Oper in Düsseldorf Abschied mit „Anatevka“

Düsseldorf · Die Mezzosopranistin Susan Maclean hat 14 Jahre lang in der Rheinoper auf der Bühne gestanden. Ausgerechnet mit jenem Stück, das sie als Kind für den Beruf begeisterte, sagt sie nun Ade.

Für ihren Abschied aus dem Ensemble der Rheinoper hätte sich Susan Maclean keine bessere Rolle wünschen können. Sie singt und spielt die Golde im gefeierten Musical „Anatevka“, mit dem sie eine besondere Erinnerung verbindet.

Sieben Jahre war sie alt, als sie mit ihren Eltern in Sacramento eine Tournee-Vorstellung des Broadway-Erfolgs besuchen durfte. „Schon damals wollte ich unbedingt auf die Bühne“, erzählt die Mezzosopranistin: „Das Erlebnis beflügelte meine Sehnsucht und war vielleicht sogar der Auslöser für meinen Beruf.“ Sie weiß noch, was sie so begeistert hatte: „Natürlich die Musik, aber auch die Liebesgeschichten der Töchter. Den Humor, dem man überall in der jüdischen Kultur begegnet, habe ich wohl erst später verstanden. Ein Humor des Überlebens.“

Nur einmal begegnete ihr „Anatevka“ während ihrer langen Karriere. In Bielefeld, wo Maclean engagiert war, führte man die Geschichte von Tevje, dem Milchmann, zwar auf, aber nicht mit den Opernsängern des Hauses. Wie war das, als man ihr in Düsseldorf die Golde antrug? Da lacht sie und rückt die Dinge klar: „Ich selber habe die Initiative ergriffen. In meinen 14 Jahren an der Rheinoper bin ich noch nie ins Betriebsbüro spaziert und habe um eine Rolle gebeten. Diesmal schon.“ Dieses Sahnehäubchen konnte sie sich nicht entgehen lassen. „Golde ist kratzbürstig und meckert gern. Aber sie hat eine große Stärke, bleibt in der Tradition ihres Glaubens verhaftet und stellt ihre Familie über alles“, beschreibt Maclean den Charakter. Anders als ihr Mann Tevje setze sie sich nicht auseinander mit den alten Bräuchen und der neuen Welt: „Golde genügt die Freude an ihrem sauberen Heim und ihren vermeintlich braven Töchtern.“

Was zeichnet den Gesang beim Musical aus? „Bei einigen Klassikern braucht man nicht das gesamte Spektrum der Stimme, andere schöpfen mehr aus der Oper“, sagt sie: „Man muss bereit sein, die jeweilige Farbe anzunehmen.“ Um ihren eigenen Hintergrund hörbar zu machen, nutzt sie beim Lied „Ist es Liebe“ ganz bestimmte Töne, „damit man merkt, dass sie da sind“.

Susan Maclean brilliert als Golde im Musical „Anatevka“ auf der Bühne der Deutschen Oper am Rhein.

Susan Maclean brilliert als Golde im Musical „Anatevka“ auf der Bühne der Deutschen Oper am Rhein.

Foto: Sandra Then

Frage der Besetzung des Stücks durch nicht-jüdische Darsteller

„Anatevka“ ist im jüdischen Kulturkreis verwurzelt. Man habe sich Gedanken gemacht, ob die Aneignung durch nicht-jüdische Darsteller eine Erweiterung oder womöglich eine Beleidigung sei, berichtet Maclean: „Es ist ein Stück über Menschen. Aus dieser Perspektive muss man es betrachten. Ginge es nur um ein einziges Volk, hätte es nie zu diesem Erfolg werden können, überall auf der Welt.“ Mit einem Schmunzeln fügt sie hinzu: „Man muss nicht jüdisch sein, um Golde zu spielen, aber man sollte dafür verheiratet sein.“

Gelegenheit zu einem privaten Schlenker. Ihr heutiger Mann, der Sänger Andrew Zimmermann, war lange Jahre ein kollegialer Freund. Irgendwann ging er zurück in die USA, wurde geschieden, schloss seine Doktorarbeit ab. „Ich war ganz neu auf Facebook, als ich seine Einladung sah“, sagt Maclean: „Wir fanden als spätes Paar zusammen, dank seiner Kinder bin ich jetzt Großmutter.“ Nach dieser Spielzeit wird sie zu ihm nach Colorado ziehen – ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Ihre Vorfreude sei nicht zuletzt durch „Anatevka“ geschürt worden, glaubt sie: „Dadurch bekam ich eine andere Wertschätzung von Familie. In meinem Leben ging der Beruf eigentlich immer vor.“

Ihre Eltern waren Musiker, spielten Querflöte in verschiedenen Orchestern. Susan lernte Klavier, aber sie zog es mehr zum Sprechtheater. In Minnesota studierte sie Schauspiel, nahm privaten Gesangsunterricht und übte zahlreiche Partien ein. Das Lernen fiel ihr leicht, die Hinwendung zum Singen wurde intensiver. Sie folgte dem Rat, ihr Glück in Europa zu versuchen, und wurde 1985 ins Opernstudio Zürich aufgenommen. Ihre nächsten Stationen waren Bielefeld und das Pfalztheater Kaiserslautern: „Dort konnte ich in Ruhe mein Repertoire ausbauen.“

Im Nationaltheater Mannheim traf sie auf den jungen Kapellmeister Axel Kober. Der folgte einem Intendanten namens Christoph Meyer nach Leipzig und nahm sie mit. Meyer wechselte nach Düsseldorf, Kober auch, Maclean auch. Ihre Partien seit 2010 sind kaum aufzulisten. Prägend sei sicher „Die Frau ohne Schatten“ gewesen, resümiert sie. Und, gipfelnd im Meisterwerk „Salome“, alle Opern von Richard Strauss. „Sie machten mir definitiv am meisten Spaß, mit diesem oftmals krass üppigen Orchester und dem witzigen Umgang mit Texten. Für mich gibt es nichts Besseres.“ Obwohl sie auch mit Wagners großen Tragödinnen von 2010 bis 2012 in Bayreuth Triumphe feierte und überwältigt war, als man ihr die Kundry in Herheims „Parsifal“-Inszenierung anvertraute. „Ich hatte das Glück, an entscheidenden Kreuzungen den richtigen Menschen zu begegnen“, sagt sie.

Für „Anatevka“ wird Maclean in der kommenden Spielzeit mehrmals zurückkehren. Und wer weiß, was noch alles kommt. Dennoch, es ist ein Abschied. Welche Gefühle begleiten sie dabei?

„In allererster Linie Dankbarkeit“, antwortet sie: „Eine derart beständige Karriere wäre in meinem Heimatland nur schwer zu schaffen gewesen. Ich habe die Bühne geliebt. Aber soll man nicht aufhören, wenn es am schönsten ist?“