Musikkritik Hier wird Minimalismus zum Großereignis
Dirigent Dennis Russell Davies zeigt Parallelen zwischen Anton Bruckner und Philip Glass.
Düsseldorf. Die große, spätromantische Symphonik eines Anton Bruckner scheint auf den ersten Blick weit entfernt von der modernen US-amerikanischen Minimal Music. Bei näherer Betrachtung fällt jedoch eine wichtige Parallele auf: das unermüdliche Wiederholen von Bewegungsmustern. Noch nie kam das in einem Konzert so klar zum Ausdruck wie jetzt in der Tonhalle. Dirigent Dennis Russell Davies und das Bruckner-Orchester Linz stellten das 2. Cello-Konzert des Amerikaners Philip Glass (geb. 1937) der 6. Symphonie des Österreichers Anton Bruckner (1824-1896) gegenüber.
Der Abend begann mit Glass. Für das Cellosolo gewann man den berühmten französischen Cellisten Gautier Capucon, der seinen Part mit sehr viel romantischem Ausdruck spielte und dadurch dem Klischee entgegen trat, Minimal Music sei arm an Emotionen. Es wurde eine Aufführung voller inniger Momente trotz der vielen Motiv-Repetitionen, die ja den Stil der Minimalisten prägen.
Das musikalisch noch etwas größere Highlight des Abends war die Aufführung der Bruckner-Symphonie. Es hatte etwas den Anschein, als wollte Dennis Russell Davies und sein spieltechnisch wie klanglich exzellentes Orchester Bruckner als Vater der Minimal Music präsentieren. Denn die sich über viele Takte erstreckenden Wiederholungen kleiner Streicherfiguren spielten die Musiker so klar und kantig, als handle es sich um ein Stück von Glass oder Steve Reich. Und gerade diese ungeglättete Art macht das Hören einer Bruckner-Aufführung zu einem mitreißenden Erlebnis. Die Musik gewinnt an Fahrt und es scheint, als würde ein großer Jumbojet abheben.
Im vergangenen Oktober haben noch die Düsseldorfer Symphoniker Bruckners „Sechste“ gespielt, damals unter Leitung des Gastdirigenten Karl-Heinz Steffens. Dies war eine sehr viel zaghaftere Darbietung und besaß bei weitem nicht die Wucht, die Davies und die Linzer jetzt erzeugten. Die 6. Symphonie gehört ja zu den etwas weniger beliebten Symphonien in Bruckners Oeuvre, vielleicht weil die Hauptthemen nicht ganz so charakteristisch sind wie bei etwa der „Vierten“ oder „Siebten“. Doch dieses Konzert hat gezeigt, was an Kraft und musikalischer Substanz auch in der „Sechsten“ steckt.