Düsys: Scheinheilige Waffenruhe
Unter John Fiore gelingt den Symphonikern eine aufregende Darbietung von Rachmaninow und Schostakowitsch.
Düsseldorf. Das zweite Symphoniekonzert der Tonhalle steht unter dem Motto "Barrikaden". Gemeint sind einerseits die Barrikaden auf den Straßen, die in Schostakowitschs 7. Symphonie "Leningrader" zu heftig klingendem Ausdruck kommen und andererseits die Barrikaden im Kopf, die sich auf Rachmaninows Schaffenskrise nach anfänglichen Misserfolgen beziehen.
Unter der Leitung von Generalmusikdirektor John Fiore gelingt den Düsseldorfer Symphoniker eine enorm dichte und aufregende Darbietung der Schostakowitsch-Symphonie. Der portugiesische Pianist Artur Pizarro erweist sich als souveräner Solist in Rachmaninows Paganini-Rhapsodie für Klavier und Orchester.
Das Variationswerk für Klavier und Orchester gehört zum technisch Kompliziertesten der spätromantischen Virtuosenliteratur. Mancher Pianist kommt da in Bedrängnisse. Nicht so Artur Pizarro. Er bleibt vollkommen ruhig und leitet die Noten-Sturzbäche in geordnete Bahnen. Sein ausgefeilter Anschlag wirkt niemals zu massiv oder knallig, obwohl Pizarro durchaus zu kraftvollen Fortissimo und donnernden Doppel-Oktavstrecken fähig ist. Trotzdem fehlt es an Spontaneität, Furor und Risikofreude. Das Spiel wirkt wie im Laboratorium vorbereitet, versiegelt und beim Konzert wieder ausgepackt. So gab es am Freitag für ihn mehr respektvollen Beifall als begeisterten Jubel.
In Dmitri Schostakowitschs 7. Symphonie haben die Düsseldorfer Symphoniker eine Sternstunde. Allein der 1. Satz mit seinen garstigen Grimassen des Krieges und Märschen, die klingen wie eine Überlagerung von Schützenumzug und Schlachtengewühl, entfaltet beängstigende Gewalt. Das über Minuten heranwachsende Crescendo scheint einen schier zu überrollen. Fiore behält den Überblick über die Klangmassen, die das 130-Personen-Orchester produziert. Selbst Dynamik-Kulminationen bleiben geordnet und ufern nicht zu einem Klangbrei aus.
Auch die leisen Stellen lassen aufhorchen: Pizzicati der Streicher strahlen die Ironie scheinheiliger Waffenruhe aus. In der Leningrader Symphonie zeichnet das kriegerische Gedröhn die Fratze der Menschenverachtung. Das 1942 als Anti-Hitler-Symphonie uraufgeführte Werk plante Schostakowitsch ursprünglich als heimlich antistalinistische Komposition. Fiore und die Symphoniker finden zu einer eloquenten und musiziertechnisch souveränen Wiedergabe dieser Tonsprache.
Noch einmal am Montag, 20 Uhr, Karten unter 0211/8 99 61 23.