Asphalt-Festival Asphalt-Finale: Mit Bach gegen Hass
Düsseldorf · Zum Abschluss des Sommer-Festivals wurde es mit „Hymne an die Liebe“ nochmals sehr politisch.
Dass das Asphalt-Festival eine Vorliebe für politisch aufgeladene Kunst hat, ist kein Geheimnis. So war das große Finale im Central auch eine emphatisch politische Kunstaktion zwischen Chor-Performance und Anti-Nationalismus-Demo. Gepaart mit viel Humor, einem Hauch überdrehendem Hass, womit gegen Hass gekämpft werden soll und einer ruppigen Ästhetik, die aber in eine minimalistische Hülle gefügt war. Kunst, die sich bewusst dafür entscheidet politische, diese sind implizit gesellschaftliche Themen, zu thematisieren, muss sich indes immer entscheiden, ob sie nun Propaganda sein will oder eher den Weg einer subtilen ästhetischen Aufladung sucht. Zu viel Subtilität kann am Marta Górnickas „Hymne an die Liebe“, die sich als eine bild- und klangstarke politische Demonstration gebärdet, nicht vorhalten. Der bunt zusammen gemischte Chor, vor einer tristen Betonwand-Kulisse auf einer leicht abgeschrägten hölzernen Fläche bildet die ästhetische Masse, die die Künstlerin mit Hilfe ihres energetischen Dirigats zu einem lebendigen Plakat gegen Nationalismus und Fremdenhass, gegen kirchlichen oder auch anderweitigen Extremismus formte.
Dabei war stets zu spüren, dass der Hass, den man durch ausgewählte Zitate zu skizzieren suchte, durch Gegenhass in der Darstellung neutralisiert werden sollte. Alle Performer drehten stets auf 100 Prozent, bisweilen mit erschreckend hasserfüllter Miene. Im Großen zeigte die Arbeit auf, welche Tendenzen es im heutigen Polen gibt, das „Polentum“ gegen das Fremde und „Nicht-Polnische“ zu verteidigen. Hierzu nutzt man starke Gegenpole zwischen kirchlichen, folkloristischen Reminiszenzen, die man zerstörend bespielt, um dem Nationalen-Irrsinn – so die Grundannahme des Werkes – durch Überdrehung die Maske abzureißen. Stellen aus der Hymne, aus patriotischen Liedern oder Äußerungen verschiedenster Provenienz fügen sich zu einem Staccato sich immer wieder aufbäumender performativer Passagen.
Handpuppen nutzt man, um O-Töne lächerlich zu machen; bindet die erwartbare Kritik seitens konservativer Kreise an das Werk schon implizit in das Werk ein.
Diese Performance dreht sich in schluckaufartigen Schüben um sich selbst und produziert dabei ein mehr und mehr verstörendes Gefühl. Wie erschreckend die simplen und oft dumpfen Botschaften rechtsnationaler Agitatoren sich doch in anderem Kontext geschmeidig in – unverdächtig unschuldige – Nationalfolklore einfügen?
Eines wird deutlich bei alledem: Woran sich die Rechtsnationalen nicht zuletzt schuldig machen, ist, dass sie tief in Nationen verankerte identitätsstiftende Besonderheiten, wie etwa den christlichen Glauben oder einen durch geschichtliches Schicksal erwachsenen patriotischen Opfer-Komplex nutzen, um ihre Machtpolitik mit einer emotionalen Beimischung in die Seelen von Menschen einzustampfen. Górnicka mit ihrem Team – Musik: Teoniki Rożynek, Choreografie: Anna Godowska, Dramaturgie: Agata Adamieck und Bühne: Robert Rumas – stampft zurück und nutzt hierzu aber – zwar gespiegelt – aber im Grunde die gleichen Mittel. Schließlich mündet das Gewitter der Emotionen und Assoziationen in einem berührenden Finale mit Musik von Bach. Die über jedes Prosaische erhabene Kraft des Eingangschores aus der Matthäus-Passion „Kommt, ihr Töchter, helft mir klagen“ wirkt wie ein reinigender Hauch aus himmlischem Friedensklang, aus melancholischer Tröstung mit tiefer Wahrheit.
Doch im Hinterkopf hat der Betrachter, dass hier durch die Verwendung von Bachs Musik zugleich eine Manipulation stattfindet, sie wird effektvoll eingesetzt; ebenfalls ihrer unpolitischen Unschuld beraubt, wenngleich der Zweck ein guter ist: politische Missstände aufzuzeigen. Aber fragen muss man: Heiligt der Zweck die Mittel? Und offen lassen muss man die Frage auch. Denn sie zu beantworten obliegt dem Einzelnen.