Heine-Haus: Absturz in Zeitlupe

Terézia Mora liest am Mittwoch aus „Der einzige Mann auf dem Kontinent“.

Düsseldorf. Schöne neue IT-Arbeitswelt: Immer den Laptop dabei, stets mit dem Handy erreichbar, auch wenn man den Vormittag zu Hause auf der Terrasse verbringt, weil es sich so schön in die Bäume schauen lässt. Darius Kopp liebt seinen Job. Er vertritt eine amerikanische Firma für W-Lan-Netzwerksysteme und ist zuständig für den Verkauf in Mittel- und Osteuropa. "Ab heute bin ich der einzige Mann auf dem ganzen Kontinent, Flora", prahlt er seiner Frau gegenüber. Aber das war zwei Jahre, bevor die Handlung von Terézia Moras neuem Roman einsetzt, die im Lauf einer Woche wie in Zeitlupe den Absturz eines Mannes nachzeichnet.

Als Einziger war Darius nach einem Besitzerwechsel der Firma übrig geblieben. Die Entlassenen nahmen es ihm nicht übel. Sein Freund Juri nahm die kollektive Kündigung zum Anlass für eine rauschende "After-Work-Party"; seither treffen sich die fünf Ex-Kollegen mit Darius regelmäßig zu Besäufnissen. Er betrachtet sie als seine Freunde. Bis der Moment kommt, da er wirklich auf ihr Vertrauen angewiesen wäre, und sie daraufhin in einem neuen Licht betrachtet. Es soll nicht die einzige Enttäuschung bleiben in dieser fatalen Woche.

Terézia Mora erschien vor fünf Jahren mit ihrem ersten Roman "Alle Tage" auf dem Parkett des deutschen Literaturbetriebs - und errang mit ihrer brillanten Prosa gleich den Leipziger Buchpreis. Sie stammt aus Ungarn, wie ihre Romanfigur Flora, die seltsam deplatziert wirkt an der Seite des dicklichen Chaotikers Darius. Flora hat ein abgebrochenes kulturwissenschaftliches Studium hinter sich, verfügt allerdings weder über die Ellenbogen noch über die Nerven, um sich im Kulturbetrieb einen Platz zu erobern.

Auf Seite 10 des Buches äußert Darius Kopp seine Überzeugung: "Bekanntlich macht erst Arbeit den Menschen zu einem Menschen." Die restlichen 370 Seiten widerlegen diesen Satz mit bitterer Ironie. Darius Kopp betrachtet sich selbst als tüchtigen Businessman, aber die Autorin stellt dieses Selbstbild hinterlistig in Frage, indem sie laufend besserwisserische Kommentare in Klammern einfügt.

Als würde sich eine Art Über-Ich melden, sobald der gute Mann wieder einmal seinem Hang zum Trödeln oder zur Völlerei erliegt. Diese innere Stimme verleiht dem Roman (der auch zum Deutschen Buchpreis nominiert war) eine latente Beunruhigung, die perfekt zum Zustand des IT-Mannes passt, der seine prekäre Existenz mit Räuschen aller Art verdrängt: mit Essen, Trinken und Internetsurfen.