Alex Wissel ironisiert Grabbe Förderpreisträger sägt am Image des Grabbeplatzes
Düsseldorf · Der Kunstverein präsentiert das Werk von Alex Wissel sowie von Hedda Schattanik und Roman Szczesny.
Alex Wissel ist in seinem Element, wenn es darum geht, nationalistische Gesinnungen zu karikieren. Nachdem er sich bei Philara über die Rechtsgesinnten am Hermanns-Denkmal lustig gemacht hat, nimmt er sich nun im Kunstverein den Dichter Christian Dietrich Grabbe samt Grabbeplatz vor die Flinte. Der Dramatiker des Vormärz (1801 – 1836) war hundert Jahre tot, als die Nationalsozialisten ihn zum „nationalen Dichter“ kürten. Walter Bruno Iltz inszenierte 1936 eine stark verkürzte Fassung als Uraufführung am Düsseldorfer Schauspielhaus, und zwar als „Führerdrama“. Danach ließ Gauleiter Walter Steinecke zwölf Radierungen anfertigen, um sie im Januar 1937 an Adolf Hitler zu übergeben. Joseph Goebbels soll gesagt haben, Grabbe sei der einzige völkische Visionär seiner Zeit.
Grabbes „Herrmannsschlacht“ ist ein zwiespältiges Werk
Grund für diese Verehrung waren Grabbes antisemitische und nationale Tendenzen im Stück. Andererseits ist die „Hermannsschlacht“ das Opus eines Todkranken, das posthum herauskam. Der Theaterwissenschaftler und Regisseur Wilhelm Steffens deutet es nicht nur „patriotisch“, sondern verweist auch darauf, dass der Dichter die Zerstörung des „Germanischen“ gleich mitgeliefert habe. Steffen spricht von einer „seltsam gebrochenen Kraft“ des Künstlers.
Vom Zwiespalt im Werk des Schriftstellers hält Alex Wissel nichts. Seine Installation, die er als „Pest“ tituliert, ist eine Persiflage gegen alle Tendenzen rechter Gesinnung. So bringt er an allen möglichen Ecken und Kanten des Ausstellungsraums Pappmaschee-Hügel an, die er als Pestbeulen gedeutet haben will. Im Mittelpunkt hängt das umgedrehte Ortsschild des Grabbeplatzes, der erst seit den Nazis so heißt.
Persiflage auf die Germania als Symbol der deutschen Einheit
Wissel garniert es mit Würstchen aus einem Deko-Laden in Freising. Als der Platz noch Friedrichsplatz hieß, veranstaltete der Verein für demokratische Monarchie am 6. August 1848 das „Fest der deutschen Einheit“. Nach Reden von Lorenz Cantador, dem Chef der Düsseldorfer Bürgerwehr, und Wilhelm Dietze, Mitglied des Frankfurter Vorparlaments und Oberbürgermeister von Düsseldorf, wurde unter den Klängen des Liedes „Des Deutschen Vaterland“ eine von Karl Ferdinand Sohn entworfene und von Dietrich Meinardus ausgeführte Germania-Statue festlich illuminiert. Diese Statue mit Schild und erhobenem Schwert kopiert Wissel aus einer zeitgenössischen Abbildung und überträgt sie mit weißen Stiften auf schwarzes Zeichenpapier, das er auf Dibond befestigt.
Viele Themen aus der Schau bei Philara tauchen auch im Kunstverein auf, so das lange Schwert des Helden, das Wissel diesmal nur an die Wand malt. Auch das Kotzbecken ist wieder da. Wem das noch nicht genug ist, kann auch Zitate der Brüder Johannes und Carl Gehrts entdecken, Johannes als „Germanen-Gehrts“ und Carl als Wandmaler der alten, inzwischen abgerissenen Kunsthalle. Das Bildnis eines lieblichen Mädchens ist so ein Zitat, das Wissel in einem Buch über die alten Wandgemälde der Kunsthalle entdeckt hat und nun einfach als Rötelzeichnung kopiert. Wer will, kann dazu den Kanon mit Noten zum Lied „Germanen durchschreiten des Urwaldes Nacht“ lesen und singen. Wer die Verweise nicht kennt, hat es allerdings mit der Interpretation schwer.
Panorama einer gerenderten Landschaft mit Figuren
Ebenso wenig leicht zu verstehen ist das Werk von Hedda Schattanik und Roman Szczesny. Hier herrscht „Unterhaltung auf Kosten eines Traurigen“, so der Titel der ästhetisch perfekten Inszenierung. Die Ausstellung beginnt mit Heddas Alter Ego mit zusammengezogenen Lippen und einem Löwenzahn auf der Stirn, was sie als Zeichen für die Wiedergeburt deutet. Höhepunkt ihrer Schau ist ein Panoramabild, in dem diese beiden Computerfreaks ihr ganzes Wissen einbringen.
In Romans gerenderter Landschaft tauchen Kontinente auf, ist ein Berg bengalisch erleuchtet und flattern in der Morgenröte farbige Vogelschwingen als Zitate einer farbigen Dürer-Zeichnung einer Blauracke, die Hedda kopiert hat. Man entdeckt einen Putto mit Keksen auf dem Kopf, einen Alien mit afrikanischer Maske und schließlich das „zukünftige Kind“, das schon weiß, „dass alle Untergänge enden können“. Dieser Knabe wirkt wie einem Grafikbuch des 19. Jahrhunderts entsprungen. Groß im Bild steht der berühmte Satz der Griechen: „Amor Fati“, „Nimm dein Schicksal an“. Zugleich tauchen Bilder auf, die Hedda als „crazy“, also als verrückt bezeichnet, wie ein leuchtendes Kuh-Euter. Nichtiges, Fantastisches und Fiktionales kommen hier zusammen.
Der Betrachter darf über frische Blumen springen
Das Duo arbeitet an zwei getrennten Computern, collagiert die gemalten und gebauten Teile und druckt sie als Inkjetprint auf Alu-Basis aus. Der Betrachter kann in diesem Panorama spazieren gehen. Damit er diesen Raum hinter dem Trakt von Alex Wissel überhaupt findet, hat Hedda Rechteckformen aus selbsttrocknendem Ton mit Acryl bemalt und mit frischen Blumen geschmückt, die sie regelmäßig gießen will. Der Betrachter springt nun wie in einem Kinderspiel von Feld zu Feld, bis er vor dem Bild oder vor den Videos an den Wänden steht.
Info: Kunstverein Grabbeplatz 4, bis 25. Januar. Öffnung Di-So 11-18 Uhr