Musik Bachs Johannes-Passion: Was wir über das Werk wissen sollten

Düsseldorf · Aschermittwoch – wir nähern uns langsam der Passionszeit. Am 14. März gastiert das Bach Collegium Japan in der Tonhalle mit dem Werk des Meisters. Geleitet wird das Orchester von Masaaki Suzuki.

Frühes Bildnis von Johann Sebastian Bach. 

Foto: picture alliance / dpa/Martin Schutt

Am Aschermittwoch ist alles vorbei – zumindest Karneval, die Fastnacht. Was zeitgleich beginnt, ist die Fastenzeit, die schließlich in die Passionszeit und Ostern münden wird.

Wir möchten uns nicht allzu ausführlich mit den gesellschaftlichen, religiösen oder auch kulturellen Aspekten jener 40 Tage befassen, auch nicht unbedingt mit den Bräuchen an Aschermittwoch. Nicht weil wir es nicht gerne würden – aber es gäbe zu viel darüber zu erzählen und wer will sich mit derartigen Ausflügen aufhalten, wenn es doch eigentlich um Musik geht. Doch die Musik, die wir beleuchten möchten, und dies nicht zuletzt, weil uns in Düsseldorf eine wahrscheinlich bemerkenswerte Aufführung dieses Stückes erwarten wird, ist ohne einige Gedanken über die Passion Christi kaum zu verstehen. Vor allem muss sie im Kontext ihrer Entstehung gesehen werden, als ein Zeugnis gelebten Glaubens zu einer Zeit, als das Kirchenjahr mit seinen sich immer stetig wiederholenden Stationen durchdringend prägend für das Leben und Fühlen der Menschen war.

Um was geht es also? Am 14. März wird das Bach Collegium Japan unter der Leitung von Masaaki Suzuki Johann Sebastian Bachs „Johannespassion“ BWV 245 in der Tonhalle Düsseldorf aufführen. Um 20 Uhr – das sind die Fakten. Doch was ist diese „Johannespassion“ – oder wie es im wörtlichen Titel auf Latein heißt „Passio secundum Johannem“ – und was macht sie, ihre Musik, so besonders, auch für uns heute in einer doch unter gänzlich anderen Vorzeichen lebenden Gesellschaft?

Versetzen wir uns in das protestantische Leipzig des frühen 18. Jahrhunderts. Viele Anlässe des Kirchenjahres, mal größere, mal kleinere, werden auch musikalisch im Gottesdienst umrahmt. Kirchenmusik. Bach schreibt für viele dieser Anlässe Werke, die dafür geschaffen sind, im Rahmen dieser Gottesdienste zu erklingen unter Mitwirkung der ihm zur Verfügung stehenden Musiker und Sänger, aber auch der Gemeinde. In diesem Kontext entstehen auch Passions-Musiken. Oratorienartige Stücke, die mit Wort und Gesang und orchestraler Begleitung die Passion Christi nachzeichnen. Also die in den Evangelien beschriebene Gefangennahme bis hin zu seiner Kreuzigung. Hierbei griff man auf die Lutherübersetzung der Evangelien zurück.

Also Bach schrieb Musik zu dem biblischen Bericht. Doch darüber hinaus gesellte er auch Choräle, die gemeinsam mit der Gemeinde gesungen werden konnten, und das in der biblischen Erzählung Geschehene kommentierend, reflektierend begleiteten und zudem auch Chöre und Arien. Viele Chöre sind dramatische Szenen – sogenannte Turbae –, die die Reaktionen des Volkes in der Geschichte illustrieren sollen. Die Arien, auch gleichfalls frei dazugedichtet, fokussieren sich auf zu der Erzählung analogen Gefühlsreflexionen. Dem Gesamten vorangestellt ist ein monumentales Chorstück, das auf die Passion einstimmen soll. Das Werk ist in fünf „Akte“ gegliedert; teilt sich als Ganzes in zwei Teile.

Von der Johannes-Passion gibt es mehrere Versionen

In der Johannes-Passion orientiert sich Bach an den Evangelienbericht nach Johannes. Man ahnt, dass er auch weitere Passionen geschrieben haben mochte – doch authentisch und vollständig erhalten ist indes nur diese Johannes-Passion, die an Karfreitag 1724 in der Leipziger Nikolaikirche zum ersten Mal aufgeführt wurde und seine in der Anlage noch größere Matthäus-Passion. Übrigens – bei aller Kunstfertigkeit und gerade aus heutiger Perspektive übergroßen Genialität dieser Musik, waren diese Musiken im Grunde Gebrauchsmusik für den Gottesdienst. So verwundert es nicht, wie öfters bei Komponisten dieser Zeit, dass es von der Johannes-Passion mehrere Versionen gibt, mit bestimmten Änderungen.

Bachs Johannes-Passion ist geschrieben für einen vierstimmigen Chor (Sopran, Alt, Tenor und Bass), Solisten, die aber zu der Zeit aus dem Chor heraustraten. Diese singen fallweise die Arien – besondere Rolle kommt dem Evangelisten, den biblischen Erzähler zu, gesungen von einem Tenor und Jesus, der von einem Bass gesungen wird. Die eigentliche Geschichte wird in Rezitativen erzählt. Rezitative (das Wort kommt aus dem italienischen „recitare“, „vortragen“) sind eine besondere Mischform aus Gesang und Sprachen. Ein gesangliches, sparsam musikalisch begleitetes Sprechen, also ein Erzählen. Doch gerade bei Bach wird hier durch die gesangliche Linie das Gesagte auf mannigfaltige Weise illustriert. Hierbei kommen zahllose musikalische Kniffe zum Einsatz, die man teilweise sehr gut auch ohne Vorwissen heraushören kann, die oft aber auch erst bei genauerer Betrachtung der Noten ihr Geheimnis lüften. Musik kann auch ohne zu sprechen „sprechen“. Durch die Tonart, die Intervalle, die Notenlängen oder auch die Richtung der Phrasen, also der musikalischen Linie, die der Komponist wählt.

