Schauspielhaus Chefdramaturg Robert Koall reist nach Clausnitz
Der zukünftige Chefdramaturg des Schauspielhauses traf in Clausnitz den 15 Jahre alten Jungen, der aus dem Bus gezerrt wurde. Sein Facebook-Beitrag dazu wurde mehr als 8600 Mal geteilt.
Düsseldorf. Robert Koall wechselt im Sommer nach Düsseldorf. Derzeit ist er Chefdramaturg am Staatsschauspiel in Dresden, einer Stadt, wo das Thema Pegida omnipräsent ist. Dazu haben Koall und Kollegen stets klar Stellung bezogen.
Herr Koall, warum sind Sie am Sonntag nach Clausnitz gefahren?
Robert Koall: Als ich am Freitagabend den Bericht im Fernsehen gesehen habe, wurde mir kotzübel. Das ist vielleicht naiv, aber ich wollte reagieren. Und diese Schwärze aus dem Kopf kriegen.
Was haben Sie erlebt?
Koall: Eine menschenleere Gegend. Clausnitz ist ein Niemandsland, es gibt nicht einmal einen Supermarkt dort. Ich habe in dem Haus, in dem die Flüchtlinge untergebracht wurden, geklingelt. Ein ganz normales Wohnhaus. Überraschend war dann, dass ausgerechnet der Luai, der Junge, den die Polizei aus dem Bus gezerrt hat, die Tür öffnete. Das war eine sehr bewegende Begegnung.
Waren Sie privat dort oder als Theaterakteur?
Koall: In diesem Fall privat.
Das Staatsschauspiel Dresden steht für eine Haltung. Die Inszenierung von Max Frischs „Graf Öderland“ nimmt Bezug auf Pegida, an der Theaterfassade wird auf einem Transparent ein „weltoffenes Dresden“ gefordert, Sie selbst üben öffentlich Kritik an reaktionären Kräften. Wird man im Pegida-Land Dresden zwangsläufig ein politischer Theatermann?
Koall: Wir sind in unserem Selbstverständnis immer schon politisch gewesen. In den vergangenen zwei Jahren ist dies jedoch sicherlich noch deutlicher geworden. Das Theater existiert ja nicht in einem luftleeren Raum, sondern muss sich in der Welt verhalten und Fragen stellen. Um uns herum passiert gerade viel und das Theater bringt sich ein.
Was, glauben Sie, bewegt Ihr Theater konkret?
Koall: Theater kann ein Mutmacher sein und helfen, Debatten in ihrer Komplexität zu begreifen, diese überhaupt erst zuzulassen. Bei unseren Diskussionsrunden zu „Graf Öderland“ sitzen bis zu 300 Menschen im Saal und beschäftigen sich mit Ideologie und Gewaltbereitschaft. Es gibt kaum jemanden, der sich zu dem Thema nicht verhält. Ich habe den Eindruck, dass die Debatte weniger polemisch geführt wird.
Auch in Düsseldorf wird über Flüchtlinge und Standorte von Unterkünften gemäkelt. Jedoch längst nicht so hysterisch und aufgeheizt wie in Dresden und Sachsen allgemein. Dabei ist die negative Grundstimmung vermutlich gleich.
Koall: Das glaube ich auch. Jedoch kann ich die Fragen danach, warum es in Dresden „schlimmer“ ist, nicht plakativ beantworten. Klar, es gibt diese strukturschwachen Gegenden mit den verrammelten Geschäften, die entsiedelten Gebiete. Wenn man sich vorstellt, dort zu leben, wird einem ganz anders. Und ja, die Menschen in Ostdeutschland haben die Begegnung mit Fremden weniger selbstverständlich gelernt. Aber bitte, ich will nichts entschuldigen. Mann, jetzt mache ich die Ost-West-Kiste auf. Nach 25 Jahren Einheit. Das ist grotesk.
Wie aktiv erleben Sie die Gegner von Pegida, AfD und des Mobs in Clausnitz?
Koall: Es ist manchmal so, als stünde Dresden nicht in der Welt. Als ginge das, was in ihr vorgeht, die Dresdener nichts an.
Sie engagieren sich exponiert als Pegida-Gegner und -kritiker. Haben Sie manchmal Angst?
Koall: Ich habe keine Lust, mir darüber Gedanken zu machen. Ich blende das bewusst aus.
Im Sommer geht es ins beschauliche Düsseldorf.
Koall: Ist Düsseldorf so beschaulich? Das glaube ich gar nicht. Ich werde immer gerne in Dresden sein, aber im Moment freue ich mich auf die Rheinische Tiefebene.