Musik Bodenständige Philosophen: AnnenMayKantereit in Düsseldorf

Düsseldorf · Die Kölner Band steht für nachdenklichen, zeitgleich ehrlich-rauen Sound. Sie spielten vor ausverkaufter Halle.

AnnenMayKantereit mögen es nachenklich philsophisch, provokant und zeitgleich ehrlich erdig, wie das Foto treffend illustriert.

Foto: Martin Lamberty

Wenn zwischen „vom Himmel scheißenden Vögeln“ und den „tausend Stäben“ (hier Städte) aus Rilkes Panther nur wenige Takte handgemachte Musik stehen, so haben wir es mit der Kölner Band AnnenMayKantereit zu tun. Diese beiden Textpassagen aus dem Lied „Marie“ von ihrem neuen Album „Schlagschatten“ sind indes nicht zufällig gewählt. Es dürfte zudem auch kein Zufall sein, dass dieses grüblerisch melancholische Lied, das zugleich, wie so vieles im Wirken der Kölner Jungs, etwas brutal Ehrliches, fast Rotziges in sich trägt, am Anfang ihres ausverkauften Konzertes in Düsseldorf stand.

AMK so die Abkürzung für Sänger Henning May, Christopher Annen und Severin Kantereit, zu denen sich seit 2014 auch E-Bassist Malte Huck gesellt – aber keinen Platz im Bandnamen haben darf –, sind ein besonderes musikalisches Phänomen, das ganz trefflich in unsere Zeit passt, zugleich auf bestimmte Art zeitlos ist. Aber um nochmal auf die Vögel und das berühmte Rilke-Gedicht zurückzukommen.

In dieser Melange, die einen inhärenten Bruch in sich trägt, liegt das „Geheimnis“ der Band. Philosophische Ansätze, zumindest soweit sich dies in immer noch eingängige Lieder einbinden lässt, verpacken sie mit einer alles überspannenden Direktheit. Mit Themen, die vor allem jungen Menschen in ihrem Leben begegnen, aber eigentlich jeden Menschen umtreiben, treffen sie einen Nerv bei dem Publikum. Lethargie, Lustlosigkeit, Aufbegehren gegen Angepasstheit und ein immer wieder aufkeimendes Beleuchten von aus der Zeit entsprungenen gesellschaftlichen Phänomenen, gerne verpackt in kondensierte Figurenporträts, wie etwa in „Jenny Jenny“.

Zeitlos wird AMK durch ihren weitestegehenden Verzicht auf musikalische Effekthascherei. Die deutschen Texte werden mit eingängigen, gut geformten melodischen Phrasen versehen, die auch mal etwas stolpern dürfen, begleitet von stilistisch gerne etwas variierenden Strukturen. Mal ganz in Singer/Songwriter Manier, mal mit Anleihen in der Requisitenkiste deutschen Rock/Pops.

Mays Stimme trägt eine mitschwingende Tragik in sich

Der Klang der Band wird maßgeblich von einem unprätentiösen, handgemacht wirkenden, Sound, der durch das Trompetenspiel von Ferdinand Schwarz ergänzt wird, und vor allem von Mays Stimme geprägt. Diese hat ein brüchiges Timbre, das beim Forcieren ins Raue wechseln kann. Mays Stimme trägt eine immer mitschwingende Tragik in sich, ist tendenziell eher dunkel gefärbt, aber ohne in die Wucht eines Baritons zu kippen.

Er singt bei genauem hinhören bisweilen recht hoch. Hört man die Songs der Band auf Konserve, herrscht die kontemplative Innerlichkeit vor, die aber immer etwas gebrochen wird. Live indes verliert sich diese sonderbare Mischung ein wenig. Mays Stimme bekommt sogar etwas schmerzhaft Übersteuertes. Der Klang wird in Konzertlautstärke deutlich aggressiver als auf Aufnahmen. Allerdings schien sich die Lautstärke im Laufe des Konzertes etwas zu nivellieren.

Auf der Bühne, die zunächst in großen Teilen von einem schwarzen Vorhang verdeckt ist, spiegelt sich die „authentisch“ wirkende Erdigkeit gepaart mit dem intellektuellen Einschlag der Gruppe, die ihre Ursprünge in einer Schulband am Schiller-Gymnasium in Köln hat. Heute werden die Jungs von großen Musikvermarktern unterstützt. Seit Januar durch BMG. Nach einigen Liedern öffnet sich dieser Vorhang und zeigt ein großes mit weißen Blättern oder Lammellen gestaltetes Feld, das angeschrägt von der Decke hängt. Die Lamellen bewegen sich wie im Wind, können zeitgleich als Projektionsfläche für Videosequenzen dienen, untermalen den oft tiefgründig wirkenden Inhalt der Songs.

Diese können existentiell sein wie in „Sieben Jahre“, der auf erschütternd konzentrierte Weise Verlust thematisiert. Oder im gleichen Moment vor Banalität strotzen; doch genau das ist die Gegensätzlichkeit, die dieser Band eine längere Halbwertszeit als anderen Kollegen gleichen Schlags bescheren dürfte.

Natürlich gab es bei den Fans der Band in der Halle an der Siegburger Straße zurecht Euphorie für dieses Konzert.