Das Orchester, das dies alles in unterschiedlichen Besetzungen, je nachdem ob es ein Chorstück oder beispielsweise eine Arie – also ein solistischer Gesang – ist, begleitet, besteht aus: barocken Streichinstrumenten, zwei Flöten, zwei Oboisten, die auch mal Varianten ihrer Instrumente nutzen, einer Laute oder Orgel oder ein Cembalo mit weiteren Bassinstrumenten als Teil eines sogenannten Basso Continuo. Ein begleitendes Bass-Ensemble, das als Fundament unter der Musik kontinuierlich das klangliche Geschehen begleitet. Vielleicht heute vergleichbar mit der Rhythmusgruppe einer Band.

Die Musik mit ihrer emotionalen bisweilen mitreißend dichten und durchweg das Herz berührenden Qualität spricht auch heute noch zu uns. Nehmen wir sie wahrscheinlich heute anders wahr als zu jener Zeit? Findet diese Musik heute auch noch im kirchlichen Kontext statt, so wird sie nicht selten – wie in unserem Fall – auch als Konzert, losgelöst von ihrem ursprünglichen Kontext, aufgeführt. Doch die barocke Klangsprache Bachs, durch ihre Affekte, ihre inneren musikalischen Konstrukte und zeitgleich ihrer zeitlosen berührenden Qualität funktioniert auch so bei uns. Lernt man auch durch einen Blick auf das, wie sich die Religiosität einer Zeit in diesem Werk widerspiegelt, wenn man es möchte, viel über die Menschen des 18. Jahrhunderts. Wobei Ausdruck von Emotionen, von Gefühlen und die in der Musik verborgene Reflexion über Transzendenz zeitlose Qualität haben.

Bachs Musik kann auch für Neulinge mitreißend sein

Gerade in den Chören und Arien treffen wir auf eine Musik, die den Hörgewohnheiten unserer Zeit adäquat auch niederschwellig konsumiert werden kann. Daran ist nichts Schlechtes. In Bachs Musik, die – es mag vielleicht ein etwas abgenutzten Sprachwitz sein – bisweilen fließt wie ein Bach, kann man sich genießend hineinlegen. Auch als Neuling. Keine Scheu! Augen zu, und die fließenden, peitschenden auf- und abwogenden, sich auftürmenden, sich um sich und miteinander drehenden Klänge auf sich wirken lassen, kann auch ein legitimer Zugang zu dieser Musik sein. Genauso legitim, wie der analytische Blick eines Connoisseurs, der sich um historische Aufführungspraxis, Kontrapunkt oder auch Satz und Harmonik kümmernd, in die Feinheiten dieser Musik hineinsteigern möchte.

Dies kann man gewiss auch tun bei einem so spezialisierten Ensemble wie dem Bach Collegium Japan das sich um die historische Aufführungspraxis barocker Musik in ihrer Heimat verdient gemacht hat. Hierzu muss man wissen, dass sich die Art, wie man Musik spielt, im Laufe der Jahrhunderte nicht nur in kleinen Nuancen änderte.

Die Instrumente waren andere, die Weise zu Spielen hat sich verändert, was Noten nun genau aussagen, blieb zwar im Grunde gleich, doch wie diese Noten ausgeformt werden müssen, änderte sich immer wieder. Auch wie schnell, wie laut und wann auf welche Art Passagen zu spielen sind, hat sich in der europäischen Kunstmusiktradition verändert. Es gibt guten Grund, um das Echte und Wahrhaftige zu streiten. Wer möchte denn genau wissen, wie es einmal war. Tonaufnahmen gibt es aus der Zeit nun nicht. Aber es gibt Quellen, es gibt Hinweise und ein sich bewusst mit diesen Quellen auseinandersetzendes Ensemble vermag einen Klang zu produzieren, der wahrscheinlich dem, was damals sich Bach und seine Musiker gedacht haben, schon nahe kommt.

Interpretiert man auch immer aus dem Jetzt heraus, so kann man von dem Bach Collegium Japan und seinem Leiter Masaaki Suzuki eine durchaus an das Authentische sich annähernde Aufführung erwarten. Solisten des Abends sind: Hana Blazikova, Sopran, der Countertenor Damien Guillon, Tenor James Gilchrist als Evangelist, der Tenor Zachary Wilder und Bass Christian Zimmler. Am Cembalo sitzt Masato Suzuki.

Masaaki Suzuki kommt mit seinem Bach Collegium Japan nach Düsseldorf.

Foto: Marco Borggreve

Wieso sollte man hingehen? Ob, um aus Neugier sich mit Bachs Passion zu befassen, vielleicht andererseits, weil man diese Musik ohnehin schon liebt oder auch aus religiösen Motiven, um sich auf die Passionszeit vorzubereiten; ein Besuch dieses Konzertes in der Tonhalle dürfte auf jeden Fall lohnen.

Die in der Reihe „Sternstunden“ geführte Veranstaltung findet am 14. März in der Tonhalle (Ehrenhof) um 20 Uhr statt. Karten gibt es ab 40 Euro bei der Tonhalle. Weitere Informationen zu dem Konzert finden sich online.