimweh?
Roters: Ich bin 1987 nach Düsseldorf gezogen. Meine Familie und ich haben uns in Unterbach sehr wohl gefühlt. Auch in meiner Zeit als Kölner Polizeipräsident und später Regierungspräsident sind wir dort geblieben. Für mich als begeisterten Dauerläufer war das ein Paradies, so nah am See zu wohnen. Auch für meine Familie war es sehr angenehm. Wir haben dort Freunde und eine Umgebung, die die Kinder nicht ständig daran erinnerte, dass ich Ober-Polizist war. Mein Lebensmittelpunkt war aber auch da schon Köln; eine Stadt, zu der ich mich immer hingezogen fühlte. Meine Frau und ich lieben die Domstadt mehr als jede andere Stadt. So war der Umzug für uns eine Selbstverständlichkeit. Aber ich schaue immer noch nach Düsseldorf, wie sich die Stadt entwickelt. Zumal auch mein Bruder und einer meiner Söhne hier leben. Heimweh habe ich aber nicht.
Was wäre, wenn der 1. FC Köln gegen Fortuna in der Relegation um den letzten freien Platz in der ersten Fußball-Bundesliga spielen müsste? Dürfen Sie Fortuna dann die Daumen drücken?
Roters: Ganz ehrlich: Ich bin von Kindesbeinen an FC-Fan. Mein Vater war Schiedsrichter und hat uns Kinder öfter zu Spielen nach Köln mitgenommen. Ich war auch ein- oder zweimal bei Fortuna-Spielen, aber im Herzen bin ich beim FC. Allerdings war ich früher begeisterter Anhänger der DEG. Es gab damals fast kein Spiel, bei dem wir nicht waren.
Haben Sie sich in Ihrer Düsseldorfer Zeit auch mal um die Kommunalpolitik gekümmert?
Roters: Nein, bis auf einen Punkt, und darauf bin ich auch stolz: Ich habe damals mitgeholfen, den geplanten Container-Bahnhof hinter dem Unterbacher See zu verhindern. Die Bahn ist letztlich zur Einsicht gekommen, dass man Gefahrgüter-Container nicht direkt an einem Erholungsgebiet umladen kann.
Die Kö steht für Düsseldorf, der Dom für Köln: Stimmen Sie zu?
Roters: Ja, tendenziell ist das richtig. Düsseldorf ist eine Stadt, wo die Menschen mehr Wert auf ihr äußeres Erscheinungsbild legen, in Köln geht es uriger und unverstellter zu. Aber man sollte sich vor Klischees hüten.
Wie ähnlich sind sich Kölner und Düsseldorfer?
Roters (zögert): Es gibt Ähnlichkeiten, die Weltoffenheit und die Lebensfreude. In Düsseldorf gefällt mir der Wille zur Modernisierung, man spürt die Dynamik in der Stadt, neue Themen sind stets zügig aufgegriffen und konsequent umgesetzt worden. Köln ist historisch gesehen eine viel ältere Stadt, sie war nie Residenz — es gibt dort ein sehr selbstbewusstes Bürgertum. Da muss man manchmal mehr Überzeugungsarbeit leisten, vieles dauert länger. Aber Köln hat eine ungeheure Wachstumsdynamik, wenn man sich allein einmal die Wissenschaftslandschaft mit zwölf Hochschulen und über 80 000 Studenten vor Augen führt.
Aber auch hier wird oft kontrovers diskutiert, zum Beispiel über den geplanten Abriss des Tausendfüßlers. Wie ist Ihre Ansicht dazu?
Roters: Ich persönlich halte grundsätzlich nichts von Hochstraßen, der Tausendfüßler ist wie eine Barriere in der Stadt. Da sollte man nicht nostalgisch dran hängen. Es ist immer gut, wenn man Verkehr unter die Erde bekommen kann.
In Köln ist der Klüngel legendär, in der Vergangenheit hat es diverse Skandale gegeben. Auch in Düsseldorf wird im Zuge der Affäre um die städtische Bautochter IDR verstärkt darüber diskutiert, was im Verhältnis von Wirtschaft und Politik erlaubt ist. Kann Düsseldorf etwas von Köln lernen?
Roters: Bei uns hat es einen Selbstreinigungsprozess gegeben, inzwischen haben wir eine Vorreiterrolle. So werden jetzt alle Vorstände bei den städtischen Töchtern unter Einbeziehung von Personalberatern benannt. Früher ist so etwas unter den Parteien aufgeteilt worden. Das gilt auch für den Stadtvorstand — außer dem Stadtdirektor gibt es da keine echten Kölner mehr. Außerdem haben wir Compliance-Regeln für alle Stadttöchter. Das hat sich bewährt, seit drei Jahren haben wir Ruhe. Das tut der Stadt gut.
Köln hat fast vier Milliarden Schulden, Düsseldorf ist schuldenfrei. Beneiden Sie manchmal ihren Düsseldorfer Amtskollegen?
Roters: Und manche Schulden werden in Düsseldorf jetzt auch einfach nur ausgelagert . . . Natürlich ist es angenehmer, wenn man sich nicht ständig um jeden Cent Gedanken machen muss. Aber ich denke, auch wir sind auf einem guten Weg. Unser Ziel ist, 2020 einen ausgeglichenen Haushalt zu haben.
Kommt der Düsseldorfer Weg — Verkauf von städtischem Eigentum zur Schuldentilgung — für Köln nicht in Frage?
Roters: Unser Stadtwerkekonzern bringt jährlich 200 Millionen Euro Gewinn. Davon gehen 100 Millionen an die Verkehrsbetriebe und gut 20 Millionen an die Bäder, der Rest in den städtischen Etat. Dort ist das Geld besser aufgehoben als bei einem Privatunternehmen. In Düsseldorf wurden die Stadtwerke-Anteile zu einem günstigen Zeitpunkt verkauft, es wurde ein sehr hoher Preis erzielt. Dieses Geld ist sinnvoll investiert worden, das war eine gute strategische Leistung. Ob sie auch längerfristig trägt, muss sich erst noch zeigen, das Tafelsilber ist jedenfalls verkauft.
Was wünschen Sie sich von den Düsseldorfern?
Roters: Ich wünsche mir im Umgang mit den Kölnern mehr Gelassenheit — und von den Kölnern umgekehrt manchmal ein bisschen weniger Gehässigkeit.