Aufführung „Auf Klassenfahrt“: Quietschbunte Klassenfahrt mit Arschbomben

Düsseldorf · Im Jungen Schauspiel an der Münsterstraße offenbarte die Premiere Musiktheater auf hohem Niveau.

Selin Dörtkardeş, Paul Jumin Hoffmann, Maria Perlick, Bernhard Schmidt-Hackenberg, Eduard Lind und Marie Jensen in „Auf Klassenfahrt“. Foto: D. Baltzer

Foto: David Baltzer

Juckpulver in die Schuhe von Mitschülern und Lehrern streuen, grüne Tinte in Seifenspender füllen oder das Handy mitnehmen – „Auf Klassenfahrt“ kommt es zu manchem Unerlaubten. Zumindest gibt Thilo Reffert in seinem gleichnamigen Stück Kindern und Jugendlichen so manche Tipps für kommende Ausflüge, die besonders unter Grundschul-Lehrern gefürchtet sind. In einer turbulenten, auf Tempo und teilweise urkomische Typen getrimmten Inszenierung in knalligem Rot-Gelb-Blau-Grün (Regie: Frank Panhans, Ausstattung: Jan A. Schroeter) feierte „Auf Klassenfahrt oder Der große Sprung“ jetzt Deutschland-Premiere. Zu der ins vollbesetzte Junge Schauspielhaus an der Münsterstraße, trotz des sonnigen Sonntagnachmittags gleich drei Grundschulklassen samt Pädagogen angereist waren.

Der „‚große Sprung“ ist Teil des Wettbewerbs „Arschbombenspiel“, in dem Pennäler ausgelassen von einem Sprungbrett ins Wasser platschen. Als Comic Show im Finale in Szene gesetzt. Das Außergewöhnliche an der Produktion aber: Eigens für die Düsseldorf-Premiere komponierte Wolfgang Böhmer eine Bühnen-Musik für Marimbaphon und Akkordeon, die live von Matthias Haus und Alexander Pankov gespielt wird. Sie begleiten nicht die Songs der sechs Darsteller, sondern sorgen für eine im Jugendtheater extravagante Atmosphäre. Pankov und Haus untermalen Sprechgesang im Diseusen-Stil der 1920er Jahre, schicken Akkorde und Cluster wie in einer Filmmusik in den Raum, mischen verschiedene Musikstile wie Pop und Rap mit Dialogen zum neuartigen Genre eines musikbetonten Jugendtheaters.

Eine Schülerin setzt alles daran, nach Hause geschickt zu werden

Um Unterhaltung geht es nur vordergründig. Denn im Zentrum steht das Mädchen Tami Vischer, das nicht gemobbt wird, sondern sich selbst zielstrebig zur Außenseiterin macht. Sie will gegen die Regeln verstoßen, um von der Lehrerin, Frau Heller, nach Hause geschickt zu werden. Noch nie hat Tami (bewegend und mit Tiefgang gespielt von Marie Jensen) woanders geschlafen als bei ihren Eltern, singt sie. Vor ihren Klassenkameraden entschuldigt sie ihre Entgleisungen mit ‚Ich bin hochbegabt’. Ein Argument, das häufig in sogenannten „Eltern-Gesprächen“ zur Sprache kommen soll.

In der Jugendherberge angekommen, klatscht Frau Heller in die Hände und ruft „Wir versammeln uns“- oder „Ihr Lieben, es geht zum Essen“. Maria Perlick nimmt in dieser Rolle bekannte Klischees von Grundschul-Lehrerinnen auf den Arm, zeigt ein liebevolles Zerrbild die Stereotypen von verständnisvollen, putzmunteren Musterpädagoginnen mit ihren Spleens (wie Panik vor schmutzigem Wasser etc.). Sie nimmt Tami stets in Schutz, entschuldigt ihre Verfehlungen als alberne Dummheiten, um sie nicht bestrafen und damit nach Hause schicken zu müssen.

Geschickt bauen Autor und Regisseur Panhans die männliche Gegenfigur auf: Der Schülervater Herr Schumacher, der seinen schwierigen Sohn Karl begleiten muss, weil sein Spross bei der letzten Fahrt wegen übler Späße von Schüler-Versteherin Frau Heller nach Hause geschickt werden musste. In dieser Partie lässt Paul Jumin Hoffmann die Sau raus. Er tobt sich aus – als Draufgänger, der scharf auf die Lehrerin ist, plötzlich als strenger Vater, dann als Entertainer, der das finale „Arschbombenspiel“ moderiert. Hoffmann bietet eine Comedy-Karikatur auf die DSDS-Shows mit kreischenden Ansagen, Spritzpistole und Goldgürtel, den er der Siegerin Tami verleiht.

Fazit: „Auf Klassenfahrt“ beleuchtet Mechanismen und Gepflogenheiten von Schulfahrten, ebenso die manchmal kuriosen Beziehungen unter Schülern und zwischen Vätern und schwierigen Söhnen. Das alles musikalisch-komödiantisch kunterbunt verpackt, gewürzt mit einem Schuss Nachdenklichkeit. Wiederkennungswert von beteiligten Personengruppen inklusive. Für alle ab acht oder neun Jahren, sicherlich nicht ab sechs (wie es auf dem Plakat steht).

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