Am Ende sind alle Opfer
Im Rahmen von „kairobeirut“ zeigt das FFT ab Samstag ein Stück über den Libanonkrieg.
Düsseldorf. Es sieht zunächst nach einem Stepptanz aus, was der Schauspieler Markus Schöttl bei der Probe vollführt. Leise klacken die metallbeschlagenen Schuhe, doch allmählich klingt das Stepstakkato eher wie Gewehrfeuer. Stück für Stück zerbrechen kleine Gipsziegel auf der Bühne, bis nur noch ein Scherbenhaufen übrig ist. Regisseurin Anna Malunat probt das Stück "Sitt Marie-Rose" nach dem gleichnamigen Roman von Etel Adnan, eine Koproduktion des FFT mit dem Theater Oberhausen.
Der erste Teil spielt zu Beginn des Libanon-Kriegs und schildert die Begegnung der Erzählerin mit Mounir und seinen Freunden Foud, Pierre und Tony, die der christlichen Jeunesse dorée in Beirut angehören. Im zweiten Teil begegnet Mounir als Kommandeur einer Miliz seiner Jugendfreundin Sitt Marie-Rose, die mit einem Palästinenser befreundet ist, verhört sie und lässt sie zu Tode foltern.
Für die junge Regisseurin eine hochkomplexe Geschichte, die zeigt, was Menschen anderen Menschen antun können, wenn der gesellschaftliche Konsens und selbst eine alte Liebe nicht mehr gilt.
Für ihre Theaterfassung hat Malunat die Struktur des Romans beibehalten, verschmilzt allerdings die Figur der Erzählerin mit der von Sitt Marie-Rose in einer Schauspielerin. Die Titelfigur, die tragische Züge besitzt, bringe bei den jungen Milizionären, alles in Wanken, sagt die Regisseurin. Ihr Anführer Mounir sei ein schicksalsergebener Mensch, der sich nach einem klaren Weltbild sehnt. Die im Verhör kurz wieder aufkeimende Liebe zu Sitt Marie-Rose tötet er ab. Am Ende sind alle Opfer.
Diesen Teil des Stücks inszeniert die 29-jährige Regisseurin gerade nicht psychologisch, wie man erwartet hätte: "Ich will Spots auf Situationen richten, die extrem sind." Ihr geht es um Formen der Abhängigkeit, um Vergewaltigung und Kreuzigung, um rituelle Formen der Gewalt.
Ganz anders dagegen der erste Teil, dem Anna Malunat in der letzten Probenwoche noch einen stark rhythmisch-musikalischen Akzent verleihen will. Kein Wunder, hat die junge Regisseurin doch an der Bayrischen Theaterakademie Musiktheater- und Schauspielregie studiert und wiederholt bei Opernregisseur Peter Konwitschny assistiert.
Uraufführungen des zeitgenössischen Musiktheaters nehmen in der Inszenierungsliste von Anna Malunat deshalb auch einen breiten Raum ein; sie hat aber auch 2006 Mozarts "Die Zauberflöte" in Cottbus inszeniert und ist gleichfalls im Sprechtheater zuhause. So nahm sie 2005 auch am "Freischwimmer"-Festival in Düsseldorf teil.