Interview Kripo-Chef Markus Röhrl: Das wird aus der Akte „Casablanca“

Der neue Kripo-Chef Markus Röhrl über Kriminelle aus Nordafrika, Einbrüche und die Verbrecherjagd am PC.

Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Markus Röhrl hat die ersten 100 Tage als neuer Leiter der Polizeidirektion Kriminalität hinter sich gebracht. Im Gespräch mit der WZ bilanziert der Chef von 600 Ermittlern, welche positiven und negativen Entwicklungen es 2016 gab, wo die Herausforderungen für die Zukunft liegen — und wie moderne Technik helfen kann, sie zu bewältigen.

Herr Röhrl, 100 Tage als oberster Kripo-Chef — wie fühlen Sie sich?

Markus Röhrl: Es ist eine spannende Aufgabe — aber auch keine leichte. Die Kriminalitätsbelastung ist in Düsseldorf in bestimmten Delikten nun einmal besonders hoch. Diese ersten 100 Tage habe ich mir Zeit genommen, die Behörde, die Stadt und die Kriminalitäts-Hotspots kennenzulernen. Jetzt ist die Zeit, das eine oder andere strategisch anzupacken.

Zum Beispiel?

Röhrl: Wir lassen das Auswerteprojekt „Casablanca“ zu nordafrikanischen Tatverdächtigen auslaufen und versuchen, stärker in den operativen Bereich zu kommen. Mit der Sammlung von Daten wollten wir erst mal Bodenhaftung bekommen, das Phänomen und die Täter kennenlernen. Ziel war, aus vielen Informationen ein Bild zu formen, um Maßnahmen zielgerichteter auf Intensivtäter ansetzen zu können. Das wollen wir jetzt tun, um dieses spezifische Kriminalitätsphänomen zurückzudrängen.

Und wie?

Röhrl: Wir haben bereits mehr Kräfte — uniformiert und in Zivil — dort auf die Straße gebracht, wo die Täter ihre Opfer suchen, speziell in der Innenstadt. Zudem haben wir eine Ermittlungskommission gegründet, die sich nur um Intensivtäter im Bereich Taschendiebstahl kümmert. Da sind wir nach wie vor in Düsseldorf hoch belastet — auch im Vergleich zu anderen Polizeibehörden. Bei allen Kriminalitätsfelder hat Düsseldorf eigentlich immer 50 Prozent der Taten, die in Köln verübt werden. Nur beim Taschendiebstahl sind beide Städte fast gleichauf. Düsseldorf ist für die Täter eben sehr attraktiv.

Viel wurde darüber diskutiert, ob die Straßenkriminalität durch die jüngste Flüchtlingswelle gestiegen ist. Viele Menschen scheinen das zu glauben. Ist es so?

Röhrl: Nein, das kann ich überhaupt nicht bestätigen. Die Zuwanderung aus den Kriegsgebieten in Syrien und im Irak hat keinen Effekt — und die Täter aus dem Casablanca-Projekt sind ja auch keine Flüchtlinge, sondern zum großen Teil seit vielen Jahren hier. Der Anteil von Menschen aus den originären Flüchtlingsländern an den Tatverdächtigen ist sehr, sehr unauffällig.

Und die Straftäter aus Nordafrika: Kann man gegen sie nicht härter vorgehen?

Röhrl: Es gibt einen sehr engen Austausch mit dem Ausländeramt der Stadt mit dem Ziel, Kriminelle, die hier kein Bleiberecht haben, auch aus Deutschland auszuweisen. Die Polizei liefert die dringendsten Intensivtäter, und die Stadt intensiviert dann die Maßnahmen, um sie abzuschieben. Im Sommer ist das angelaufen, wie erfolgreich es ist, müssen wir dann im Einzelfall sehen. Das Abschieben nach Marokko etwa ist sehr schwierig — weil die Straftäter mit einer marokkanischen Airline ankommen müssen, aber genau wissen, dass der Pilot sie nicht an Bord nimmt, wenn sie sich sehr aggressiv verhalten. Bei dem verurteilten Taoufik M. — dem so genannten „König der Diebe“ — hat es einige Anstrengung und viele Versuche gebraucht, bis er jetzt in sein Heimatland gebracht werden konnte.

