Interview Punk-Band Male eröffnet Lieblingsplatte-Festival im Zakk

Düsseldorf · Die Band um Sänger Jürgen Engler präsentiert mit dem Album „Zensur & Zensur“ einen Meilenstein des deutschsprachigen Punk-Rocks. Auf die Bühne kommt auch ein Überraschungsgast.

Sänger Jürgen Engler eröffnet mit seiner Band Male das Lieblingsplatte-Festival.Sie spielen ihr knapp 40 Jahre altes Album „Zensur & Zensur“.

Foto: Sergej Lepke

Die Düsseldorfer Band Male mit Sänger Jürgen Engler veröffentlichte 1979 mit „Zensur & Zensur“ einen Meilenstein des deutschsprachigen Punkrocks. Am Samstag kehren Engler, lange schon in den USA lebend und nach Male mit den Krupps zum internationalen Künstler avanciert, und seine Bandkollegen in die Heimat zurück und spielen im Zakk beim „Lieblingsplatte“-Festival das Album in voller Länger live. Wir sprachen vor dem Konzert mit Engler.

Herr Engler, wann haben Sie die Platte „Zensur & Zensur“ , die Sie im Zakk präsentieren, zuletzt von Anfang bis Ende durchgehört?

Jürgen Engler: Noch nie.

Wie bitte?

Engler: Nein. Ich höre mir meine Platten, wenn ich mit ihnen fertig bin, nie wieder an.

Das ist jetzt so ein typisches Musiker-Ding, oder?

Engler: Absolut. Eine Platte steht immer für eine bestimmte Zeit. Und wenn man da später noch einmal - zu einer anderen Zeit – mit frischen Ohren rangeht, dann fällt einem immer irgendetwas auf, was plötzlich vermeintlich schlecht ist. Das ist ein Problem. Und das versuche ich zu vermeiden. Aber: Zum Glück muss ich auch gar nicht mehr in das Album reinhören. Ich kenne die Stücke in- und auswendig.

Das heißt, man könnte Sie nachts um drei wecken und Ihnen sagen: „Spiel‘ mal „Sirenen“!“ – und Sie könnten es sofort?

Engler: So ist es. Bei späteren Sachen wäre das nicht so einfach. Da war ich etwas anspruchsvoller unterwegs. Das ist schon ziemlich schwieriges Zeug gewesen. Da müsste ich mir mit ein paar Zetteln helfen.

Wo haben Sie denn in den vergangenen Tagen für den Zakk-Auftritt geprobt?

Engler: Im Proberaum von Toten-Hosen-Schlagzeuger Vom Ritchie in Rath. Vom trommelt ja bei der Show für uns. Ihn kenne ich schon seit 100 Jahren.

Welchen Kumpel haben Sie zuletzt noch in der Stadt getroffen?

Engler: Gar nicht so viele. Ein paar alte Schulfreunde. Die meisten werden am Samstag vor der Bühne stehen. Campino kam noch im Proberaum vorbei. Wir wollten mal schauen, was wir alles so für Schweinereien gemeinsam aushecken können.

Soll heißen: Campino wird beim Konzert auf der Bühne auftauchen!

Engler: Hmm, es kann passieren, denke ich... (lacht)

Wie häufig sind Sie denn noch in der alten Heimat?

Engler: Nicht so häufig. Eigentlich immer nur, wenn wir mit Male oder den Krupps in der Nähe spielen. Im März beispielsweise werden wir in Oberhausen auftreten. Da bin ich wieder hier.

Sie leben seit langem schon in Austin, Texas. Haben sogar die amerikanische Staatsbürgerschaft. Ist Düsseldorf trotzdem nach wie vor Heimat?

Engler: Also wenn, dann Bilk. Vielleicht nicht Heimat. Aber: Wenn ich nach Bilk komme, dann fühle ich mich dort immer noch am wohlsten, weil da mein altes Studio war, meine alte Wohnung. Weil ich dort all die kleinen Restaurants kenne, in denen sie gutes Essen servieren, und weiß, wo ich meinen Kram bekomme. Aber wenn es darum geht, ob ich wieder hierher zurückkehren würde? Auf gar keinen Fall!

Trotz Donald Trump sind die USA die bessere Alternative?

Engler: Ach, der ist sowieso bald weg – und ich werde dann eine Woche lang feiern.

Sie scheinen in dieser Sache ein sehr zuversichtlicher Mensch zu sein…

Engler: Es ist Fakt. Es wird so kommen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ihm jemand den Sockel absägt, seinen Money-Trail aufdeckt und offenlegt, wo er überall seine Finger im Spiel hat. In spätestens zwei Jahren ist Schluss. Er hat ja selber schon Paranoia und geht öffentlich nur in Schnellrestaurants zum Essen, weil er befürchtet, in normalen Restaurants vergiftet zu werden. Wozu er durchaus Grund hat: Die Mehrheit der Amerikaner hasst Trump. Wirklich und wahrhaftig. Und aus gutem Grund: Ich schaue ja den ganzen Tag meinen News-Channel. Rauf und runter. Da läuft unter dem Bild, wenn Trump wieder einmal über irgendetwas redet, ein „Reality Fact Check“. Sprich: Das, was er da gerade sagt, wird umgehend von Journalisten des Senders auf den Wahrheitsgehalt überprüft. Ich finde das wunderbar.

