Konzert Ein Experiment am Patienten namens HipHop
Düsseldorf · Fünf Sterne Deluxe haben ihr Debütalbum „Sillium“ von 1998 im Zakk gespielt. Der Abend war mit einigen bitteren Erkenntnissen und legendären Momenten verbunden.
Es beginnt mit dem Satz „HipHop braucht kein Mensch, aber Mensch braucht HipHop“. Es ist der Anfang des größten Hits von Fünf Sterne Deluxe, der Anfang von „Dein Herz schlägt schneller“. Es fliegen Bierbecher in die Luft, es sind jede Menge Hände oben, und die Zuschauer springen, was die Gelenke noch zulassen. So endet der reguläre Teil des Konzerts der Hamburger beim Lieblingsplatte-Festival im Zakk – und es ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, wie dieser besondere Auftritt denn nun war.
Das Lieblingsplatte-Festival garantiert einen einmaligen Abend, denn die Künstler präsentieren an diesem Abend nur die Songs von einem Album, oft das Debüt, ansonsten das Werk, das den Durchbruch brachte. Mit so einer Setliste waren die Bands vielleicht mal in ihren Anfangstagen zu erleben, aber grundsätzlich schon sehr lange nicht mehr und eben auch nie als gereifte Künstler. Fünf Sterne Deluxe haben die Vorfreude der Fans auf ihre erste Platte, „Sillium“ aus dem Jahr 1998, schon in der ersten Sekunde ihres Auftritts übertroffen. Die Gruppe besteht im Kern aus den Rappern Das Bo und Tobi Tobsen sowie DJ Coolmann. Doch statt eines Trios erschienen neun Leute in weißen Laborkitteln auf der Bühne. Das Album wurde mit einer kompletten Band und einem dritten Rapper gespielt.
Tobi und Das Bo waren in den 90ern zunächst als Duo unterwegs und schlossen sich für Fünf Sterne Deluxe mit dem erwähnten DJ Coolmann sowie marcnesium zusammen. Das gemeinsame Werk „Sillium“ war dann eine Platte, die HipHop in neuer Form präsentierte: Humor war zwar auch vorher schon in der deutschsprachigen Szene prägend, bis dahin aber nur sehr selten lässig und wenn peinlich, dann leider nicht mit Absicht. „Sillium“ brachte es auf stolze 30 Titel, von denen eine ganze Reihe allerdings keine Lieder, sondern Geschichten und andere Einspieler waren. Im Zentrum stehen dabei (wie auch auf dem Albumcover) verrückte Wissenschaftler, die mit dem chemischen Element Sillium experimentieren, das offensichtlich euphorisierende oder bewusstseinserweiternde Wirkung hat.
Deshalb also die weißen Kittel 21 Jahre später in Düsseldorf. Die Rapper wollten den beschriebenen Wahnsinn auch hier auf die Bühne bringen und durchbrachen damit die sehr gute Stimmung, mit der das Konzert begonnen hatte. Das Publikum im rappelvollen Zakk bestand aus den Menschen, die schon in den 90ern HipHop mochten. „Ihr seid ganz schön alt geworden“, rief Das Bo zwischendurch in den Saal. Zuschauer unter 30 wurden nicht gesichtet, bei den vorhandenen drängte sich bisweilen die Frage auf, was deplatzierter wirkte: das Oberhemd oder die nochmal angelegte Baggy-Pants. Früher war mehr Haupthaar.
Die Fans waren vor dem Auftritt der Fünf Sterne von einem DJ mit HipHop aus den alten Tagen bestens in Stimmung gebracht worden, starteten deshalb mit einem Puls von 120 ins Konzert und steigerten sich dann zügig, etwa mit dem anderen großen Hit „Willst Du mit mir geh’n?“. Die erwähnten Zwischen-Geschichten und einige langatmige Lieder ließen die Euphorie im Laufe des Abends schwinden, soweit Gras, Becks und Nostalgie nicht weiterhalfen und eben, bis „Dein Herz schlägt schneller“ den regulären Teil des Auftritts abschloss. Es fühlte sich an, als würde man den Kater einer Party schon kriegen, während die Party noch läuft.
Deshalb fiel das Urteil über 21 Jahre Fünf Sterne Deluxe zu diesem Zeitpunkt zwiegespalten aus. Tobi Tobsen und insbesondere Das Bo sind herausragende Rapper und Meister von Reimen, zu denen niemand sonst hierzulande im Stande ist. Daran besteht spätestens nach dem 2017er-Album „Flash“ kein Zweifel mehr. Die Band hat die Lieder tatsächlich nochmal besser inszeniert, als dies mit Plattentellern und Laptop möglich gewesen wäre. Das Hin und Her zwischen Musik und absurdem Theater nahm dieser Klasse leider etwas Wirkung.
Zudem brachte der Abend die Erkenntnis, dass „Sillium“ nicht so legendär ist, wie gedacht. Bisweilen erschienen die Songs nah am Schreckenshit des deutschen HipHop, an „Die da“ von den Fantastischen Vier. Das hatte man so nicht in Erinnerung. Letztlich liegt der Wert von „Sillium“ deshalb darin, einen Anfang gemacht zu haben. Für einen richtig guten Konzertabend brauchten die Hamburger aber noch ihren Song „Ja, ja, Deine Mudder“ sowie Bos Solohit „’türlich, ‚türlich“, die beide kurz nach „Sillium“ erschienen und die in Düsseldorf als Zugaben zu hören waren.