Poetry Slam zur Europawoche Europa – Zwischen Idee und Realität
Düsseldorf · Als Teil der Europawoche in Nordrhein-Westfalen waren vier Poetry-Slammer im Zakk zu Gast und präsentierten ihre Texte.
Europa – das ist viel mehr als der Name einer geografischen Region. Europa ist eine Idee. Von grenzenlosem Zusammenleben und politischer Zusammenarbeit, von Humanismus, Freiheit und Vielfalt. Für Lukas Knoben aber war das moderne Europa lange Zeit vor allem eins: eine Selbstverständlichkeit. Das gibt der Aachener offen in seinem Text zu, den er bei der digitalen Veranstaltung „Europe in the City: Poetry.Slam.Europa!“ vom Zakk vorträgt. Der Slam gehört zum Programm „Europe in the city“, das in Düsseldorf als Teil von NRWs Europawoche stattfindet.
Knoben berichtet von jugendlicher Gedankenlosigkeit. Erzählt, wie er das entspannte Zusammenleben am Dreiländereck ohne Passkontrollen und voller kultureller Vielfalt hinnahm und alles andere ausblendete. „Solange es mir selbst gut geht, interessiere ich mich nicht für Probleme“, stellt er fest und legt mit dieser Selbstreflexion den Kern des Problems offen. Unwillkürlich fühlt sich der Zuhörer ertappt, hinterfragt sein eigenes Verhalten und seine Rolle.
Es sind solche Momente, die einen Poetry-Slam bereichernd und wertvoll machen. Am Ende ist Knoben mit seiner Selbst- und Gesellschaftskritik damit noch lange nicht: Immer enger kreist er um die innereuropäischen Schwierigkeiten. Spannt den Bogen vom Krieg im Nahen Osten, über Kämpfe in der Ukraine und Ungerechtigkeit in der Türkei bis zum Flüchtlingslager Moria und die europäischen Parlamente, deren Stühle mehr und mehr von rechten Politikern besetzt werden. Am Ende steht sein trotziger Aufruf: „Es ist nicht zu spät, sich aufzuraffen und etwas zu tun. Wir müssen für Veränderungen kämpfen.“
Der Erhalt eines freien Europas und seiner Werte sind beim Poetry-Slam schon zu Beginn ein wichtiges Thema. So spricht Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller bei der Begrüßung nicht nur über die internationale Prägung der Landeshauptstadt, sondern auch über die vielen Vorteile der Europäischen Union. Stephan Holthoff-Pförtner, Landesminister für Bundes- und Europaangelegenheiten, betont, dass der Zusammenhalt und die Einbeziehung aller europäischer Staaten unverzichtbar für den internationalen Erfolg sind.
Dass für eine Zusammenarbeit und ein Zusammenleben viele Hürden überwunden werden müssen, davon wird im Zakk auf der Bühne gesprochen. Moderatoren und Slammer teilen sich an diesem Abend das Rampenlicht, die Zuschauer sind online zugeschaltet. Mit digitalem Applaus würdigen sie den Vortrag über Yahya Hassan, einen dänischer Lyriker mit palästinensischen Wurzeln, der nur 24 Jahre alt wurde. Die Todesursache ist bis heute unklar.
Geschichten voller Zwiespalt
und Entzauberungen
Slammerin Meral Ziegler spricht über sein kurzes Leben, das von kultureller Zerrissenheit und physischer Gewalt geprägt war. Es geht um den Verlust der eigenen Identität, schwierige Lebensverhältnisse und ein Talent, das sich aufgrund der Umstände nur in einem einzigen Gedichtband entfalten konnte. Es ist eine deprimierende Geschichte über die Herausforderungen des multikulturellen Lebens und über die Probleme von Menschen, die zwischen Identitäten und Vorurteilen gefangen sind.
AK Chains persönliche Geschichte ist ebenso vom Zwiespalt geprägt. Er nutzt das in seinem Text, um den Zuhörern in bester Eulenspiegel-Manier ihre Vorurteile vorzuhalten, und romantisierende Heimatliebe zu entzaubern. Er thematisiert dabei unter anderem fragwürdige Frauenbilder, die auch von manchen Deutschen vertreten werden. Auch geht es um die angebliche technische Überlegenheit Westeuropas gegenüber dem Nahen Osten: „Ich bin dankbar, in einem so hochtechnologischen Land zu leben. Hier gibt es überall Internet mit 100 000-Leitung, na ja bis auf ein paar Ausnahmen vielleicht“, sagt Chains mit einem Augenzwinkern. Er beweist ein großes Talent für ausgeprägte Ironie, die ebenso unterhält wie nachdenklich stimmt.
Eine ähnliche Strategie nutzt auch Aylin Celik, die mit ihrem Text gegen rechte Ansichten in der Gesellschaft anschreibt, klare Statements setzt wie „Wir sind nicht dein Klischee“ und selbst noch einmal das Problem von Integration anspricht: „Hier bin ich zu braun, in der Türkei bin ich zu weiß.“
Sie wird am Ende von den Zuschauern zur Gewinnerin des Abends gekürt. Alle Texte der gut einstündigen Veranstaltung hätten es allerdings verdient gehabt, ausgezeichnet zu werden. Wer sich mehr mit dem eigentlichen Themenschwerpunkt der Europawoche beschäftigen will, wird in Düsseldorf aber sicher in den kommenden Tagen an anderer Stelle fündig.