An welcher Stelle in Ihrer umfangreichen Diskografie würden Sie „Zensur und Zensur“ von der Wichtigkeit her einordnen?

Engler: Diese Platte ist schon relativ wichtig gewesen, auch weil sie den Grundstein dafür legte, was ich später mit den Krupps machte. Die plakativen und sloganhaften Texte mit schnellen Arrangements, all das fand sich eben auch hinterher – dann eben nur mit Synthesizern anstatt mit Gitarren – wieder. Wenn ich Male vorher nicht gehabt hätte, weiß ich nicht, ob ich Die Krupps später gemacht hätte. Mit Male habe ich mich im Rock, wo ich eigentlich herkomme, ausgetobt. Erst dadurch wurde alles Spätere möglich.

„Zensur und Zensur“ gilt als Blaupause des deutschsprachigen Punks. Zu Recht?

Engler: Ja, durchaus. Denn der eigentliche deutsche Punk ging ja tatsächlich erst danach, Anfang der 80er, los. Wir waren schon 1976 da. Wir haben eben auch keinen stumpfen und gebrüllten „Bullenschweine“-Punk gemacht. Wir waren eher vergleichbar mit den alten englischen Bands The Clash, Sex Pistols, The Buzzcocks. Das hat Düsseldorf ohnehin ausgezeichnet: Die Musiker in der hiesigen Szene haben immer versucht, neue Wege zu gehen. So war es ja auch bei mir und uns: Diese Male-Phase hat vielleicht ein Jahr gedauert, dann ging es schon weiter.

Interessiert Sie der Punk, den Sie ja mit lostraten, heutzutage noch?

Engler: Eher nicht. Aber das liegt auch daran, dass ich heutzutage kaum mehr Zeit habe, das zu verfolgen, was in der Szene passiert. Ich bin ja seit zehn Jahren quasi der Hausproduzent von Cleopatra-Records in LA. Da bleibt wenig Zeit für Anderes.

Welche Band hat Sie denn zuletzt so richtig begeistert?

Engler: Puh… (denkt lange nach).

Man muss schon überlegen, oder?

Engler: Ja, ehrlich. Da muss ich wirklich nachdenken… Irgendwie kommt mir heutzutage alles so vor wie schonmal gehört. Was ich mir mal wünsche: Dass ich endlich mal wieder eine Musik von Künstlern höre, bei der ich denke: „Super! Die machen sich wirklich Gedanken!“ So wie früher, als ich das erste Album von Siouxsie & The Banshees hörte. Das kam raus – und hatte nichts, wirklich gar nichts mit irgendwas zu tun, was vorher gewesen war. Ich habe ich mich damals gefragt: „Wie zum Geier kommen die auf solche Sachen?“ Und solche Bands gab es ja häufig Ende der 70er, Anfang der 80er: Suicide, Wire, Pere Ubu. Das noch einmal zu haben, wäre schön. Etwas zu finden, was wirklich von allem zuvor losgelöst ist. Heutzutage wird viel darauf geschaut, so und so – ganz bestimmt eben - zu klingen. Wir dagegen haben damals nichts gewusst. Wir haben quasi Musik gemacht, ohne Platten hören zu können und wussten nicht, wie andere Bands klingen – The Who und Stones mal ausgenommen, deren Songs wir natürlich anfangs auch gespielt haben. Platten gab es hier ja nirgendwo zu kaufen. Wir mussten uns selber etwas aufbauen und ausdenken. Und kannten das Wort Punk ja gar nicht.

War diese internetlose Zeit ein Segen für die Musik?

Engler: Absolut. Heutzutage sagt dir jeder: „Wenn du Punk machst, dann musst du genau auf diese Art klingen und du brauchst diese Instrumente und Verstärker.“ Heutzutage gibt es alles. In Music-Stores, die riesig sind. Damals hatten wir nichts. Wir mussten nehmen, was es gab und damit klarkommen. Als mir mein Vater meiner erste E-Gitarre kaufte, hatte ich im Laden die Auswahl zwischen einer Fender und einer Gibson. Ich nahm die Gibson und stellte zu Hause fest, dass die Bünde verzogen waren und sie schon gebraucht war. Also brachte ich sie zurück und sagte dem Verkäufer: „Die ist nicht neu. Ich brauche aber eine neue Gitarre.“ Woraufhin er mir antwortete: „Da ist doch eine. Eine Fender.“ Also spielte ich seitdem eine Fender. Und so etwas war wichtig: Man war gezwungen, neue Sachen auszuprobieren. Jede Band hatte ihre eigenen Instrumente und technischen Geräte. Eben das, was sie gerade bekommen hatte. Da war nichts genormt. gab es keine Auswahl – und jeder klang genau deshalb anders als die anderen. Das fehlt heute.

Info: Das Lieblingsplatte-Festival im Zakk eröffnet am Samstag um 20.30 Uhr mit Male. Es dauert bis zum 15. Dezember. Infos zur Veranstaltung und zu Tickets unter www.zakk.de