Kunst zum Klimawandel Die Sumpflandschaft der Toskana erscheint als schöner Geist

Birgitta Weimer zeigt, wie die Schönheit der südlichen Natur durch den Klimawandel immer mehr verloren geht. Zu sehen in der Galerie Troner Art Consulting.

 Wie ein Silberblitz am blauen Himmel: Birgitta Weimer ließ sich zu der Tuschezeichnung in der Toskana inspirieren.

Wie ein Silberblitz am blauen Himmel: Birgitta Weimer ließ sich zu der Tuschezeichnung in der Toskana inspirieren.

Foto: Palladium Photodesign/Barbara Burg + Oliver Schuh

An einem dunkelblauen Himmel jagen silberne Fäden und Knäuel entlang – sind es Blitze? Vor weißem Grund verflechten sich etliche grüne und goldene Wellenlinien, teilweise stark und kräftig, teilweise verblasst – Gräser im Wind vor einer sonnenbeschienenen Hauswand? Ein blauschwarzes sternenartiges Gebilde, von dem sich lauter Arme in alle Himmelsrichtungen abzweigen. Es scheint geschrumpft zu sein: Dahinter erscheint es nur noch schemenhaft in seiner ursprünglichen Gestalt. Könnte eine riesige Sumpflandschaft mit Lagunen und Flüssen gewesen sein, die nach und nach ausgetrocknet ist. Hat hier der Klimawandel seine Spuren hinterlassen?

Es sind drei von 20 Tuschzeichnungen der Kölner Künstlerin Birgitta Weimer. Nun zu sehen in der Galerie Troner Art Consulting in der Altstadt. Die kleinen Werke sind ungewöhnlich. Weimer hat die Tuschzeichnungen auf verschiedene Transparentpapiere aufgetragen und übereinandergeschichtet. Dadurch wirken sie wie schwebende Wandobjekte. Zudem schwingt eine zeitliche Dimension mit: Die Künstlerin führt vor, wie eine Sumpflandschaft im Zuge der globalen Erwärmung nach und nach austrocknet. Weimer überführt ihre Zeichnungen ins Dreidimensionale. Das kommt nicht von ungefähr, sie ist in der Bildhauerei zu Hause. Ihre Skulpturen und Objekte finden sich weltweit in Sammlungen, in öffentlichen Räumen und wurden auch international ausgestellt.

Die Tuschzeichnungen hat die 63-jährige Künstlerin in der Maremma kreiert, dem sumpfigen Küstenland in der Toskana. Inmitten einer wilden Natur. Ein Weiler mit fünf Häusern, Blick aufs Meer, Stachelschweine und Fasane auf der Straße. Weimer fängt die Schönheit der Maremma ein, aber auch die Trauer über den Verlust so mancher Naturphänomene, die der Klimawandel mit sich gebracht hat. So wirken die vertrockneten Sumpflandschaften wie Geister. Weimer beschäftigt sich seit Jahren mit dem Anthropozän, dem menschgemachten Zeitalter.

Der Titel stammt aus der Essaysammlung  „Living, Thinking, Looking“ der US-amerikanischen Bestseller-Autorin Siri Hustvedt: „That feeling of nearness to the shapeless ghost“ (“Dieses Gefühl der Nähe zu den gestaltlosen Geistern“). „Das fand ich schön, das passte zu meiner Situation in dieser Landschaft“, sagt die Künstlerin.

Weimer, die auch Anthropologie und Ethnologie studierte, interessiert sich für Ordnungssysteme. So hat sie etwa Sternhaufen, die der französische Astronom Charles Messier als erster kartografiert hat, in ovale Objekte aus Epoxidharz verwandelt. Licht strahlt aus dem Inneren durch tausende Bohrlöcher nach außen und wirft einen Sternenhimmel an die Wände.

Und auch die Schönheit und Gefahr der Quallen (sie bedrohen die Weltmeere) fing Weimer ein. Als riesige Skulptur aus orangerotem Vinylan.  Sie nennt sich „Medusa“.

Birgitta Weimer: That feeling of nearness to the shapeless ghost, bis 31. Januar in der Galerie Troner Art Consulting. Adresse: Altestadt 10.