Düsseldorf Kita-Inklusion: Ärger um neue Reform

Caritas und Diakonie befürchten einen Qualitätsverlust bei der Förderung von Kindern mit Behinderung.

Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Seit Herbst letzten Jahres ist die Betreuung von Kindern mit Behinderung in Tagesstätten neu geregelt. Statt integrative Gruppen finanziell zu unterstützen, konzentriert sich der Landschaftsverband Rheinland (LVR) nun auf die individuelle Förderung von Kindern mit Handicap. Kita-Träger kritisieren die Umstellung. So meint Stefan Paschmanns, bei der Diakonie verantwortlich für die Tageseinrichtungen: „Die Betreuungsqualität hat sich durch die Reform nicht verbessert.“

Beglich früher der Landschaftsverband die Kosten für therapeutisches Personal in den Einrichtungen, so sind für die Behandlungen nun die Krankenkassen als Kostenträger verantwortlich. Die Konsequenz: Viele Kita-Träger können sich therapeutisches Personal nicht mehr leisten. Notwendige Termine beim Logopäden oder Physiotherapeuten müssen nun außerhalb der Kita in ortsnahen Praxen erfolgen. „Für Kitas, die früher ein festes Therapeutenteam hatten, wird die Umstellung ein Qualitätsverlust bedeuten“, ist sich Rheinhold Gesing, Fachberater der Caritas, sicher.

Zudem gilt durch die Reform: Für zusätzliche Fachkräftestunden des pädagogischen Personals stellt der LVR den Kita-Trägern pro behindertem Kind nun eine Pauschale von 5000 Euro für zur Verfügung.

„Das ist für den Landschaftsverband eine günstige Alternative zum vorherigen Modell“, sagt Paschmanns und rechnet vor: „Früher wurde eine Therapeutenstelle mit durchschnittlich 50 000 Euro im Jahr finanziert.“

Das Fehlen von therapeutischem Personal in den Kitas bemängelt auch Bastian Schneiders, Gruppenleiter der Evangelischen Kindertagesstätte in der Vlattenstraße. Zusammen mit einer pädagogischen Mitarbeiterin betreut der 34-jährige 19 Kinder in seiner Gruppe, darunter zwei mit einer Behinderung.

„Als ausgebildete Erzieher können wir die Kinder mit Handicap betreuen, aber für eine ausreichende Förderung fehlt es uns an therapeutischem Fachwissen“, sagt Schneiders und ergänzt: „Wenn Inklusion in der Kita funktionieren soll, dann dürfen Therapieangebote nicht nach außen verlagert werden.“ Ähnlich sieht es auch Gesing: „Wie wertvoll die enge Kooperation von Therapeuten und Pädagogen für die Förderung der Kinder ist, wird von der Gesundheitspolitik verkannt.“

Dem Argument, das der Landschaftsverband durch die neue Regelung Geld einspart, will LVR-Pressesprecher Till Döring nicht widersprechen. Trotzdem sieht er in dem neuen Konzept einen großen Vorteil: „Früher waren die vorhandenen Therapieangebote in den Einrichtungen oftmals nicht passgenau zu den vielfältigen Bedürfnissen der Kinder. Durch die Auslagerung müssen Eltern die Kita-Wahl nun nicht mehr an die dort vorhandenen Therapieangebote knüpfen, sondern können frei entscheiden, in welche Regeleinrichtung sie ihr Kind schicken.“

Um den Kitas Zeit zu geben, sich an die Änderungen anzupassen, hat der Landschaftsverband eine Übergangsfrist beschlossen. Erst zum Kindergartenjahr 2016/17 wird er sich vollständig aus der Therapeutenfinanzierung zurückziehen. „Wir beobachten die weitere Entwicklung sehr genau“, so Döring. „Falls Regulierungsbedarf entsteht, wird nachgebessert.“