Wo lagen in diesem Jahr sonst die besonderen Herausforderungen?

Röhrl: Es bleibt generell die Eigentumskriminalität. Nach wie vor Einbruch — auch wenn die Zahlen seit einigen Monaten rückläufig sind. Wir haben etwa ein Viertel weniger Fälle als im Vorjahr. Das zeigt, dass unsere Maßnahmen erfolgreich sind. Besonders bei der Prävention: Inzwischen sind etwa 55 Prozent der Einbrüche „nur“ Versuche. Es ist ein Indiz, dass die technische Sicherung besser wird — und das hat starken Einfluss auf die Zahlen. Da bleiben wir dran: Polizeipräsident Norbert Wesseler unterzeichnet jetzt einen Vertrag mit der Arbeitsgemeinschaft der Wohnungsunternehmen in Düsseldorf, dass deren Mitglieder ihre Häuser aufrüsten, Mieter sensibilisieren und die Polizei dabei unterstützt.

Gibt es weitere positive Entwicklungen?

Röhrl: Bei der Bekämpfung der Kfz-Kriminalität haben wir gute Erfolge. Generell sind Straßen- und Gewaltkriminalität in Düsseldorf unauffällig, sogar rückläufig. Uns geht es besser als anderen Städten — auch in direkter Nachbarschaft — mit zum Teil stark belasteten Stadtteilen. Da gibt es Bereiche und Straßenzüge, wo Klientel wohnt, die bei jedem Polizeieinsatz sehr massiv auftritt. Etwas wie zuletzt in Düren, wo zehn Polizisten bei einer Kontrolle zum Teil schwer verletzt wurden, hatten wir zum Glück nicht.

Sie haben das Cybercrime-Kompetenzzentrum des LKA mitaufgebaut und angekündigt, auch die Düsseldorfer Kripo moderner machen zu wollen. Wie läuft das?

Röhrl: Das „Predictive Policing“ mit einer Software, die künftige Einbruchsschwerpunkte ein Stück weit vorhersagen soll, wird gerade aufgebaut und startet im Januar. Einer meiner neuen Kriminalinspektionsleiter kommt aus Duisburg und hat dort schon Erfolge mit der Technik erzielt.

Ist das Konzept der Vorhersage von Straftaten durch Computer weiter ausbaufähig?

Röhrl: Ein Mitarbeiter war gerade in Los Angeles, wo die Algorithmen auch auf andere Kriminalitätsfelder angewandt werden. Das ist interessant. Aber wir wollen es erst einmal mit dem Einbruch testen — auch weil diese Taten sehr belastend für die Bevölkerung sind. Ich bin vorsichtig optimistisch, dass die Software uns unterstützen wird. Mit dem Tom-Cruise-Film „Minority Report“, wo Menschen für Straftaten verhaftet werden, die sie in der Zukunft begehen würden, hat das aber alles nichts zu tun. Wir wollen mit moderner Auswertetechnik und polizeilichen sowie allgemein zugänglichen Informationen ortsteilbezogene Belastungen vorher identifizieren, um Einbrüche möglichst zu verhindern.

Moderner werden — das bedeutet für Sie aber nicht nur in technischer Hinsicht, oder?

Röhrl: Nein, wir müssen auch generell gucken, ob wir eine moderne Direktion sind — was Personalentwicklung und Führungsqualität angeht. Wir stehen im Wettbewerb mit anderen Polizeibehörden im direkten Umfeld, mit einem sehr modernen LKA. Damit gute Leute in Düsseldorf bleiben, müssen sie hier auch ihr Entwicklungspotenzial ausschöpfen können.