Pro und Contra Kommt die Wiedereröffnung der Umweltspur zum richtigen Zeitpunkt?
Düsseldorf · Die Reaktivierung der Umweltspuren sorgte unter anderem bei der CDU für Kritik. Deshalb erörtern zwei unserer Autoren an dieser Stelle das Für und Wider der Entscheidung.
Seit Mittwoch sind die Umweltspuren auf der Merowingerstraße, der Prinz-Georg-Straße und der Werstener Straße wieder aktiviert – und haben am ersten Tag auch für Staus gesorgt. Eine Regelung hat sich nach Angaben der Stadt zu den Vor-Corona-Zeiten geändert: Auf den Umweltspuren dürfen weiterhin Busse, Fahrräder, Taxen und elektrisch betriebenen Fahrzeuge unterwegs sein, nicht aber mehr Fahrgemeinschaften. Für sie seien die Spuren aufgrund der Regelungen der neuen Straßenverkehrsordnung nicht mehr freigegeben. Die Beschilderung wurde entsprechend angepasst. Parallel zur erneuten Öffnung werden nun auf den öffentlichen Parkplätzen wieder Gebühren erhoben. Und die Rheinbahn fährt wieder nach dem normalen Fahrplan, mit Ausnahme des Nachtexpress. Sie hatte zwischenzeitlich wochentags auf den Samstagsfahrplan umgestellt.
Die Reaktivierung der Umweltspuren sorgte unter anderem bei der CDU für Kritik. Deshalb erörtern zwei unserer Autoren an dieser Stelle das Für und Wider der Entscheidung.
Ja In dem Maße, in dem sich das Leben normalisiert, sollte es der Umweltschutz auch.
Von Christian Herrendorf
Viele Geschäfte oder zumindest Teile davon sind geöffnet, einige Jahrgänge besuchen die Schulen, Museen zeigen wieder ihre Ausstellungen – das Leben hat sich in Düsseldorf ein Stück normalisiert. Das lässt sich an einer Stelle leicht erkennen: auf der Straße. Während die großen Achsen der Landeshauptstadt zeitweilig aussahen wie ein Naherholungsgebiet, ist inzwischen wieder ordentlich was los. Und deshalb ist es auch richtig, die Umweltspuren zu reaktivieren und damit auch bei der Luftreinheit wieder zu etwas Normalität zu kommen. Die Umweltspuren sind sicherlich kein Allheilmittel für die Belastungen der Pendlerstadt. Aber sie sind ein Zeichen, dass wir an eine Grenze gekommen sind, dass wir etwas verändern müssen und dass sich parallel dazu auch bei den Alternativen zum Auto etwas tut. Und dieser Erkenntnis-Prozess, der vor Corona begonnen hatte, sollte sich nun fortsetzen können. So ist beispielsweise am Mittwoch mit den Umweltspuren ein weiterer Park&Ride-Platz eröffnet worden.
Die Umweltspuren waren außer Kraft gesetzt worden, weil in der ersten Hochphase der Pandemie Bus und Bahn nicht die Verkehrsmittel der Wahl waren und das Auto mehr Sicherheit versprach. Inzwischen aber ist die Rheinbahn sehr gut auf Corona eingestellt, die Nahverkehrsnutzer halten sich an die Maskenpflicht, Abstände werden eingehalten, Mitarbeiter und Fahrgäste geschützt. Und auch weil immer noch viele Menschen zu Hause arbeiten oder sind, stehen Gedränge in den Bussen oder Bahnen derzeit nicht zu befürchten.
Nein Jetzt ist die Priorisierung falsch, weil eben noch nichts „normal“ sein kann.
Die Rückkehr zur verantwortungsvollen Normalität, die Ministerpräsident Laschet (CDU) seit Wochen anpreist und Düsseldorfs OB Geisel (SPD) mit Schubkraft lebt, macht auch vor der Umweltspur nicht Halt. Das Projekt lebt wieder. Aber: Verantwortungsvoll ist das nicht. Weil die Coronakrise eben nicht dadurch beendet wird, dass man die „Umweltkrise“ wieder in den Blickpunkt rückt. Düsseldorf gibt auf einen Schlag den vorsichtigen Ansatz bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf und befördert jene Art der Mobilität, die man noch vor Tagen verteufelt hatte. Auf die Menschen wirkt das verunsichernd. So klar die Restriktionen sein mussten, so vollkommen muss der Schritt zurück nicht sein: Sind Abstandsgebot und Hygieneregeln auch eingeübt, so bleibt’s absurd, jetzt auf das Vollprogramm zu setzen und den Menschen per Umweltspur aufzugeben, jetzt auf die „Öffis“ umzusteigen und das Risiko im Dienst der (Umwelt)-Sache zu erhöhen. Denn das ist ja noch da: Virenbelastete Aerosole sind in vollen Bahnen kaum aufzuhalten.
Dazu kommt eine städtische Wirtschaft, die ein den Bürgern letztlich zugute kommendes Anrecht darauf hat, aus einer unverschuldeten Krise heraus gekurbelt zu werden – noch dazu in einem Bereich, in dem wirklich verantwortungsvoll mit Platz und Mensch umgegangen wird. Zu diesem Anspruch zählt nicht, dass man zweifelnde Kunden durch Zusatzbelastungen wie Umweltspur und daraus resultierenden Staus in dieser prekären Phase das Einkaufserlebnis verleidet.