Die Sehschule der Julia Stoschek
Kunst: Die Sammlerin zeigt mit ihrer Collection eine eigene Sicht auf die Quadriennale.
Düsseldorf. Familie Stoschek hat sich an die Beschäftigung bis heute nicht gewöhnt. Der Großvater nicht, der Generalmusikdirektor war, und auch die Großmutter nicht, die als ehemalige Schauspielerin doch zumindest geahnt haben muss, wie reizvoll ein Leben im Umfeld von Künstlern sein kann. Bei ihrer Enkelin Julia hat sich diese Verlockung zu einer Sehnsucht ausgewachsen, die sie in ihrer Privatsammlung in Oberkassel materialisiert.
Mittlerweile besitzt die 35-jährige Julia Stoschek mehr als 450 Werke aus der Medienkunst, darunter solche von Fotokünstlerin Katharina Sieverding, Konzept- und Videokünstler Dan Graham oder Performance-Arrangeurin Marina Abramovic.
Stoscheks Verdienste um die Kunstförderung in Düsseldorf und der Region wurden im Juni mit der Medici-Nadel gewürdigt und die aktuelle Ausstellung, eine Retrospektive des Filmwerks Derek Jarmans, ist fester Programmpunkt der Quadriennale. Zudem hat sie ein europaweit einmaliges Depot zur Lagerung hochsensibler Filmrollen, Beta-Bänder und Videos eingerichtet, beschäftigt Archivare und Restauratoren. Vier Jahre nach ihrer Ankunft in Düsseldorf denkt man das Wort Mäzenatentum nicht mehr ohne Julia Stoschek.
Dabei traut man ihr die großen Entscheidungen zunächst gar nicht zu, wenn sie Auswahlkriterien für Ankäufe mit Sätzen wie "Mich hat Kunst immer von der Künstlerseite interessiert" beschreibt und ihre Vorbildung mit Kindheitserinnerungen erklärt, mit Aufkleber-Alben und Filmaufnahmen der Eltern.
Jedoch hat diese Unbekümmertheit, getragen vom Geld der Familie und einem willensstarken Charakter, die 35-Jährige offen gemacht. Offen für die zunächst stiefmütterlich behandelte Medienkunst, offen für experimentelle Künstler und für Investitionen. Die arglose Freizeitbeschäftigung der Vergangenheit taucht in der Gegenwart als reflektierte Auseinandersetzung mit Kunst auf. "Man wird am Anfang kritisch beäugt, das finde ich in Ordnung. Im Umgang mit der Medienkunst hat sich bei mir eine eigene Art der Sichtweise, ähnlich einer Sehschule, entwickelt."
Größten Wert legt Julia Stoschek auf die Präsentation der Arbeiten. Erträglich müsse diese sein - für Besucher und für Künstler. "Mit jedem Ankauf ist eine große Verantwortung verbunden. Viel zu oft habe ich Künstler erlebt, die unzufrieden mit der Art der Präsentation ihrer Arbeiten waren." In den extrem hohen Räumen ihres 2500Quadratmeter großen Privatmuseums an der Schanzenstraße in Oberkassel besteht diese Gefahr nicht. Jeder der Super8-Filme von Derek Jarman, die dort zurzeit gezeigt werden, flimmert über eine große Wand, Kino mit Erholungsfaktor.
Bewegte Bilder spielen nicht nur im Leben der Sammlerin, sondern auch privat eine Rolle. "Ich schaue wahnsinnig gern Fernsehen. Räume mit Fernsehgerät haben eine sehr beruhigende Wirkung auf mich." Eine Ruhebedürftige sei sie nicht, aber das Innehalten, das könne sie genießen. "Ich hatte kürzlich in Mailand die Gelegenheit das Abendmahl von Leonardo da Vinci zu sehen. Dieses Erlebnis war unglaublich beeindruckend und hat mich über Wochen selbst in der Erinnerung mit Glück erfüllt."