Ein kunterbuntes Chaos-Konzert zu John Cages 100. Geburtstag
Cages runder Geburtstag wurde auch in der Kunstakademie gefeiert — so wirr und verrückt, wie es ihm gefallen hätte.
Düsseldorf. Der Andrang ist groß in der Kunstakademie. Das erste Gemeinschaftsprojekt mit der Tonhalle zieht jede Menge Besucher an, auch junges Publikum, darunter viele Kunststudenten. Auf drei Ebenen des Gebäudes ist etwas los, vor allem in den Obergeschossen. Das Wandelkonzert ist der Höhepunkt der Reihe zu John Cages 100. Geburtstag.
Anfangs gibt es noch ein wenig Unmut über die Organisation, denn die erste größere Performance, ein katzenartiges Gefauche vierer Damen im Pelzmantel, pinkfarbenen Perücken, bekommt gut die Hälfte der Besucher kaum mit. Denn bei dem prozessionsartigen Beginn des Wandelkonzerts kommen viele im Treppenaufgang zum Stehen, auch wer es etwas weiter nach vorne schafft, hat schlechte Karten, wenn er kleiner als 1,90 Meter ist und über den Menschenpulk nicht hinweg blicken kann.
Doch kurz darauf läuft es: Verschiedenfarbige Kordeln, die von mehreren Wanderführern gezogen werden, führen an den Attraktionen vorbei. Die Schnüre, die man anfassen kann wie einen Handlauf, erweisen sich als perfekter Ariadnefaden durch das Konzert-Labyrinth. Ein kleines Heer von Mitwirkenden ist in Gängen und Ateliers verteilt, um Musik von John Cage und Komponisten, die ihm ästhetisch nahe stehen, zu präsentieren. Der Kammerchor Anima Mundi, das Ensemble Musik-Fabrik, einige Solisten und Studenten der Kunstakademie-Klassen von Anthony Cragg, Johannes Schütz und Thomas Grünfeld warten mit Installationen auf zwischen Musik, Theater und bildender Kunst.
Von Schreibtischlampen beschienene Blumenerde ist auf dem Gangboden des zweiten Geschosses zu einem länglichen Beet aufgeschüttet, hinter Grünpflanzen lauern Musiker, und eine Sängerin gibt exotische Laute von sich, als stamme sie von einem anderen Stern. So kunterbunt das alles auch anmuten mag: Das dahinter stehende Regiment wirkt straff.
Der Besucher hält einen Laufzettel in Händen, und auf seine Eintrittskarte ist ein farbiger Punkt geklebt: gelb, grün, blau oder rot. Das Ganze hat etwas von Schnitzeljagd, bei der Kunstgenüsse erbeutet werden. Der Abend wird immer strukturierter. Die Farben führen den Besucher hintereinander in vier Ateliers, wo die farbgleichen Gruppe versammelt wird und je eine Vorführung erlebt. Beispielsweise verwandelt Komponist Gerhard Stäbler ein Atelier in ein Labor der Wünsche, wo jeder Besucher zu sphärischen Akkordeonklängen einen Wunsch zu Papier bringt, auf Kommando per Startklappe das Blatt zerknüllt und in eine Metallwanne in der Mitte des Raumes wirft. Anschließend fällt die geheime Wunschansammlung qualmend den Flammen zum Opfer.
Ganz zum Schluss wird es in der Akademie fast klassisch, denn es gibt ein Cage-Konzert mit Lesung aus Cages Texten in der Aula.
Der Abend ist lang, aber höchst facettenreich, atmosphärisch weitgehend locker informell, die Gäste plaudern miteinander und lachen. Nichts wird so ganz ernst genommen — und das ist denn auch im Sinne John Cages, der dafür sein Leben damit verbrachte, die Kunst aus der Gefangenschaft erstarrter Konzertritualen zu befreien.